Frühstück im Museum

Immer am Abstimmungssonntag findet im Ortsmuseum der «Höngger Zmorge» statt. Bei feinem Zopf, Kaffee und Aufschnitt trifft man sich und spricht über Gott und die Welt – aber nicht zwingend über Politik.

Am «Höngger Zmorge» lassen sich auch gut neue Kontakte knüpfen.

Der Duft von Schnee liegt an diesem Sonntagmorgen in der Luft. Die briefliche Stimmbeteiligung lag gemäss Zeitungsberichten bei 23 Prozent und es sieht auch auf den Strassen von Höngg nicht so aus, als würden die Massen zu den Stimmlokalen strömen. Ausser dem Gegenvorschlag zur Ernährungsinitiative waren die Vorlagen ja nicht allzu kontrovers. Die niedrige Holztür des Ortsmuseums lässt sich mit leisem Knarren öffnen, dahinter wartet Alexander Jäger, auch bekannt als QV-Präsident, mit seinem Markenzeichen, dem Bayern-München-Schal, der bei genauerem Hinsehen mit seinem leichten Glitter sogar Adventsstimmung verbreitet. Wer hätte gedacht, dass der junge FDP-Politiker auf ein bisschen Bling steht. Nicht unsympathisch. Er knipst auf den Zähler, sechs Gäste sind es nun. Leider werde die Treppe zur Grossmannstube für ältere Besucher immer schwieriger zu überwinden, weshalb einige Stammgäste nicht mehr kommen könnten, bedauert Jäger. Oben empfängt warmes Licht und ein herzliches «Willkommen» den unangemeldeten Gast. Sabine Anderegg und Iris, die heute zum ersten Mal mithilft, haben die Stube schön zurechtgemacht. Die Tische sind gedeckt, der Aufschnitt liegt ansehnlich drapiert auf grossen Tellern, am Buffet kann man sich mit Orangensaft, Tee und Kaffee bedienen, oder, normalerweise machen das die beiden Damen: «aber heute sind scheinbar alle selbstständig und holen sich sogar selber den Kaffee», schmunzelt Sabine. Der erste Gast, ein Vertreter des Natur- und Vogelschutzvereins, macht sich bereits wieder auf den Weg in die Kälte «nimm noch etwas mit auf den Spaziergang», rufen die beiden Frauen ihm nach «es hat noch reichlich». An einem Tisch sitzt ein Ehepaar und streicht genüsslich Brot und Zopf. «Bei schönem Wetter kommen meist weniger Leute, aber es war auch schon bis auf den letzten Platz besetzt», erzählt der Herr, der in Höngg aufgewachsen ist. Üblicherweise stimmen sie brieflich ab, aber ab und zu geht es halt vergessen, dann spazieren sie am Sonntagmorgen an die Urne «und wenn wir schon hier oben sind, kommen wir zum Ortsmuseum und frühstücken gemütlich».

Keine politische Veranstaltung

Für zwölf Franken à discrétion essen und trinken, da kann man nicht klagen. «Wir haben keine Küche, das heisst, es gibt bei uns kein Rührei oder ähnliches», erzählt Sabine, die das «Höngger Zmorge» seit einigen Jahren freiwillig ausrichtet, «das lassen die Feuerschutzbestimmungen hier nicht zu». Verhungern wird man deswegen noch lange nicht. Eine elegant gekleidete Dame unterhält sich am Tisch mit einem Herrn, der sich als Iris Ehegatte entpuppt. Das Thema: Reisen. Die ehemalige Reiseleiterin ist in der Welt herumgekommen und erinnert sich an Zeiten ohne Internet und Hotelbewertungsplattformen. Als die Lofoten erwähnt werden, klinkt sich auch das Ehepaar in das Gespräch ein, gegenseitig erzählt man sich von den schönsten Abenteuern, die man erlebt hat. Wie es mit guten Gesprächspartnern so ist, fliesst die Unterhaltung von einem Thema nahtlos ins andere. So reist man heute mit dem Flugzeug, da ist der Fluglärm nicht weit «aber auch nicht so schlimm, geh’ mal nach Schwamendingen», sagt jemand. Später erfährt man, dass Pfefferminzöl gut gegen Mäuse wirkt, die diesen Geruch nicht mögen. Auch die Diskussion um die geplanten Türme beim Hardturmstadion wird kurz angeschnitten, «aber von dort, wo wir wohnen, sehen wir die eh nicht», meint Iris mit einem Achselzucken. Und Politik? So ein Zmorge am Abstimmungssonntag, da erwartet man doch lautstarke politische Auseinandersetzungen? «Daran habe ich noch gar nie gedacht», gesteht die adrette Dame, «ich komme hierher, um Leute zu treffen, ein gutes Gespräch zu führen, einen gemütlichen Morgen zu haben». Auch die anderen schütteln den Kopf, nein, um Politik gehe es hier eigentlich nie. «Das war vielleicht früher noch eher so», vermutet Jäger, dessen Schicht mittlerweile geendet hat, «als noch mehr Leute persönlich zur Urne gingen und sich danach hier trafen». «Aber eigentlich ist es nach den Abstimmungen ja bereits gelaufen, was soll man da noch diskutieren», meint Iris Ehemann. Bereits schlägt die Turmuhr zwölf Mal, draussen hat es begonnen, leise zu schneien, innen ist es immer noch warm und heimelig. Es wäre schön, wenn mehr Leute von diesem Ort wüssten, den man übrigens auch für private Anlässe mieten kann. Er ist so ganz anders als die hippen Brunch-Lokale der Stadt, dafür persönlich und stressbefreit.

Gluschtig worde? Der erste Online-Kommentar auf hoengger.ch zu diesem Text erhält zwei Gutscheine für einen «Höngger-Zmorge», offeriert vom Ortsmuseum. Der nächste Zmorge findet am 4. März 2018 statt. www.ortsmuseum.ch.

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