Sport
Gefeierte 75 Jahre SVH
Der Martin Cup stand ganz im Zeichen des 75-Jahr-Jubiläums des Sportvereins Höngg (SVH) – und fand mit seinem neuen Konzept zurück zum alten Erfolg. Selbst das Ausscheiden der Schweiz im EM-Achtelfinal und das «abwechslungsreiche» Wetter konnten der Festlaune insgesamt nichts anhaben.
28. Juni 2016 — Fredy Haffner
«Letzigrund 5,6 km», «San Siro 286 km», «Olympia Stadion 836 km», «Maracana 9231 km» – hoch oben prangen die Distanzen zu den grossen Stadien am zentralen Wegweiser in der Mitte des neu angeordneten Festplatzes. «Lustig», so der erste Gedanke zu einem der meistfotografierten Sujets dieses Martin Cups. Doch nach einem ersten Augenschein über das Gelände und den ersten gesehenen Spielen darf man sich ruhig fragen: «Letzigrund? Wer will denn schon dort hin, wenn man doch auf dem Hönggi, am Martin Cup, noch richtigen Fussball erleben kann?»
Heiss ist es an diesem Freitag, dem Eröffnungsabend. Selbst die Soft-Ice-Maschine braucht zusätzliche Fentilatorenkühlung, läuft sie doch Eis um Eis auf Hochtouren. Am Sponsorenapéro im kleineren, doch noch immer grossen Festzelt, kühlt man sich mit gespritzten Weissen und prostet sich auf einen gelingenden Anlass zu, während auf dem Platz bereits geschwitzt und heiss um jeden Ball gekämpft wird. Nur an einem Ort ist es noch heisser: hinter dem Grill im Foodstand, dort schwitzen die ehrenamtlich Helfenden fast mehr als die Würste, die sie auf den Grill legen, oder die Pommes, die sie ins Öl geben.
SVH-Präsident Martin Gubler macht die Runde über die Plätze. Gespielt wird auf vier Kleinfeldern gleichzeitig. «Es haben sich doppelt so viele Mannschaften angemeldet wie letztes Jahr», freut sich Gubler und vermutet, dass der Wechsel von Elfer- hin zu reinen Sechserteams und den Kleinfeldern viel dazu beigetragen hat: «Bei Elferteams musste man bis zu 14 Mitspieler finden, bei Sechserteams reichen zwei Auswechselspieler. So lässt sich viel spontaner ein Team bilden.» Dieses Jahr steht für diese Teams ein Naturrasen bereit, der so gut im Schuss ist wie seit Jahren nicht mehr – Platzwart Patrick Bryner vermutet, dass dies auch mit dem neuen Mähroboter zu tun hat, der den Rasen häufiger, dafür schonender schneidet als die herkömmlichen Maschinen. Doch auch auf dem Patz des Turnvereins, der mitbenutzt wird, ist die Matte satt und dicht – vielleicht liegt es ja einfach am Regen der letzten Wochen. Egal, Hauptsache der Ball und das Turnier laufen rund.
Beide taten dies an diesem Freitagabend und erst noch vor einer ansehnlichen Zuschauerkulisse und lange sogar bei Sonnenschein. Dann aber entlud sich ein Gewitter über dem Hönggi, das sich zu einem an- und abschwellenden Dauerregen mauserte. In der «Munibar» und den beiden Zelten drängten sich die Menschen dicht an dicht und draussen auf dem Platz musste das Turnier der Kategorie A wegen Sturmwarnung in den Achtelfinals abgebrochen werden. Die Entscheidung um den Sieg wurde humorvoll beim Ziehen von Jasskarten getroffen.
Nach der Preisverleihung für die ersten beiden abgeschlossenen Turniere (Rangliste siehe Infobox am Ende des Textes) lichtete sich der Festplatz auch dieses Jahr merklich. In den Zelten hätte es gut noch Platz für die doppelte Anzahl Besuchende gehabt. Doch der Festlaune der Anwesenden konnte dies wenig anhaben, und so wurde im Partyzelt bei der Sieger-Hymne «We are the champions» der Pokal des Verkleidungsturniers gefeiert, während gleichzeitig im grossen Zelt «Funtonic» live mit Bob Marleys «Get up, stand up» das Kampflied aller Unterlegenen spielten.
Das Zunftturnier und die EM
Für die Dauer des samstäglichen Zunftturniers trocknete das Wetter so ab wie die Zunft Höngg ihre Gegner in den ersten beiden Spielen, die sie – das erste glücklich, das zweite überlegen – gewannen. Beim Apéro der Zunftmeister hatte man auf Höngger Seite noch gut lachen. Letztendlich sollte es dann aber doch nicht für einem Podestplatz reichen. Was aber auch sekundär ist, geht es doch bei diesem Turnier, wie bei allen am Martin Cup ausgetragenen, um den Plausch am Mitmachen. Davon mochten auch die teils hitzig ausgetragenen Zweikämpfe und Dispute mit den Schiedsrichtern nicht abzulenken.
Mehr Ablenkung brachte das EM-Achtelfinalspiel Schweiz gegen Polen, das, wer konnte, auf Grossleinwand in der «Munibar» verfolgte – und überall sonst wurden Handys gezückt und so hingestellt, dass auch mitfiebern konnte, wer zum Beispiel gerade Würste grillierte. Die Pokalvergabe des Zunftturniers, zeitlich mitten in die erste Halbzeit des EM-Spiels geplant, wurde spontan auf die Spielpause verschoben, doch selbst so geriet sie dieses Jahr zu einem Anlass vor buchstäblich leerer Kulisse und die noch anwesenden Spieler der Siegermannschaften hatten alle locker gemeinsam auf der Bühne Platz. Dort liess es sich Zunftmeister Daniel Fontolliet trotzdem nicht nehmen, ihren Einsatz und jenen aller Helfenden gebührend zu würdigen.
Stadtrat Lauber mit viel Humor
Während die Schweizer gegen Polen im Sonnenschein den Bach runter gingen, ergossen sich diese Bäche, gemischt mit den Tränen der Nati-Fans, wieder über Höngg – und mitten durch das grosse Festzelt. Besorgte Mienen bei jenen, die das Zelt für den grossen Jubiläumsabend des SVH vorbereiten mussten. Doch als um 17.30 Uhr die ersten Gäste zum Apéro erschienen, war der grüne Teppich nur noch nass und stand wenigstens nicht mehr komplett unter Wasser.
Die Clowns Mugg, an der Drehorgel, und sein Kompagnon Ischa hoch auf Stelzen hiessen die geladenen Gäste willkommen. Unter ihnen gleich zwei Zürcher Stadträte: der Höngger Andres Türler und Gerold Lauber, Vorsteher des Schul- und Sportdepartements.
Rasch füllte sich das Zelt, und es wurde so angeregt geplaudert, dass die beiden Clowns, die durch den ganzen Abend führten, reichlich Mühe hatten, sich Gehör zu verschaffen, um nach der Vorspeise Laubers Festrede anzusagen. Dieser packte sein Publikum dann aber sogleich mit einigen lockeren Sprüchen in die (Sport-)Tasche. Lauber, der sonst oft streng und verkrampft wirken mag, bewies als Redner grosse Kunst, gerade auch dann, wenn er spontan vom Manuskript abwich. Natürlich überbringe er die offiziellen Grüsse des Gesamtstadtrates, doch Türler und er hätten sich abgesprochen, scherzte Lauber: Er, Lauber, solle die Grussbotschaft überbringen, und sein Amtskollege sei dafür fürs Wetter zuständig. Als sich das Publikum vom ersten Lachen erholt hatte, doppelte Lauber nach mit: «Zum Glück hatten wir es nicht umgedreht, sonst wäre beides in die Hosen.» So ging das weiter und Lauber kommentierte spontan mit «ich finde, Penaltyschiessen ‹isch en Saich›» auch den EM-Tag. Aber natürlich vergass er es nicht, ganz offiziell dem SV Höngg zu seinem 75-Jahr-Jubiläum zu gratulieren. Für 75 Jahre Engagement im Breitenfussball und dies mit einer Beständigkeit und auf hohem Niveau, wie es seinesgleichen sucht. Dass die Akteure des SVH ehrenamtlich diese «Knochenarbeit», wie Lauber die Vereinsarbeit anerkennend bezeichnete, nun fast ganzjährig leisten, daran seien sie aber selber schuld, scherzte der Magistrat erneut, denn schliesslich hätte der SVH Flutlicht und Kunstrasen, die Trainings im Winter und abends zulassen, ja selbst gewollt. Ernsthaft hingegen lobte Lauber den Frauenfussball auf dem Hönggi: «30 Prozent der 335 hier oben spielenden Kinder sind Mädchen und das ist ganz beachtlich und hat Applaus verdient», der dann vom Publikum auch gebührend gespendet wurde.
Ein geschichtsträchtiger Festakt
Nach Laubers Rede bannten Zauberer Herbies Tricks die Blicke der Gäste. Jeden einzelnen hatte man bestimmt schon irgendwo gesehen, doch zu faszinieren wussten sie dennoch, und Herbie lenkte zu gut und vor allem humorvoll alle von seinen Tricksereien ab: Selbst wer auf die Bühne zur Mithilfe gebeten worden war, konnte nicht sagen, wie der Knoten in den beiden Tüchern – den man notabene selbst gezogen und danach fest in der eigenen Hand umschlungen gehalten hatte – plötzlich hatte verschwinden können.
Verschwinden wie jene Ausbaupläne für eine grosse Sportanlage auf dem Hönggerberg, auf die Martin Gubler in seiner darauffolgenden Ansprache zu reden kommen sollte.
Doch zuerst zog Gubler anhand der Vereinsgeschichte Vergleiche, die nur zu gut zeigten, dass vieles, was in den Gründerjahren galt, auch heute noch Bestand hat. Zum Beispiel nicht mehr Geld auszugeben, als man eingenommen hat – was Gottlieb Wolfensberger, 1948 Quästor des SVH, nicht nur dem Verein, sondern der Gesellschaft allgemein empfohlen hatte. «1948? 2016? Ich glaube, das gilt heute noch gleich wie damals», resümierte Gubler.
Vielfältig griff Gubler Anekdoten aus der Vereinsgeschichte auf, die anlässlich des Jubiläums verfasst und an alle über 700 SVH-Mitglieder verteilt worden war. So erinnerte er an das Spielfeld im Rohr, das nur durch Glück – und die Bezahlung eines «Mehropferbeitrages» von 15 Franken – nicht hatte der Anbauschlacht geopfert werden müssen. Vom Spielfeld Rohr, das näher bei der heutigen ETH gelegen war, zog der SVH dann 1971 auf den neuen Platz. Und hier eben erinnerte Gubler genüsslich aus einem Schreiben des Stadtrates aus dem Jahr 1964. Darin hiess es, dass man nicht nur der zwei Jahre zurückliegenden Eingabe des SVH mit der Bitte um zwei neue Spielfelder nachkommen wolle, sondern im Februar 1963 beschlossen habe, noch viel mehr zu bauen. «Ich bin völlig nüchtern, liebe Freunde, wenn ich dies nun vorlese», leitete Gubler die Aufzählung ein: «Sieben Rasenspielfelder, eines davon mit einer 400-Meter Rundbahn und Leichtathletik-Anlage, ein Trockenplatz, eine beleuchtete Schulspielwiese, acht Tennisplätze, eine Kunsteisbahn (im Sommer Rollschuhbahn), zwei Garderobengebäude, ein unterirdischer Parkplatz und ein Kinderspielplatz.» Erstellt hätte das gigantische Werk in drei Etappen werden sollen. Die erste sah zwei Fussballplätze und ein kleineres Garderobengebäude vor. «Andres», blickte Gubler zu Stadtrat Türler, «du kratzt dich am Kopf, genau so ging es mir, als ich das las.» Und lachend, aber nicht ernsthaft fügte er an: «Liebe Herren Stadträte, wir warten heute noch auf die Ausführung der Etappen zwei und drei dieses vernünftigen, bescheidenen Projekts!»
Dass dieses nie gebaut wurde, so sei hier ergänzend angefügt, ist nicht zuletzt der Verdienst des Verschönerungsvereins Höngg, der damals all seine Kräfte gegen das Vorhaben aufwendete, das die ganze Höngger Allmend auf alle Zeit verschandelt hätte.
Gubler gab noch viele weitere, äusserst amüsante Beispiele aus der SVH-Geschichte zum Besten – wie zum Beispiel den Beschluss damals, das Restaurant Gsteig als erstes Klublokal zu wählen, weil es weiter weg lag vom Polizeiposten als die Mitbewerberin «Alte Post». Dass man sich ab solchen Geschichten freuen mag, hat man der erstmals verfassten Vereinsgeschichte zu verdanken. Und das tat der Präsident gleich auf der Bühne bei den Autoren Arnold Kunz, «Pinggi» Renner, Elisabeth Kunz, Richi Krönert und Walter Söll. Den grossen Applaus hatte sich das Team verdient und dem leider abwesenden Walter Söll sei er hier nachgeliefert. Mit dem Dank an alle SVH-Mitglieder für deren Engagement und der Vorfreude auf die nächste SVH-Dekade beendete Gubler seine Festrede.
Nach dem anschliessenden Essen begeisterte der Oltner Slam-Poet Kilian Ziegler – für einmal nicht im «Battle» mit anderen Slam-Poeten, sondern gegen den Lärm des niederprasselnden Regens ankämpfend – in zwei Auftritten mit knackigen Scherzen und Wortspielereien. Auch Zauberer Herbie legte nochmals nach, und so klang der offizielle Jubiläumsabend erst spät, aber bei bester Stimmung aus.
Grossaufmarsch am Sonntag
Am dritten und letzten Tag des Martin Cups kam das neue Konzept des jungen OKs voll zum Tragen – und es hielt, was es versprochen hatte: Nicht nur auf den Spielfeldern herrschte bestens organisierter Hochbetrieb, sondern auch auf dem restlichen Festgelände. Insbesondere der neu gestaltete Festplatz entfaltete seine Wirkung: Da wurde bereits ab dem Etagèren-Frühstück – dem Vernehmen nach übrigens hervorragend – gefeiert, gespielt, gelacht und sogar vereinzelt getanzt, wie es zu einem solchen Fest gehört. So, mit diesem Konzept, hat der Martin Cup das Zeug, sich wieder zu einem richtigen Dorffest auf dem Hönggerberg zu mausern. Und das hat er nicht bloss dem sprichwörtlichen Sonntagswetter dieses Tages zu verdanken, sondern dem neuen, jungen und engagierten OK, das mutig und mit dem Segen des SVH-Vorstandes diesen Weg eingeschlagen hat.
Noch bevor kurz vor 17 Uhr die Siegermannschaften (siehe Infobox) die Pokale entgegennehmen durften, wurde das OK und mit ihm Platzwart Patrick Bryner und dessen Frau Josephine, die beide an diesem Wochenende wie immer auch alles gegeben hatten, auf die Bühne gerufen und mit grossem, verdientem Applaus bedacht. Selten waren in den letzten Jahren um diese Zeit, ganz am Ende des Martin Cups, noch so viele Besucher auf dem Hönggerberg geblieben – auch das spricht für sich. Kurz gesagt, nach einem langen Wochenende voller grossem und kleinem Fussball: So muss es sein – und gerne wieder nächstes Jahr.
Kritik?
«Kritik?», pflegt Gastrokritiker «Höwi» an dieser Stelle jeweils zu fragen, und er sei hiermit zitiert. Kritik, ja: Warum findet der Martin Cup eigentlich am gleichen Wochenende statt wie das «Grümpi» des FC Zürich-Affoltern gleich auf der anderen Seite des Waldes? Weil ein Wochenende früher noch der Spielbetrieb läuft, eines später das Züri- oder sonst ein Grossfest stattfindet? Und danach, ja, danach ist Schulferienstart. Diese Terminkollision ist für beide organisierenden Vereine kaum zu lösen, und so werden sie sich wohl leider auch künftig Mannschaften und Publikum streitig machen.
Das Turnier gewonnen haben:
Kategorie A, Firmen, Restaurants und Vereine
1. Lifegate 2
2. Hairstyle Sette
3. Volley Höngg
4. Lifegate 1
Kategorie C, Verkleidungsturnier
1. Wimbledon 1964
2. Super cheese
3. Drunken circus
4. Pantomime
Beste Verkleidung: Drunken circus
Zunftturnier
1. Constaffel
2. Saffran
3. Stadtzunft
4. Witikon
Kategorie B, Fussballer
1. Däniel I h8 u
2. Jungs vom 10ni
3. A-Jungs 2
4. A-Jungs 1
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