Glauben–unglaublich: Eröffnung mit Überraschungen

Was ist das für ein Sonntag: Es ist weder Weihnachten noch Ostern, und doch ist die reformierte Kirche so gut besucht wie sonst praktisch nie? Kaum zu glauben, ist man versucht zu sagen. Der Grund lag in der Eröffnung der Ausstellung «Glauben–unglaublich!“. Und dies zu Recht.

Ausstellungsmacher Ralf Weingarten, Kirchenpflegepräsident «Andreas Pestalozzi» und Pfarrerin Carola Jost-Franz, sprachen sich gegenseitigen Dank aus.

Kirchenratspräsident Ruedi Reich stellte in seiner Gastpredigt vor vollem Gotteshaus gleich zu Beginn richtig, dass Glauben nicht aus dem Sehen, sondern aus dem Hören komme, aus dem Hören auf das Wort Christi. Und da Ausstellungen primär Augensache seien, könne der Glaube auch nicht aus der Höngger Glaubensausstellung kommen. Kritische Worte, ausgerechnet am Tag der Eröffnung. Doch Reich relativierte seine Aussage im Laufe der Predigt. «Glaube», so sagte er, «kommt auch nicht nur aus der Predigt alleine, sondern aus der Verkündigung, und die kann vielfältig geschehen, in Wort und Tat.» Und eine solche Tat stellt die aktuelle Ausstellung dar. «Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht», zitierte Reich den Propheten Jesaja und leitete daraus ab, dass Menschen immer wieder Ausdruck für ihren Glauben gesucht hätten, dafür, was ihnen Glauben bedeutet – und genau darum gehe es in der Höngger Ausstellung auch: Die Basis der Gemeindemitglieder suche darin Ausdruck für ihren Glauben und seine Wirksamkeit im Alltag. «Davon hängt die Zukunft der Kirche ab», so sagte Reich. Und die Ausstellung schafft es, nebst der Anregung zur Auseinandersetzung mit dem Thema Glauben, auf «unglaubliche» Art Identität zu stiften.

Die Idee ist zwei Jahre alt

Die Idee zur Ausstellung hatte vor zwei Jahren Carola Jost-Franz, Pfarrerin in Höngg. Sie wollte das Thema Glauben in heutiger Zeit aufnehmen. Der Titel der Ausstellung entstand auf der Suche nach dem Logo. Hatte man zu Beginn noch mit den Worten «Glauben» und «Unglauben» experimentiert, stiess man bei längerer Auseinandersetzung mit dem Thema auch auf den titelgebenden unglaublichen Aspekt. Doch was, so fragte man sich, hat man als reformierte Gemeinde überhaupt auszustellen? Es gibt keine Reliquien, keine goldenen Gegenstände, nichts. Nur den Glauben. Und gerade diesen wagte man auszustellen. So entstanden in stetigem Kontakt mit Menschen aus der Kirchenbasis Schritt für Schritt Konzept, Inhalte und Ideen – derart viele, dass bald klar wurde, dass für eine solche Ausstellung auch ein professioneller Gestalter herbeigezogen werden musste. Für Ausstellungsmacher Ralf Weingarten war es spannend, wie das Team all die verschiedenen Impulse der Kirchenbasis aufnahm und gemeinsam umsetzte. Das Resultat ist unglaublich vielseitig. «Eine Ausstellung ist ein Medium wie Theater oder Zeitungen, sie benutzt einfach einen dreidimensionalen Raum und soll viele Sinne ansprechen», sagt Ralf Weingarten und folgert: «Ein Theater inszeniert auch nicht irgendjemand – dort braucht es auch Regisseure und Techniker, um das Stück richtig umzusetzen. Hier ist ‹das Stück› eben der Glaube, und der musste auch richtig erlebbar gemacht werden.» So ist die eigentliche Ausstellung auch nicht bloss für die Augen, sondern für alle Sinne erlebbar – für die jüngsten Gemeindemitglieder gar mit einer riesigen, aufgeblasenen Höngger «Hüpfkirche» auf dem Platz vor dem Kirchgemeindehaus. Selten wurde eine Kirche so freudig gestürmt wie diese. Doch das war wohl für niemanden eine Überraschung. Für diese sorgte Kirchenpflegepräsident Jean E. Bollier, hielt er doch seine Eröffnungsrede verkleidet als Andreas Pestalozzi, der von 1727 bis 1769 Pfarrer in Höngg war. Damals, so berichtete dieser «Pestalozzi“, seien um den Taufaltar zu Höngg noch sechs grosse Kannen für den Abendmahlswein gestanden, so gut sei hier getrunken worden. Später dann, im 20. Jahrhundert, verschwanden diese Kannen im Archiv des Landesmuseums und von dort wurden sie nun, zur Überraschung aller, wieder zurück nach Höngg gebracht. Eingefädelt hatte diesen Coup der pensionierte Pfarrer Karl Stokar.

800 am Bibelabschreibprojekt

Das Verbindende ist es, dieses Identitätsstiftende, was die Ausstellung «Glauben–unglaublich!» vermitteln wollte und auch tut: Nicht Theologen und Pfarrer haben das Wort, sondern die Kirchenmitglieder selbst, von den Kindern bis zu den Senioren. Anhand zum Teil einfachster Exponate, persönlicher Alltagsgegenstände aus Höngg, versehen mit einem Hinweis, geben sie Zeugnis von dem, was ihnen Glauben bedeutet. Oder das Bibelabschreibprojekt, in dessen Rahmen während der Ausstellung das Unikat einer Höngger Bibel entsteht, geschrieben von 800 Menschen aus Höngg. Erzählcafé, Impulsabende, Konzerte, Vorträge, «Kiki-Fäscht» und vieles mehr laden ein, dem eingangs zitierten Satz «Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht» entgegenzuhalten: Wir bleiben. Oder um es mit den Worten von Stadtrat Andres Türler zu sagen, der ebenfalls eine launige Ansprache hielt: «Die Ausstellung lebt von all dem, was Hönggerinnen und Höngger aller Altersgruppen dazu beitrugen. Sie wird zu einer Begegnung, zu einem Erlebnis mit hoffentlich nachhaltigem Effekt. Gestaltet von Hönggern mit Hönggern und für Höngger. Und doch mit Blick über Höngg hinaus.»

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