Quartierleben
Die Zunft Höngg will die Öffnung «wagen»
Zu ihrem 90. Geburtstag geht die Zunft Höngg neue Wege und öffnet sich für die Mitgliedschaft von Frauen. Vorerst werden der Zunft nahestehende Frauen das Privileg einer möglichen Aufnahme haben. In fünf Jahren könnte eine komplette Öffnung im Rahmen der Aufnahmekriterien möglich sein.
4. April 2024 — Dagmar Schräder
Just in ihrem Jubiläumsjahr beschliesst die Zunft Höngg ihre bisher einschneidendste Satzungsänderung: Am 18. März 2024 haben die Zünfter an ihrem «Frühlingsbott» die Entscheidung gefällt, per sofort auch Frauen als Zunftmitglieder zuzulassen. An der Abstimmung beteiligten sich mehr als 90 der insgesamt 115 Zunftmitglieder.
Und anders als noch vor einem Jahr, als bereits einmal über die Statutenänderung abgestimmt wurde, überwand der von einem Zunftmitglied eingereichte Antrag nun die Hürde der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Damit ist die Zunft Höngg die vorerst einzige der Zünfte Zürichs, welche Frauen den Status einer vollwertigen Mitgliedschaft in Aussicht stellt.
Das bedeutet, dass Höngger Frauen bald an Anlässen wie dem Sechseläuten und anderen Zunftanlässen nicht mehr nur als Ehrengast, in der Zunftjugend, in der Reitergruppe, als Kinderbetreuung oder als eingeladene Partnerinnen teilnehmen können, sondern in Zukunft als vollwertige Mitglieder selbst über ihre Teilnahme entscheiden. Somit werden Frauen zukünftig auch an denjenigen Anlässen teilnehmen, die bisher nur den Mitgliedern vorbehalten waren.
Zusammenhalt im Quartier fördert Öffnung
Wie erklärt sich Zunftmeister Walter Zweifel, dass die Höngger Zünfter innerhalb eines Jahres einen Sinneswandel vollzogen haben? «Im vergangenen Jahr wurde in der Zunft viel diskutiert und geschaut, wo der Schuh drückt und welche Vorbehalte gegenüber der Öffnung vorhanden waren.»
Grundsätzlich sei die Idee in der Zunft nämlich alles andere als neu: «Wir machen uns bereits seit etlichen Jahren Gedanken über eine Öffnung», erklärt der Zunftmeister. «Wir haben hier im Quartier einen sehr guten Zusammenhalt und viele aktive und engagierte Frauen im Zunftumfeld, die gute Ideen haben und sich gerne auch stärker einbringen möchten.»
Schon im Jahr 2009, zum 75-Jahr-Zunftjubiläum, habe sich eine Spurgruppe mit der Zukunft der Zunft auseinandergesetzt und Vorschläge entwickelt, wie es weitergehen könne. Im Hinblick auf das 90-Jahr-Jubiläum befasste sich eine weitere Spurgruppe mit diversen Aspekten der Weiterentwicklung der Zunft. Einige dieser Vorschläge – wie etwa auch die Beteiligung der Frauen in der Zunft – wurden in der Folge in Satzungsänderungen umgesetzt.
Fünf Jahre nur für einen eingeschränkten Kreis
Vorerst gilt allerdings während der nächsten fünf Jahre eine Übergangsregelung. Aktuell kommen nur Frauen, die bereits eng mit der Zunft verknüpft sind, für eine vollwertige Mitgliedschaft infrage: Nachkommen von Zünftern, weibliche Zunftgesellen, die aus der Jugendbewegung herausgewachsen sind, sowie Mitglieder der Reitergruppe, die hoch zu Ross am Sechseläuten teilnehmen.
In fünf Jahren werde dann, so erklärt Zweifel, noch einmal darüber abgestimmt, ob die Übergangsregelung verlängert oder direkt die komplette Öffnung angestrebt werden solle, die allen Frauen die Mitgliedschaft ermögliche, welche die Aufnahmekriterien erfüllen. Der Grundsatzentscheid, Frauen aufzunehmen, werde jedoch nicht noch einmal infrage gestellt.
Der Weg bis zur Zünfterin ist lang
Für eine vollwertige Mitgliedschaft müssen interessierte Frauen ohnehin einen längeren Weg auf sich nehmen – genau wie die Männer auch: Grundbedingung für eine Aufnahme in die Zunft ist neben der Schweizer Staatsbürgerschaft zunächst, während der Dauer von mindestens zehn Jahren hier im Quartier gelebt zu haben.
Ist diese Voraussetzung erfüllt, steht die zweimalige Teilnahme an einem Anlass, auf Einladung eines Zünfters, am Anfang einer möglichen Zunftlaufbahn. Danach können Interessentinnen über einen «Götti» in der Zunft ihren Willen bekunden, Mitglied zu werden.
Immer in Begleitung des «Göttis» schnuppern sie anschliessend eine Weile lang Zunftluft und bringen sich in den Verein ein, bevor die Vorsteherschaft darüber befindet, ob die Interessentin als Anwärterin in Betracht kommt. Bis zu einer vollwertigen Mitgliedschaft dauere es schliesslich, so Zweifel, in der Regel zwischen drei und sechs Jahren.
Statutenänderung am Sechseläuten sichtbar
Es wird also noch ein wenig Zeit verstreichen, bis die erste Frau Zünfterin wird. Doch die Änderung der Statuten sendet bereits ihre Vorboten voraus: Über 20 Frauen, die am Sechseläuten vom 15. April bei der Zunft Höngg als Gäste eingeladen sind oder in verschiedenen Funktionen mitwirken, nehmen nun nicht nur am Umzug teil, sondern werden das ganze Sechseläuten mit den Zünftern auf der Stube verbringen. Tragen werden sie eine Tracht.
Und wenn sie sich ein wenig beeilen, könnten sie innerhalb der nächsten fünf Jahre bereits zu vollwertigen Zunftmitgliedern werden und über künftige Satzungsänderungen und somit generell über die weitere Entwicklung der Zunft Höngg mitentscheiden.
0 Kommentare