Baugeschichte Höngg
Höngg – Was bisher geschah
Der Meierhofplatz in Höngg ist ein unsäglicher Ort. Ein Exempel dafür, wie Verkehrsplanung völlig danebengehen kann. Aber er erzählt eben auch eine Geschichte: Die Geschichte darüber, was sich in Höngg in den letzten 100 Jahren bewegt hat. Oder eben nicht.
1. März 2017 — Patricia Senn
Die Siedlungsgeschichte von Höngg, oder «Hoinga», wie das um 600 n. Chr. von Alemannen gegründete «Haufendorf» hiess, geht weit zurück und bleibt in ihren Anfängen wohl im Dunst der Vergangenheit verborgen. Einzig die Bauten und Entwicklungen im Dorfzentrum sind relativ genau und weit zurück dokumentiert. In jedem Fall sei erwähnt, dass sich Höngg bis ins Jahr 1812 zur bevölkerungsreichsten Gemeinde aller später eingemeindeten Stadt-Zürcher Quartiere entwickelt hatte. Entsprechend gab es hier auch die meisten Häuser, 219 an der Zahl. Doch auch die anderen Dörfer und Aussenquartiere wuchsen, mittlerweile zählen Altstetten, Affoltern und Seebach noch vor Höngg zu den bevölkerungsreichsten Quartieren der Stadt.
Vom Rebbauerndorf zum Wohnquartier
Obwohl sich auch in Höngg an der Limmat einige Industriebetriebe wie die Spinnerei Spickler und die Mechanische Seidenstoffweberei «Baumann Älter» niederliessen, behielt das Quartier lange seinen dörflichen Charakter, mancherorts sogar bis heute. Die ersten Auswirkungen eines «ambitiösen Strassenbauprogramms» des Kantons zeigten sich 1852 im Bau einer Strasse am rechten Limmatufer, heute bekannt als «Am Wasser» und im Ausbau der Zürcherstrasse 1856, die bei der Eingemeindung in Limmattalstrasse umbenannt wurde. Damals, am Rande des Dorfes, wurde die Regensdorferstrasse ab 1865 nach und nach ausgebaut und besiedelt. 1886 schadeten die Reblaus und der falsche Mehltau einigen Winzern so sehr, dass sie ihre Rebberge schliesslich als Bauland zum Kauf anboten und die ersten Häuser in den Hängen entstanden. Während 1900 noch 3089 Menschen in Höngg lebten, waren es 1930 bereits 5307. Die sonnige Südhanglage erwies sich als attraktive Wohnlage für den Mittelstand. Der Bau der entsprechenden Erschliessungstrassen Ackerstein- und Rebbergstrasse und die Erweiterung der Ottenbergstrasse im Jahr 1933 basierte auf dem von der Stadt ausgearbeiteten Plan von 1929. Die Tobelegg- und die Hardeggstrasse stammen aus dieser Zeit und die Steige Eschergutweg und Rebbergsteig wurden ebenfalls dann angelegt. Zwischen 1945 und 1965 wuchs die Bevölkerung in Höngg von 7000 auf stattliche 17000 Personen an, das Quartier dehnte sich in alle Richtung aus. Auch weiter oben am Berg wurden Strassen angelegt, so 1964 die Emil-Klöti-Strasse und später die Appenzellerstrasse und Im Wingert. Mit dem Bau der Strassen ging auch der Häuserbau einher, die meisten Gebäude entstanden ─ wie in der restlichen Stadt Zürich auch ─ zwischen den 30er und 60er Jahren. Der Plan zeigt anhand der Jahre der Strassenbenennungen, wie das Quartier nach und nach gewachsen ist.
Die Kernzone
Im ehemaligen Weinbaudorf zwischen Wipkingen und Engstringen legte man schon früh Wert auf «angemessene Bauvorschriften», wie im «Text zu den Bemühungen um die Erhaltung einer Dorfstruktur am Beispiel in Höngg» (siehe Box) nachzulesen ist. Bereits vor der Eingemeindung 1934 wurde eine Sondervorschrift für den Dorfkern erlassen, die dafür sorgen sollte, dass das Zentrum von Höngg seinen ländlichen Touch nicht verlor. Diese Regelung wurde erst 1946 durch die allgemeine städtische Bauordnung ersetzt und angepasst. Eine neue Baulinienverordnung, die 1959 in Kraft trat und eine Verbreiterung der Regensdorfer- und Limmattalstrasse ermöglicht hätte, um die bereits schlechten Verkehrsverhältnisse zu verbessern, hatte aber zur Folge, dass die Baulinien neu alle an der Limmattal- und Regensdorferstrasse liegenden Häuser anschnitten und so jegliche Weiterentwicklung des Zentrums verhinderte. In den 60er Jahren träumte die Stadt von einem mehrspurigen Verkehrssystem und einem grossangelegten Einkaufsgebiet. Der Abbruch des Gesellenhauses «Rebstock» am Meierhofplatz und die Errichtung einer Zentrumsüberbauung, die diverse Geschäfte und sogar einst ein Kino beherbergte, an derselben Stelle, waren ein erster Schritt in diese Richtung, oder wie im Quartierspiegel der Stadt zu lesen ist: «Man ging seinerzeit davon aus, dass die Limmattalstrasse vierspurig geführt werde, wozu man 30 Meter Strassenraum benötigte. Die Öffnung der Strasse am Meierhofplatz war also nicht als Andeutung eines Platzes gedacht, sondern als Vorwegnahme einer Hochleistungsstrasse». Diese Reise geriet allerdings ins Stocken. Während man Pläne entwarf und verwarf, Volksinitiativen lanciert und zurückgezogen wurden, verwahrloste der Höngger Dorfkern zusehends, weil die Besitzer nicht in etwas investieren wollten, das möglicherweise wieder abgerissen würde. Resultat dieser zwanzig Jahre andauernden Planungsphase, auf die in folgenden Ausgaben des «Hönggers» noch vertieft eingegangen werden wird, war die Kernzonenregelung, welche 1981 genehmigt wurde und 1984 in Kraft trat. Sie schrieb eine gemischte Nutzung des Dorfkerns vor, Ziel war nicht die museale Erhaltung des Zentrums, aber dennoch ein gewisser Schutz der bestehenden Raumstruktur. Gleichzeitig sollten Verkaufsmöglichkeiten und Gewerbe gefördert werden. Die grossen verkehrstechnischen Überbauungspläne im Zentrum waren damit erst einmal vom Tisch. Geplant wurde indessen der «Höngger Markt», mit einem unterirdisch angelegten Coop und Parkhaus, diversen Dienstleistenden und Kleingewerblern. Dazu mussten oberirdisch die Häuser abgerissen und in fast derselben Form wieder aufgebaut werden. Nach zweieinhalb Jahren Bauarbeiten konnte das nicht unumstrittene Projekt abgeschlossen und der «Höngger Markt» am 30. November 1989 eröffnet werden. Seither hat sich der Dorfkern von Höngg nicht mehr einschneidend verändert, die Bautätigkeit hat sich an die Enden des Quartiers verschoben. Man fragt sich vielleicht zu recht: Wird das Zentrum für immer so bleiben? Oder bewegt sich in Zukunft doch noch etwas?
Währenddessen auf dem Hönggerberg …
Die ETH auf dem Hönggerberg. Sie gehört zwar zu Höngg, aber irgendwie nicht zum «Dorf». Das «da oben auf dem Berg», die futuristische Architektur, das hat irgendwie alles nichts mit Höngg zu tun, auch wenn der Campus auf dem Hausberg liegt und im Jahr 2010 mit dem Europäischen Wissenschafts-Kultur-Preis ausgezeichnet wurde. Dabei hätte man Zeit gehabt, sich daran zu gewöhnen: Der erste Spatenstich für die «Stadt in der Stadt» wurde bereits 1961 gemacht. In drei Bauetappen entstanden die Gebäude für Physik- und Molekularbiologie, Architektur- und Bauwissenschaften und als letztes das Gebäude für Chemie, Werkstoffe, Pharmazie und Mikrobiologie 2004. Und dennoch wird dieses Kapitel in vielen Büchern zu Höngg mit eher spitzen Fingern angefasst. Anders als beim Tal gibt es für den Berg einen Plan von Seiten der Stadt und des Kantons, den sogenannten «ETH Zürich Campus Hönggerberg 2040» Masterplan. Auf der Homepage des Amts für Städtebau Zürich ist zu lesen: «Die ETH Zürich setzt auf eine Strategie der Innenentwicklung und der Innenverdichtung. Sie sucht keinen direkten baulichen Anschluss des Campus an die Quartiere Höngg oder Affoltern und will die umliegende Landschaft erhalten». Das klingt einerseits ein wenig so, als wolle man für sich bleiben andererseits ist es sicherlich zu begrüssen, dass die letzten Naherholungs- und Landwirtschaftszonen nicht verbaut werden. Obwohl die ETH immer wieder bemüht ist, die Höngger auf ihren Campus zu locken und es auch auf der anderen Seite punktuelle Annäherungen gibt, scheinen die wenigen Höhenmeter unüberwindbar zu bleiben.
Rütihof – ein eigenes Kapitel
Über Vergangenheit und Zukunft des Quartiers im Quartier Rütihof allein liessen sich zwölf «Höngger»-Ausgaben füllen. Bis in die 70er Jahre standen gerade einmal 14 Wohnhäuser im Weiler am Rande Hönggs, es gab tatsächlich mehr Nutzvieh als Menschen. Das ist in der Broschüre von Georg Sibler «Der Rütihof bei Höngg» nachzulesen (siehe Infobox). Der Bau der Umfahrung Frankentalerstrasse im Jahr 1973 war so etwas wie ein Vorbote für den Wandel, der sich ab 1979 durch die im Gemeinderat beschlossenen Umzonung im Quartier vollzog. Ohne an dieser Stelle weiter ins Detail gehen zu können, sei hier nur so viel gesagt: In 20 Jahren wurde die Satellitenstadt gebaut, in der heute 4000 Menschen leben. Die verschiedenen Baustile lassen erahnen, dass es wohl keinen Masterplan gegeben hat. Doch auch diese Bauherren hatten sich an gewisse Vorschriften zu halten. Um herauszufinden, welches diese Richtlinien sind, hat sich der «Höngger» ins Baurecht eingelesen, das sich auch wie eine «Champagnerglas-Kaskade» betrachten lässt.
Quellen:
Hochbaudepartement Zürich, Amt für Städtebau (Hrsg.), Bruno Fritzsche et al.: Baukultur in Zürich. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2009.
Lendenmann, Fritz, et al.: Hundert Jahre Gross-Zürich 60 Jahre 2. Eingemeindung 1934. Stadtarchiv / Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich, 1994.
Dangel, Karin, et al.: Die Bemühungen um die Erhaltung einer Dorfstruktur am Beispiel von Höngg; in: Zürcher Denkmalpflege. Stadt Zürich. Bericht. 1992; 1989/90, S. 95-107.
Baer, François G., Baer Yves: 1934-2009. Vom Dorf Höngg zum Quartier Zürich-Höngg. Quartierverein Höngg, 2009.
«Der Rütihof bei Höngg» von Georg Sibler. Erhältlich im Ortsmuseum Höngg, Vogtsrain 2 und im Infozentrum Höngg, Meierhofplatz 2.
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