Stadt
Erfolgsgeschichte Cargo-Tram
Seit zehn Jahren verkehrt das Cargo- Tram regelmässig in Zürich. Alleine an der Tramwendeschleife Wartau wurden letztes Jahr 33 Tonnen Sperrgut, Metall und Steingut gesammelt – angeliefert zu Fuss oder per Fahrrad.
14. Februar 2013 — Fredy Haffner
Schnee liegt an diesem Donnerstag, 7. Februar, und das Wetter ist durchzogen. Nicht die idealen Verhältnisse, um Sperrgut zu Fuss oder mit dem Fahrrad zu transportieren. Trotzdem wird das Cargo-Tram bereits erwartet, als es kurz vor 15 Uhr in die Wendeschleife bei der Wartau einfährt. Claudia Bühler, Wagenlenkerin der VBZ, hält die Komposition an und Marko Ivkic, Einsatzleiter von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ), sammelt mit Dimitrios Papadopoulos als Erstes ein, was manche bereits an Sperrgut vor Ankunft des Cargo-Trams bereitgestellt haben, während Thomas Iten von der Securitas die Zufahrt sperrt, denn Anlieferungen mit Motorfahrzeugen sind nicht erlaubt. «Die Kapazität des Cargo-Trams reicht einfach nicht für Grossanlieferungen und soll Leuten vorbehalten sein, die kein Auto besitzen. Zudem können die Mitarbeitenden so sicherstellen, dass die Dienstleistung auch wirklich der Bevölkerung aus dem Quartier zugute kommt», begründet Leta Filli, Sprecherin des ERZ. 2012 wurden an den elf Cargo- Tram-Haltestellen 298 Tonnen Sperrgut, 79 Tonnen Metall und 46 Tonnen Steingut gesammelt. Das entspricht rund 50 vollen ERZ-Abfallsammelfahrzeugen, wie Filli vorrechnet. Das sind zwar nur 3,2 Prozent des total 2012 gesammelten Sperrguts, doch 423 Tonnen sind – notabene zu Fuss oder mit dem Fahrrad angeliefert – eine ansehnliche Menge. «Rund 40 Prozent der Haushalte in der Stadt Zürich haben kein Auto. So sind das Cargo- und E-Tram zwar exotische, aber sehr geschätzte Dienstleistungen und werden rege genutzt », zeigt sich die ERZ-Sprecherin entsprechend zufrieden.
Angebot wird rege genutzt
Davon berichtet auch Marko Ivkic in einer kurzen Pause nach dem ersten Ansturm: «Nun ist es etwas ruhiger. Zwischen 17 und 19 Uhr zieht es dann wieder an.» Im geheizten Zugfahrzeug der Komposition, einem umgerüsteten Kurbeli-Tram, berichtet er dem «Höngger» von seinen Erfahrungen. Akkurat hat hier alles seinen Platz, auch die Werkbank, an der die ERZ-Leute, wenn sie dazu kommen, Angeliefertes bereits weiter nach Materialien zerlegen, um es optimal in den Recycling-Kreislauf zurückzuführen. Auch draussen findet Beratung in korrektem Recycling statt. Dort schraubt Dimitrios Papadopulos gerade eine Sparleuchte aus einer alten Ständerlampe aus und gibt sie dem Besitzer der Lampe wieder zurück zur fachgerechten Entsorgung im Geschäft.
Recyclist oder Recyclistin lautet die Berufsbezeichnung der dreijährigen Ausbildung, in der alles rund um das zukunftsträchtige Thema Rohstoffe und Recycling gelernt wird und für die ERZ auch Lehrbetrieb ist. Ivkic selbst kommt jedoch aus der Gastronomie und gelangte über Umwege zu seiner heutigen Arbeit, die er sehr schätzt. Meistens arbeitet er mit denselben ERZ-Mitarbeitenden zusammen. Nur die Wagenlenkerinnen und -lenker der VBZ wechseln, doch alle helfen sie jeweils fleissig mit. Claudia Bühler, die diesmal bei der Wartau dabei ist, macht da keine Ausnahme. Auch sie packt mit an, wirft Sperrgut in die grosse Presse und schätzt die Abwechslung zum normalen Fahrdienst, wie sie erzählt.
«Manchmal bricht es einem das Herz, was alles weggeworfen wird», sinniert Ivkic auf die entsprechende Frage hin. 70 Prozent des Sammelguts, so seine subjektive Einschätzung, wäre noch gebrauchstauglich. Wie die Fahrräder, denen nur die Luft fehlt, jener neue Kinderwagen, der farblich nicht zum neugeborenen Kind passte oder, für ihn das unverständlichste Beispiel, ein brandneuer Laptop: am Morgen gekauft, wurde er am Abend im Elektro-Tram entsorgt. Die Farbe, so habe der Besitzer erzählt, habe seiner Ehefrau nicht gefallen und er schämte sich, das Gerät im Laden umzutauschen. Doch an solche Erlebnisse gewöhne man sich mit der Zeit und zu moralisieren liegt dem ERZ-Mann fern. Kommt man da nicht in Versuchung, manchmal etwas für sich mit nach Hause zu nehmen? Ivkic lacht: «Nein, dann wäre unsere Wohnung längst zugestellt – und überdies gilt strikt, dass alles was angeliefert wird, zur Entsorgung bestimmt ist.»
Unterschiede an Sammelgut zwischen den verschiedenen Sammelorten stellt Ivkic keine fest. Höchstens bei der Menge. Rund sechs Tonnen fasst ein Cargo-Tram. Bei Haltestellen, an denen erfahrungsgemäss mehr angeliefert wird, kommt deshalb auch ein zusätzlicher ERZ- Lastwagen zum Einsatz.
Draussen hat unterdessen der Schneefall vorübergehend wieder eingesetzt. Marko Ivkic zieht es wieder raus zur Arbeit. Weitere Hönggerinnen und Höngger schleppen Sperrgut an. Von Hand, in Koffern, Einkaufswagen oder auf Fahrradanhängern. Handkarren werden vor Ort gegen Ausweisabgabe gratis ausgeliehen. Der Umgang mit den «Kunden» ist rundum vorbildlich, selbstverständlich hilft das Team bis 19 Uhr auch aufmerksam beim Entladen der Transportmittel. Danach ist Feierabend. Das Cargo-Tram fährt seine Ladung zum Depot Werdhölzli, von wo aus das Sammelgut später – mangels Schienen – per Grossraum-Lastwagen ins Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz transportiert wird.
0 Kommentare