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Editorial
Expats geniessen in der Schweiz nicht gerade den besten Ruf, sie seien schlecht integriert und schickten ihre Kinder in Privatschulen, heisst es jeweils. Auf der Suche nach der «Parallelgesellschaft» hatte der «Höngger» eine alte Erkenntnis: Es gibt ihn nicht, «den» Expat.
28. Februar 2018 — Patricia Senn
Gut, vielleicht lehnt man sich mit dieser Aussage etwas aus dem Fenster, immerhin basiert sie nicht auf einer quantitativen Studie oder sonstigen Statistiken. Ausserdem ist Höngg nicht repräsentativ für jedes Quartier der Stadt. Aber ist es letztendlich nicht so, dass hinter Kategorien, die Gruppen beschreiben sollen, Menschen stehen, Individuen mit unterschiedliche Geschichten, Motivationen und Zielen? Die Personen, die sich für ein Gespräch angeboten haben, meinten selber, sie seien vielleicht kein gutes Beispiel für einen richtigen «Expat». Aber was ist das überhaupt? Das Klischee zeigt einen jungen Anzugträger, vorzugsweise aus der Banken- oder IT-Branche, der in einer teuren, vom Arbeitgeber bezahlten, Wohnung im Seefeld wohnt, dessen Frau die Kinder mit dem SUV in die Privatschule am Zürichberg fährt und sich danach mit ihren Freundinnen, ebenfalls Expats, zum Lunch trifft. Nach drei Jahren zieht das Ehepaar mit den Kindern weiter, wahrscheinlich nach Singapur oder Hongkong. Soweit das Vorurteil. Ob es stimmt? Wir wissen es nicht. Tatsache ist: In Höngg und Wipkingen haben wir keine Person getroffen, die diesem Bild entspricht. Stattdessen haben wir Menschen kennengelernt, die aus unterschiedlichen Gründen in die Schweiz gekommen sind: Ein neuer Job, eine bessere Zukunft oder einfach aus Zufall. Manche lernen das Quartier erst kennen, andere haben hier Wurzeln geschlagen, wieder andere nannten Höngg bereits nach wenigen Monaten ihre «Heimat». Wie erleben sie das Leben unter uns? Was gefällt ihnen hier, worüber ärgern sie sich? Und wieso sind viele von ihnen länger geblieben, als sie anfänglich dachten? Wagen Sie einen Wechsel der Perspektive, vielleicht gibt es Neues zu entdecken.
Viel Lesevergnügen wünscht
Patricia Senn
Redaktionsleiterin
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