Quartierleben
Es lag ein kleiner Zauber über Höngg
Gross war die Vorfreude, mit der man dem zweiten Adventszauber entgegenfieberte. Letzten Donnerstag war es endlich soweit: Höngg eröffnete mit heimeligem Fest die Vorweihnachtszeit.
7. Dezember 2016 — Fredy Haffner
Pünktlich um fünf Uhr waren alle Essensstände aufgestellt und dekoriert, die Veranstalter bereit für den Ansturm. Im Haus Sonnegg war das erste Chasperlitheater bereits über die Bühne gegangen, Kiwanis erwartete die Besucher, die mit glücklichen Gesichtern aus dem Saal strömten, draussen mit feinem Raclette. Etwas Warmes im Bauch war durchaus zu empfehlen: Klirrend kalt war die Nacht, aber wenigstens blieb es im Gegensatz zum Vorjahr trocken. Kurz darauf begann der zweite Auftritt des gebürtigen Höngger Chasperli, und der Raum füllte sich wieder mit aufgeregten Kinderstimmen. Das volle Haus war den Organisatoren und Spielern zu gönnen. Leider wirkte es sich nicht so gut für die beiden Geschichtenerzählenden im LEKKA und beim «Höngger» aus, deren erste Veranstaltungen für 17.30 Uhr anberaumt waren: Ein Grossteil dergemütlichen Sitzkissen blieb leer. «Das hätte man besser absprechen können», meinte eine etwas enttäuschte Zuhörerin. Bei der zweiten Vorstellung um 18.30 waren es aber bereits mehr Gäste, die sowohl Christina Gnaegis frei erzählten, kleinen und feinen Geschichten lauschten als auch bei Fredy Haffner in der Höngger Redaktion eine Geschichte zu hören bekamen.
Entspannte Stimmung trotz Stromausfall
Gerade begannen sich die Strassen mit Flanierern zu füllen, als es plötzlich dunkel wurde in Höngg. Der Schreck eines jeden Veranstalters war eingetroffen: Ein Stromausfall hatte mit einem Schlag Weihnachtsbeleuchtungen, Fensterdekorationen, Kühlschränke und mobile Kochherde lahmgelegt. Ursache waren technische Probleme bei Standard-Umschaltungen im Unterwerk Hönggerberg, 12’000 Haushaltungen blieben ohne Licht. Könnte man beim ewz, das sich für die Panne entschuldigt, diese Finsternis bestellen, man müsste es für den Räbelichtliumzug in Erwägung ziehen. Doch war der Adventszauber nun vorbei, bevor er richtig begonnen hatte? Gäste und Veranstalter nahmen es entspannt: Mobile Telefone wurden gezückt, um die Würste auf dem Grill des Bergclub Hönggs zu beleuchten und vor dem Verbrennen zu bewahren, Taschenlampen leuchteten den Passanten den Weg, Öllampen dienten als Lichtquelle. Beim «Höngger» trug Fredy Haffner einen Kerzenhalter zu seinem Lehnsessel und war froh, dass die Zuhörerschaft aus nur wenigen Erwachsenen und seiner eigenen Tochter als Alibikind bestand: Erstere konnten gut auf die nun nicht mehr an die Wand projizierten Bilder verzichten und letztere kannte sie sowieso auswendig. Und kaum ein verpasstes Bild später gingen die Lichter wieder an und die Feierlichkeiten gingen in schönster Adventspracht weiter, als wäre nichts geschehen. Im Ortsmuseum schenkten Ruedi Zweifel vom Verschönerungsverein und seine Tochter Zora den Gästen Original Nürnberger Glühwein aus, die Räumlichkeiten des Rebbauernhaus «Zum Kranz» wirkten an diesem winterlichen Abend noch heimeliger als sonst. Im festlich dekorierten Garten des «Palatso» spielte der Örgelimann, während man im Laden bei einem Prosecco Weihnachtsgeschenke entdecken konnte. «Die Gulaschsuppe ist richtig lecker», lobten zwei Besucherinnen indes die im Sibesinn nebenan angebotene Mahlzeit. Auch die Zweifel Weinlaube konnte sich nicht beklagen: Der Risotto der Zürcher Freizeit-Bühne fand reissenden Absatz, die festlich geschmückten Holztische waren stets gut besetzt. Sie sollten, wie sich später zeigen sollte, die letzten Tische sein, die auch noch besetzt waren, als an allen anderen Orten bereits der ganze Adventszauber wieder verpackt und abtransportiert war – fast, als gäbe es unter dieser schönen Pergola jeden Abend Betrieb mit Stammgästen.
Begehrter Männerchor und eine Heilige
Wo klang es her, das mal leise, mal kräftig intonierte «Stille Nacht»? Ah, dort, oberhalb des Gemeinschaftszentrums im Zelt der Wogeno, dort sang der Männerchor. Doch nein! Bereits war der letzte Ton verhallt. Wenig später: Der Chor sang unter den Arkaden vor He-Optik. Und wieder: Kaum war man da, war der Zauber vorbei. Da half nur dranbleiben und mitlaufen wie ein Groupie. Und es wurde klar, wieso die Männer so begehrt sind: Christian Schmidt, der «alte Dirigent», wie er scherzhaft genannt wird, spornte die Sänger zu Höchstleistungen an. Wunderschön klangen die Stimmen in der Nacht. Auch die Frauen der FDP 10 kamen in den Genuss, die den ganzen Abend mit ihrem Leiterwagen unterwegs waren und «Chriesizweige» zum Andenken an die Heilige Barbara verteilten. Seit über 15 Jahren ist dies bei ihnen Brauch, gewöhnlich am 4. Dezember, dem Barbaratag, der heuer auf einen Sonntag fiel. Der Legende nach blühen die Kirschbaumzweige an Weihnachten, wenn man sie an der Wärme in Wasser einstellt. «Die Heilige Barbara ist nicht nur die Schutzpatronin der Mineure, sie steht auch sinnbildlich dafür, dass man für seine Überzeugungen einsteht», erklärte Lydia Doornbosch. «Gerade in der heutigen Zeit, wo in vielen Ländern die Meinungsfreiheit der Bevölkerung beschnitten wird, ist es umso wichtiger, daran zu erinnern».
Nach dem Adventszauber ist vor dem Adventszauber
Der zweite Adventszauber bescherte dem Höngger Zentrum einen heimeligen, sinnlichen Abend in entspannter Atmosphäre. Ob man sich zu einem Cocktail und einem spannenden Gespräch über Jugendarbeit in der Villa Lila traf oder mit dem Götti Waffeln des Canto Verde kredenzte, bei Gwunderfizz Cup-Cakes und Christbaumkugeln verzierte, bei der Raiffeisen Käseküchlein ass und am Wettbewerb mitmachte oder bei der UBS Maronis zugunsten der Theodora-Stiftung kaufte, das Ambiente stimmte. Nicht alles lief perfekt, aber vieles richtig gut. Und wie die Organisatorin Tiziana Werlen sagte: «Nach dem Adventszauber ist vor dem Adventszauber». Sie fügte aber an, dass um einen allfälligen dritten Adventszauber durchzuführen einiges geändert werden müsste. Nebst der Koordination der Geschichten wären wohl noch andere Chöre willkommen, um dem Männerchor etwas «Arbeit» abzunehmen. Auch zum Thema Wegbeschriftung müsse man sich Gedanken machen. Dieses Jahr wurden neu Windlichter aufgestellt – allerdings war die Idee so spontan aufgetaucht, dass es nicht reichte, genügend davon zu organisieren oder zu basteln. Aber nun ist ja wieder fast ein Jahr Zeit, um sich zu all dem Gedanken zu machen. Der Anlass jedenfalls hätte eine dritte Auflage verdient, ist er doch eine wohltuende kleine und gesellige Abwechslung zu all den Weihnachtsmärkten, die sich derzeit in der ganzen Stadt ausbreiten als gälte es, diese mit kitschiger Pseudo-Waldhüttenarchitektur bis zur Unpassierbarkeit zu verdichten.
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