Stadt
Ein Waldlabor für 100 Jahre
Der Wald auf dem Hönggerberg ist nicht nur ein beliebtes Naherholungsgebiet, sondern seit September auch ein Ort der Forschung und des Entdeckens.
21. September 2020 — Daniel Diriwächter
Wald ist nicht gleich Wald, denn würde die Pflege des Menschen fehlen, müsste man von reinen Urwäldern sprechen, von denen es in der Schweiz tatsächlich noch welche gibt. Überall sonst spricht man meistens vom sogenannten Kulturwald. Das ist auch auf dem Hönggerberg der Fall. Das beliebte Naherholungsgebiet darf sich neu auch als Waldlabor Zürich bezeichnen – für ein ganzes Jahrhundert lang: Anfang September ging der neue Ort der Forschung und des Entdeckens in Betrieb.
Für die Umsetzung ist der Verein Waldlabor Zürich verantwortlich, der im Februar 2019 gegründet wurde. «Die Geschichte des Kulturwaldes begann mit dem Fällen des ersten Baumes», schreibt der Verein auf seiner Website. Er will zeigen, wie der Mensch in den Wald eingreift und wie er ihn nutzt. Der Wald auf dem Hönggerberg bietet dafür viel Platz: Auf einer Fläche von 300 Fussballfeldern zeigt das Labor historische, aktuelle und zukünftige Formen der Bewirtschaftung. «Auf dieser Basis kann ein besseres Verständnis für die Waldleistungen und die Waldwirtschaft heranwachsen», sagt der Geschäftsführer des Vereins, Martin Brüllhardt, der seit Anfang September sein Amt bekleidet. «Das Waldlabor ist ein Lern-, Erlebnis- und Forschungsort», so Brüllhardt weiter. Für Studierende könne es ein grünes Klassenzimmer im Freien sein, für Waldbesuchende und Familien ein Erlebnisort und für Forschende ein offener Raum für Experimente.
Eine App führt durch den Wald
Wer sich konkret auf die Spuren des Labors begeben will, der kann dies mit einem Smartphone tun. Der Verein hat auch eine App lanciert, die als Guide durch den Wald führt und dabei erläutert, an welcher Stelle man sich befindet und was man dort ersehen kann. Die App informiert weiter zu aktuellen Themen wie Klimawandel, Gesellschaft und Wald oder Biodiversität. Das ist clever, denn dank der App konnte man auf eine Beschilderung verzichten, die die verschiedenen Waldbilder verändert hätte.
Zu entdecken gibt es einiges: Bereits heute sind im Arboretum, einer Lebend-Sammlung der hiesigen Gehölzarten, 150 mitteleuropäische Baum- und Straucharten zu sehen. Und auf dem Rundgang wird auch erklärt, warum das Labor auf 100 Jahre angelegt ist: Das ist demnach ein ideales Zeitfenster, um das langfristige Ökosystem eines Waldes zu erforschen. Besuchenden soll es in Zukunft möglich sein, auf diese Art und Weise eine Zeitreise vorzunehmen.
Mutig und visionär
Das Jahrhundertprojekt galt es, an Ort und Stelle zu eröffnen: Kaspar Reutimann, Präsident vom Verband WaldZürich, begrüsste rund 80 Personen bei der Holderbachhütte. «Dieses Labor ist einzigartig, und wir wollen damit zeigen, wie man den Wald bewirtschaftet», sagte er in seiner Ansprache. Das nicht ohne Stolz: Seine Vereinigung gab den Impuls zum Waldlabor, das auch als Geschenk zum 100-Jahr-Jubiläum des Verbands an die Bevölkerung und die Fachwelt gedacht ist. «Das Projekt ist mutig und visionär zugleich», so Reutimann.
Lobende Grussworte hielten unter anderem auch Erica Zimmermann, Regionalverantwortliche Wald beim Bundesamt für Umwelt, sowie Christine Bräm, Direktorin Grün Stadt Zürich. Diese kam nicht umhin, die 100 Jahre anzusprechen: «Mit einem solchen Zeithorizont wurden wir noch nie konfrontiert», stellte sie amüsiert fest. Zu guter Letzt konnten die Gäste der Pflanzung von sechs Eichen beiwohnen. Das war der Startschuss für das Projekt, dessen Aufbau laut dem Verein noch rund fünf Jahre dauern wird.
Breit abgestützte Trägerschaft
Initiiert vom Verband der Zürcher Waldeigentümer (WaldZürich), trägt der Verein Waldlabor Zürich das Projekt. Mitglieder sind neben den Initianten die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Grün Stadt Zürich, das Amt für Landschaft und Natur des Kantons Zürich und der Verband Zürcher Forstpersonal.
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