Felix von Muralt gewinnt Schweizer Filmpreis

Felix von Muralt, bekannter Schweizer Chefkameramann, etwa von Filmen wie «Schellen-Ursli» oder «Die schwarzen Brüder», hat Wurzeln in Höngg. Am 18. März gewann er den Schweizer Filmpreis in der Kategorie «Beste Kamera 2016» für «Schellen-Ursli». Die Redaktorin des «Hönggers» traf ihn an der Limmat in Höngg, wo er aufgewachsen ist.

Der preisgekrönte Chefkameramann Felix von Muralt, direkt vom Flughafen nach Höngg gekommen.

Die Schweizer Filmschaffenden und diverse Grössen aus Wirtschaft, Kultur und Politik, so auch Bundesrat Alain Berset, waren am letzten Freitag im Zürcher Schiffbau vertreten: Dort wurde in feierlichem Rahmen der Schweizer Filmpreis 2016 in elf Kategorien vergeben.
Eine davon war «Beste Kamera 2016». Drei Chefkameramänner, darunter Felix von Muralt, waren nominiert – und es gewann: Felix von Muralt, der in Höngg aufgewachsen ist! Er zeigte sich nach der Preisverleihung erfreut, war er doch bereits zum dritten Mal nominiert worden: «Fast ein bisschen wie Leonardo di Caprio, der sieben Mal für einen Oscar nominiert war, bis er einen erhielt», so der humorvolle Chefkameramann mit einem Lachen.

«Suechsch Fründe oder was?!»

Wie war der Schellen-Ursli-Filmdreh? «Ich habe bereits bei den letzten fünf Filmen von Xavier Koller mitgearbeitet, und es ist jedes Mal eine gemeinsame, inspirative Entdeckungsreise. Wir verstehen uns sehr gut, und wenn es Probleme gibt, suchen wir gemeinsam Lösungen. Zwischen uns fliesst eine wunderbare Energie und Neugier – so macht das Filmen grossen Spass. Der Schauspieler des Schellen-Ursli, Jonas Hartmann, damals zwölfjährig, machte seine Sache super, besser als mancher Schauspieler, der schon viele Jahre dabei ist. Auch seine flapsige Art gefiel mir. Ich sagte ihm am zweiten Drehtag, dass er seine Sache super mache. Er verschränkte nur die Arme, schaute mich von unten her an und sagte: ‹Suechsch Fründe oder was?!›. Ich musste lachen und sagte: ‹Klar, jeder sucht Freunde!›» Auch die Arbeit mit dem zahmen Wolf namens Lupin sei spannend gewesen: «Er war draussen an einer langen Schleppleine, die man danach aus den Aufnahmen wegretuschieren musste. Wölfe sind sehr scheue, vorsichtige Tiere, wir nahmen immer grosse Rücksicht auf ihn und seinen Kollegen, der zu seiner Unterstützung da war.»

Vögel gezählt und in Altpapierstapeln gekramt

«Ich zog mit meinen Eltern und meinen beiden Geschwistern nach Höngg, als ich zwölfjährig war. Wir wohnten direkt an der Limmat, an der Strasse Am Wasser, was mir gefiel – ich hielt mich sehr häufig am Fluss auf.» Felix von Muralt machte etwas, was Jugendliche in seinem Alter selten taten: Er zählte die Wasservögel. «Ich führte sogar Statistiken, von welchen Arten es wie viele hat – und ich stelle fest, dass es heute viel weniger sind. Das ist schade, und man fragt sich: ‹Wo sind all die Zugvögel hin?›»
Etwas von einem Zugvogel hat auch Felix von Muralt. Wenn er nicht mit Freunden auf dem Velo «umestriehlte» und in Altstetten auf einer Papiersammelstelle die Altpapierberge nach Heftchen durchsuchte – «Die waren vom Regen jeweils so durchnässt, dass die Seiten zusammenklebten» –, dann war er unterwegs. «In der Pfadi war ich genau vier Tage, dann hatte ich es gesehen. Grosse Adoleszenz-Verbrechen gibt es nicht zu berichten», so der ehemalige Höngger mit einem Lachen.

Mit 19 Jahren nach New York gezogen

So erstaunt es nicht, dass er bald ins Ausland «flog». Höngg sei damals, heute ist er 52, noch «No-Mans-Land» gewesen, es sei nicht viel gelaufen hier. Nach der Schule – er besuchte die Oberstufe im Schulhaus Lachenzelg – und der Matur flog er 1982 19-jährig für zwei Jahre nach New York. Dort nahm er Unterricht im International Center of Photography und lernte zu fotografieren: «Schon in der Gymnasiumszeit fotografierte ich für das Magazin des Tages-Anzeigers. Meine Eltern haben mich meinen Weg gehen lassen und mir Eigenverantwortung zugetraut – dafür bin ich ihnen noch heute dankbar.»
Mit Freunden gründete er 1992 in Zürich die Fotoagentur «Lookat». 14 Jahre bestand die Agentur. Felix von Muralt fotografierte für Magazine und Presse, jedoch keine News-Fotografie, sondern Portrait und Dokumentarphotographie. Für die Kulturstiftung Pro Helvetia fotografierte er während dreizehn Jahren in unregelmässigen Abständen Schriftstellerportraits. «Fotografie ist aber etwas verdammt Einsames: Du stehst hinter der Kamera, der andere davor und nur im besten Falle bereichert man sich gegenseitig. Ich wollte zur Filmkamera, da ist der Austausch grösser. Ich absolvierte 1984 in der Schweiz ein Praktikumsjahr als Kameraassistent und arbeitete mich hoch – seit 1993 bin ich Chefkameramann, auf Englisch Director of Photography.»
22 Jahre lebte Felix von Muralt mehrheitlich in Paris, wo sein Basislager, wie er es nennt, war. Erst letztes Jahr ist er mit seiner Familie zurück nach Zürich gezogen. «Zürich ist kinderfreundlicher als Paris: In der Metro gibt es keine Lifte, mit dem Kinderwagen kommt man nicht in den Bus – es gibt unterhaltsamere Arten, sich zu ärgern, als mit Kindern in Paris unterwegs zu sein.»

Grosse Veränderungen in der Filmbranche

Was hat sich in den letzten Jahren in der Filmbranche verändert? «Es gibt eine viel grössere Menge an Filmen, es ist auch mehr Geld dafür da als früher. Die Mittel wurden demokratisiert – ich finde, das entwertet die Arbeit etwas. Es gibt ein Überangebot an Kameraleuten. Manche der Newcomer denken, nach drei Filmen als Assistent seien sie Chefkameramann. Ich denke, es braucht einfach seine Zeit, bis man die Feinheiten des Metiers überhaupt erst wahrnimmt. Das heisst auch, dass die Gagen entsprechend unter Druck stehen. Vom Technischen her gesehen sind die Kameras viel lichtempfindlicher geworden – das macht Nachtaufnahmen sehr viel weniger schwerfällig.»
Und wie sieht Felix von Muralt, Vater von bald zwei Kindern, seine Zukunft? «Ich möchte gerne noch eine Menge gute Filme drehen, vielleicht auch mal einen Grossstadt-Film mit viel Neonbeleuchtung, mit interessanten und interessierten Menschen arbeiten dürfen und den schönen Umgang haben, den ich bisher hatte. Und ich möchte mein Leben und meine Familie geniessen – schliesslich ist es sehr viel Lebenszeit, die man mit Film-Arbeiten ‹verbrätelt›.»

Filme mit Felix von Muralt als Chefkameramann (Auszug)
Schellen-Ursli
Die schwarzen Brüder
Son of a fool
Eine wen iig – Dr Dällebach Kari
Usfahrt Oerlike
Un coin d’azur
Sommervögel
Der letzte Mentsch
Bonhomme de chemin
Champions
Sonjas Rückkehr
Das Fräuleinwunder
Bei drei Filmen war er zudem Regisseur: Pflatsch, Brandstifter und Visite Médicale

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