Ein Hoch auf den Winterschlaf

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute darüber, wie spiessig man im Alter wird.

Dagmar Schräder bringt ihre Gedanken aufs Papier. (Foto: dad)

Es ist doch lustig, wie sich die Wahrnehmung und die Bedürfnisse im Laufe der Zeit verändern. Was für mich früher ein absolutes No-Go war, ist heute völlig normal. Dabei spreche ich nicht von Weltanschauungen und Idealen – denen bin ich im Laufe meines Lebens treu geblieben, nein, ich meine so etwas Banales wie das Schlafen. Grosses Thema, ich hatte es schon erwähnt.

Ich weiss noch, wie das früher war – in meiner Jugend. Da war Schlafen für mich das Langweiligste auf der Welt. Die einzige Zeit, zu der es richtig gemütlich war, war morgens – genau dann, wenn ich aufstehen musste. Aber zu allen anderen Tages- und Nachtzeiten hatte ich damit nix am Hut. Schrecklich spiessig fand ich all die Erwachsenen, die sich nach dem Mittagsmahl ein Stündchen aufs Ohr legten.

Schlimm war auch, als ich einst mit einer Cousine auf Reisen war und sowohl sie als auch unsere Gastgeber*innen jeweils ein Nickerchen machten. Ich sass dann stets mutterseelenallein im Wohnzimmer irgendeiner Familie und wartete, bis die Pause vorüber war. Endlos lange Stunden waren das, in denen ich mich zuweilen richtig verloren fühlte.

Abends früh ins Bett gehen war ebenso ein Ding der Unmöglichkeit. So was Uncooles, pfui Teufel! Einmal schlief eine Freundin von mir in der Spätvorstellung im Kino ein – was hab ich sie dafür ausgelacht. In meinem Freundeskreis war ich für mein geringes Schlafbedürfnis bekannt und stolz darauf.

Und heute? Könnte ich immer und überall schlafen. Meine Kinder nerven sich, weil ich bei jedem Filmabend innerhalb von zehn Minuten wegdöse. Und manchmal sogar ein wenig schnarche. Sie wecken mich dann auf und ich tue so, als hätte ich alles mitgekriegt – muss aber die Handlung des Films heimlich googeln, weil ich so viel verpasst habe.

Mittlerweile gehe ich auch freiwillig und gerne früh ins Bett. Vor allem im Winter, wenn es ohnehin immer dunkel ist. Wie schön ist es, nichts mehr tun zu müssen oder einfach zu ignorieren, was eigentlich noch zu tun wäre und ins Reich der Träume abzutauchen. Früher hatte ich Angst, etwas Wichtiges zu verpassen.

Heute hoffe ich, schlafend dem Alltag zu entkommen. Denn im Traum kann man sich die Welt zumindest unbewusst so basteln, wie man sie gerne hätte. Nur das Aufwachen ist manchmal bitter.  

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