Egomonsterkids

Ich mag Kinder. Solange sie ins Handschuhfach meines SUV passen. Oder auf den Rücksitz meines Stadtautos, einem Smart. Kleiner Scherz. Doch nun im Ernst: Ich mag Kinder wirklich. Ausser jene, welche zur Schande ihrer Eltern die elementarsten Dinge in Sachen Erziehung nie gelernt haben. Neulich kam mir ein ganzes Rudel dieser Sorte entgegen. Aufgefädelt wie Fleischklopse auf einem Grillstab kamen sie einen dieser engen Steilwege dieses Quartiers hinuntergerollt und füllten seine Breite restlos aus. Ihr Problem: Ich war auf dem Weg nach oben. Wobei sich das dann natürlich als mein Problem herausstellte, denn niemand – auch die beiden Mütter und der Alibi-Hausmann, die einige Meter hinter ihrer Brut gingen – hatte den Bälgern je gesagt, dass sie sich wie jeder anständige Verkehrsteilnehmer den Situationen anzupassen und Rücksicht zu nehmen hätten, speziell gegenüber dem aufwärtskommenden Gegenverkehr. In diesem Falle also gegenüber mir. Ich hatte die dreifache Wahl: Mich an den rostigen Gartenzaun verdrücken, wie ein Fels in der Brandung stehen bleiben (Augen zu und durch) oder im Stechschritt mein Territorium markieren und die Bande umrennen. Überrumpelt und im wahren Leben tendenziell mit wenig Zivilcourage ausgestattet wie ich bin, wählte ich den Gartenzaun. «Es» schrammte knapp an mir vorbei wie die Zombies in «World War Z» von Marc Forster die Wände hoch, während ich mich bemühte, die nachfolgenden Elterntiere abstrafend anzuschauen. Was mir gelang, jedoch keinerlei Beachtung fand. Verflucht, hätte ich doch bloss den Stechschritt gewählt! Dann wäre ich zwar garantiert von dem sechsbeinigen Elternmonster verbal abgestraft worden, weil ihre Klopse nun den Weg hinuntergepurzelt wären, doch ich hätte ihnen wenigstens die Meinung blasen können. Und zwar diese da: «Was meint ihr eigentlich, zu was für egomanischen kleinen und später grossen Monstern ihr eure Kinder erzieht? Schimpft mich von mir aus bünzlig, doch genau so, ohne jeden Grundbegriff von Anstand und mit ausgefahrenen Ellenbögen werden sich eure Kinder durch den Rest des Lebens und die Gesellschaft bewegen. Sie werden dabei sicher einiges erreichen, doch noch viel mehr zerstören und, Verzeihung, aber sie werden einfach nur Arschlöcher sein».
Ja, das hätte ich ihnen gesagt – wahrscheinlich röchelnd im Würgegriff des doch überraschend kampferprobten Alibi-Hausmannes, der mich von zwei keifenden Müttern und einem Rudel heulender Egomonstern begleitet zum nächsten Polizeiposten geschleppt hätte.
Aber so ist eben meine Wahrnehmung gewisser «Erziehungs»-Tendenzen, und die liesse sich noch auf einige andere solche Erlebnisse übertragen. Erst jetzt, beim Verfassen dieser Zeilen, kommt mir die einzig wirklich adäquate Reaktion auf dieses Erlebnis am Berg in den Sinn. Eine überdies herrlich paradoxe: Ich hätte mich «Nein-so-kommt-mir hier-keiner-durch»-schreiend quer auf den Weg legen sollen und dann, wenn die Kinder verdutzt stehengeblieben wären, ja dann wären sie bestimmt empfänglich gewesen für die Grundzüge einer der elementarsten Verhaltensregeln. Vergessen hätten sie diese danach garantiert nie mehr, weil ihre schnusigen kleinen Hirne sie zeitlebens mit dem schreienden Wesen jenes Sommertages auf jenem engen steilen Quartierweg verknüpft hätten.

Es grüsst aus dem SUV
Frank Frei

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