Ein bewegtes Familienleben

Die Familie Duhem Schneider hat schon so einiges gemeinsam durchgemacht – nicht nur häufige Wohnortwechsel, sondern auch eine Diagnose, die ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat.

Bild aus dem privaten Fotoalbum: Die Familie Duhem Schneider weiss die glücklichen Momente zu schätzen. (Foto: zvg)

Mein Name ist Valentine und ich wohne seit acht Jahren mit meiner Familie in Höngg, die letzten zwei davon im Rütihof. Davor haben wir einige Jahre in England gelebt, wo auch unser erster Sohn geboren ist. Mein Mann Aurel ist Professor für Astrophysik an der Uni Zürich und sein Beruf bringt es mit sich, dass wir öfter mal den Wohnort wechseln müssen. Die Forschungsstellen sind oft zeitlich begrenzt, sodass er jeweils nach einigen Jahren einen Ruf an eine andere Uni erhält. Doch jetzt hoffen wir, noch eine Weile hier in Zürich bleiben zu können.
Kennengelernt haben wir uns während unseres Studiums in Fribourg. Beide haben wir dort Geographie studiert. Nach dem Studium war ich zunächst einige Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und habe dann im Jahr 2012 eine berufliche Pause eingelegt, um mich den Kindern widmen zu können. Nach diesem Unterbruch habe ich 2017 eine Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule als Lehrerin für Französisch und Geographie begonnen. Mittlerweile habe ich auch dieses Zweitstudium abgeschlossen, es fehlt mir nur noch die Masterarbeit, an der ich momentan gerade arbeite. Gleichzeitig unterrichte ich in einem kleinen Pensum an einer Sekundarschule in Otelfingen.

Nichts ist mehr wie zuvor

Wir haben drei Kinder, Gustave ist zehn, Eleanor sieben und Timon zweieinhalb Jahre alt. Bei unserem Ältesten, Gustave, wurde im Alter von zwei Jahren festgestellt, dass er unter Muskeldystrophie leidet. Damals wohnten wir noch in England und weil wir gemerkt haben, dass er mit fast zwei Jahren immer noch keine Anstalten machte zu laufen, haben wir den Kinderarzt konsultiert. Dort wurden wir zunächst vertröstet, haben aber auf eigene Faust zu recherchieren begonnen, weil uns das Ganze komisch vorkam. Ausserdem wusste ich von mir, dass mit meinem Proteinhaushalt nicht ganz alles in Ordnung ist, was mich zusätzlich beunruhigte.
Nach einem Bluttest hatten wir dann Gewissheit: Gustave leidet an der Duchenne Muskeldystrophie. Das ist eine Erbkrankheit, die mütterlicherseits übertragen wird und nur bei Söhnen zum Ausbruch kommt. Bei Duchenne wird das Protein, welches für die Muskelstabilität zuständig ist, aufgrund einer genetischen Mutation nicht produziert. Das führt dazu, dass nach und nach immer mehr Muskelsubstanz verloren geht. Es beginnt an den Extremitäten, zunächst den Beinen, dann den Armen, später sind aber auch die Atmungsmuskulatur und der Herzmuskel betroffen. Selbst das Gehirn kann von der Krankheit betroffen sein.
Die Diagnose war für uns ein absoluter Schock. Es war sehr schwierig, so weit weg von Familie und Freunden zu leben und all diese angsteinflössenden Informationen zu erhalten. Uns wurde gesagt, unser Sohn könne bald nicht mehr laufen, brauche später Beatmung und die Lebenserwartung liege bei ungefähr 20 Jahren. Die darauffolgenden Jahre habe ich wie in Trance verbracht, ständig in Sorge darum, wie es mit Gustave und uns weitergeht und wie wir alle die Herausforderungen, die die Krankheit mit sich bringt und bringen wird, werden bewältigen können. Rückblickend habe ich vieles verpasst, konnte überhaupt nicht im Moment leben, weil ich mir so Gedanken über die Zukunft gemacht habe.

Zurück in die Schweiz

Nach und wegen dieser Diagnose haben wir uns entschieden, England den Rücken zu kehren und in die Schweiz zurückzukehren. Hier ist die gesundheitliche Versorgung durch die Krankenkassen einfach besser. Gustave muss sehr teure Medikamente nehmen, welche pro Jahr rund 300 000 Franken kosten. Mit dem englischen Gesundheitssystem hätten wir uns das nie leisten können.
Im Moment geht es Gustave ziemlich gut. Ob es die Medikamente sind, die so gut nützen oder ob es der persönliche Verlauf ist, kann man nicht genau sagen. Entgegen den Prognosen kann er noch selbst laufen, wir merken aber, dass es für ihn immer anstrengender wird. Auch das Treppensteigen fällt ihm zunehmend schwer. In der Schule hat er einen Rollstuhl, wenn die Klasse weitere Strecke zurücklegen muss oder auf Ausflüge geht. Für längere Wege haben wir ihm ein Kinder-Elektrobike gekauft, mit dem ist er sehr gerne unterwegs.

Den Moment leben

Ich bin sehr froh, dass wir uns für weitere Kinder entschieden haben – trotz des Risikos, dass diese vielleicht auch die Krankheit in sich tragen. Die Schwangerschaften waren anfangs ziemlich hart, weil ich ja nicht wusste, ob auch diese Kinder die Krankheit vererbt bekommen haben. Ein zweites Kind mit Muskeldystrophie, das hätten wir nicht bewältigen können. Glücklicherweise sind die beiden jedoch gesund, wobei bei meiner siebenjährigen Tochter erst ein Bluttest Aufschluss darüber bringen wird, ob sie Trägerin der Krankheit ist. Den darf sie aus rechtlichen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt machen.
Dank Eleanor und Timon ist wieder ein wenig Normalität in unser Familienleben zurückgekehrt. Die beiden haben uns sehr geholfen, wieder mehr im Hier und Jetzt zu leben und nicht immer nur auf die nächsten schlimmen Ereignisse zu warten. Wir können jetzt wieder viel besser die schönen Momente geniessen, die wir als Familie haben. 

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