Quartierleben
Druiden im Geiste der Aufklärung
In Höngg treffen sich seit vielen Jahren alle zwei Wochen die Mitglieder einer Druiden-Loge. Früher unter dem Namen Rudolf-Brun-Loge heisst sie heute Libertas Loge. Der «Höngger» hat den zweiten Teil eines Abends besucht.
25. März 2015 — Fredy Haffner
Dienstagabend in der Tertianum-Residenz Im Brühl. Die Vorhänge des Saals «Im Bungert» sind zugezogen. Sechs der zwölf Mitglieder der Libertas Loge, sie nennen sich untereinander Brüder, haben sich versammelt wie alle zwei Wochen. Sie sind Teil des Schweizerischen Druidenordens SDO und damit auch Teil des weltumspannenden Druidenordens VAOD mit rund 50 000 Mitgliedern (siehe Info-Box). Den Abend in Höngg beginnen sie, wie überall auf der Welt, in der sogenannten «inneren Loge». Dieser Teil ist nur Mitgliedern zugänglich − selbst der schreibende Besucher darf sich nicht dazugesellen, sondern erst zum zweiten Teil, der «äusseren Loge» mit Nachtessen und Diskussion dazustossen. Trotzdem liegt, wem nun eine Mischung an Gerüchten zu Logen und einschlägige Hollywoodproduktionen vor Augen hat, falsch. Und auch mit «Druiden», wie den Begriff Esoteriker und New-Age-Jünger geprägt oder besser gesagt «beschlagnahmt» haben, haben die Männer der Libertas Loge nichts am Hut und so tragen sie auch keine solchen. So stösst der Berichterstatter an diesem Abend also auf sechs normale Männer zwischen 30 und 71, die bei einem Apéro zusammenstehen und angeregt diskutieren.
Dass ein Besuch der inneren Loge, auch Innenraum genannt, nicht gestattet wurde, ist zu respektieren, provoziert dafür aber entsprechend kritische Fragen. Doch die werden alle offen beantwortet. «Der Innenraum ist <geheim», sagt Peter Müller, Präsident der Libertas Loge, mit Betonung auf die Anführungs- und Schlusszeichen. Doch «vertraulich» treffe es eher, denn im Innenraum könne auch mal etwas ganz Persönliches erzählt werden und man habe die absolute Gewissheit, dass es den Kreis nie verlassen wird: «Das ist etwas vom Schönsten an dieser Loge, dieses Vertrauensverhältnis, bei dem das Gegenüber nie an die Verschwiegenheit erinnert werden muss.»
Im Geiste der Aufklärung
Der erste Druidenorden entstand 1781 in London, weil eine Gruppe von Anwälten und Kaufleuten mehr soziale Anliegen verfolgen wollte, zum Beispiel eine Sozialkasse für Witwen und Waisen. Der Geist der Aufklärung wehte durch die Strassen und im Druidenorden lebt man auch heute noch diesen Idealen nach: Freiheit des Denkens, Toleranz, Humanität und Achtung der Menschenwürde. Auch die Freimaurer verfolgen solche Ideale, doch Müller grenzt ab: «Wir sind eine wesentlich weltlichere Organisation, bei uns ist das Rituelle nur ein Rahmen, der eine Feierlichkeit und Ernsthaftigkeit ausdrückt, mehr nicht.» Wie harmlos das Rituelle sei, das den Innenraum prägt, das habe noch jeden Neueintretenden überrascht, bestätigen die Anwesenden unisono: «Da ist nichts, für das man sich schämen müsste. Andernorts mag es seltsame Rituale oder Objekte geben, bei uns nicht.» Aber die Rituale seien wichtig, um sich besser aus dem Alltag zurückzunehmen. Ein meditativer Charakter präge die Stimmung, erzählen die Männer, es erklinge Musik und Kerzen brennen, jede für eines der Ideale der Loge: Einigkeit, Frieden und Eintracht. Dann würden die immer gleichen Worte gesprochen, Sätze wie «Befleissige dich, deine Kenntnisse zu mehren, denn Wissen ist Macht», «Wenn du Macht hast, übe sie mit Vernunft und sei eingedenk, dass sie wieder aufhören kann», aber auch «Sei ein guter Bürger deines Landes». Diese Abläufe sind weltweit gleich. Ein Mitglied kann also, selbst wenn er die Landessprache nicht versteht, an den Versammlungen teilnehmen und fühlt sich zuhause. Man werde nicht primär gefragt, woher man komme, sondern sei einfach gleich dabei.
Vortrag, Essen und Diskussionen
Während dem ritualisierten Teil hält einer der Brüder einen Vortrag zu einem frei gewählten Thema. Dies ist das zentrale Element des Abends, denn die Druiden verfolgen das Ziel, sich geistig zu entwickeln und durch ihre Haltung in ihrem Umfeld positiv zu wirken. «Wer die Welt verändern will, muss bei sich selbst beginnen», betonen sie, deren Wertesystem auf dem Humanismus gründet. Im Alltag bedeute dies zuhören, nachfragen und andere Meinungen akzeptieren. Einer der jüngeren Anwesenden dazu: «Nicht alle haben im Alltag Gelegenheit, mit Menschen aus verschiedensten sozialen Schichten, Altersgruppen, Berufen und so weiter in Kontakt zu kommen. Die Loge bietet da eine gute Gelegenheit.» Sein Verhalten, sagt er, habe sich im Alltag verändert, er sei offener geworden. «Auch deshalb, weil wir hier Vorträge zu Themen hören, die uns sonst nicht beschäftigen würden – und danach diskutiert man eben unter Freunden, das gibt mir viel.»
Doch was ist denn der Unterschied zu Gesprächen unter sonstigen besten Freunden? «Wir haben das gemeinsame Ziel, uns weiterzuentwickeln. Natürlich geschieht das auch bei Gesprächen unter sonstigen Freunden, aber hier ist es strukturierter, bewusster, zielführender», sagt Müller.
Geselligkeit mit Inhalt
An diesem Abend ging es um Buddhismus und buddhistische Kosmologien, aber es wurde auch schon über Tango referiert oder vertieft über Mozarts Credo-Messe. Einzig bei den Themen Politik und Religion werden klare Abgrenzungen gemacht: Es darf nicht agiert oder missioniert werden, sondern man muss sich auf sachliche Inhalte konzentrieren und danach ebenso darüber diskutieren. «So hat uns ein jüdischer Bruder von seiner Religion erzählt, ohne missionarisch zu sein.» Das habe gut funktioniert, erinnert sich Müller.
Während dem Nachtessen, exzellent wie immer aus der Küche des Restaurants «Am Brühlbach», wurden allgemeine Gespräche geführt und auffallend viel gelacht. An diesem Abend etwas länger als sonst, denn der Schreibende nutzte die Zeit, um seine Fragen zu stellen. Als er alle beantwortet sah, begannen die Männer offiziell ihren zweiten Teil des Abends und die Fragen und Diskussion zum gehörten Vortrag nahmen ihren Lauf. Nach einer Weile verliess der Gast die Runde mit einem Dank, denn es war − zugegeben wider Erwarten − mehr als nur ein «Arbeitsabend» geworden. Auch wenn er deshalb − aus ganz weltlichen Gründen − nicht Druide werden wird.
Stichwort Druidenorden
Der weltliche Druidenorden wurde 1781 in London im Geist der Aufklärung gegründet und lebt auch heute noch diesen Idealen nach: Freiheit des Denkens, Toleranz, Humanität und Achtung der Menschenwürde. Die Gründer wählten den Namen «Druide», da er für sie die Verbindung von Wissenschaft, Naturverbundenheit, Ethik und Weisheit symbolisierte. Die heutigen Druiden leben ihren Idealen – Einigkeit, Frieden und Eintracht – nach und pflegen die Geselligkeit.
Die erste Loge in der Schweiz wurde 1912 in Zürich gegründet, löste sich in den 1930er-Jahren aber wieder auf. 1962 erfolgte dann in Basel wieder eine Gründung. Später kamen Logen in anderen Städten dazu, die sich im Schweizerischen Druidenorden (SDO) vereinen. In jüngster Zeit entstehen im deutschsprachigen Raum auch druidische Frauenlogen, denn die Druiden-Logen agieren, abgesehen von der Freizeit, geschlechtergetrennt. Die Dachorganisation aller Logen weltweit ist die «International Grand Lodge of Druidism» (IGLD), zu Deutsch «Vereinigter Alter Orden der Druiden» (VAOD). Weitere Informationen unter www.libertas-loge.ch, www.sdo.ch sowie auf www.igld.org
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