Stadt
Die wahren Helden
Im neu umgebauten Sonnegg werden zurzeit gleich zwei Foto-Ausstellungen gezeigt. «Wir packen es» und «In den Augen der anderen» bieten Einblicke in das Leben einiger Flüchtlinge.
1. März 2017 — Patricia Senn
Alles fing damit an, dass die Fotografin Ursula Markus ein Engagement im Flüchtlingswesen suchte. Ines Buhofer aus Höngg machte sie auf den «Zmittagtisch» der Solinetz im Kirchgemeindehaus des Offenen St. Jakob aufmerksam. «Ich war sofort begeistert von der lauten, offenen und fröhlichen Atmosphäre», erzählt sie. Am Anfang waren es etwa dreizehn Personen, sie kamen immer schon um zehn Uhr. Also fing man an, die Wartezeit bis zum Zmittag mit Deutschunterricht zu überbrücken. «Mittlerweile sind es jeweils 200 Flüchtlinge, die in zwei Sälen von diversen Lehrern an langen Tischen gleichzeitig unterrichtet werden. Es ist natürlich unglaublich laut, aber dieses Niederschwellige, Freie und Positive, das gefällt mir. Das motiviert uns alle», sagt die Fotografin.
Ängste überwinden
Aus den Bekanntschaften dieses Engagements entstand 2015 im Rahmen des Aktionsmonats mit dem Thema «Zusammen leben» eine Reihe von Porträtfotos der Flüchtlinge mit Texten von Tanja Polli. Die Ausstellung «In den Augen der anderen» ist im ersten Stock des Sonnegg zu sehen und bietet Einblick in die Geschichten der jeweiligen geflüchteten Personen. «Sobald man die Menschen persönlich kennenlernt, ändert sich alles, die ganze Sichtweise. Die Ausstellung soll eine Möglichkeit einer solchen Begegnung bieten. Denn nicht nur die Schweizer haben Angst vor den Flüchtlingen, die Flüchtlinge fürchten auch die Schweizer», weiss Markus. In ihren Augen sind die Menschen, die es bis in die Schweiz geschafft haben, Helden: «Was sie zum Teil bereits in jungen Jahren durchgestanden haben, ist erschreckend und erstaunlich». Was sie ärgert, ist, dass das Potential dieser Flüchtlinge nicht ausgeschöpft wird: «Sie könnten so vieles beitragen, wenn sie arbeiten dürften. Aber wir lassen sie nicht, weil wir Angst haben, sie könnten uns etwas wegnehmen», meint Markus. Die Einsicht, dass Arbeit der Schlüssel für eine Annäherung sein könnte, brachte sie auf die Idee für die zweite Ausstellung «Wir packen es!», welche im «Kafi & Zyt» und im Treppenhaus des Sonnegg gezeigt wird. Wieder sind es Porträts, dieses Mal von Flüchtlingen, die das Glück und den enormen Willen hatten, eine Anstellung zu finden. Mit abgebildet sind immer auch ihre Arbeitgeber. Die Texte stammen diesmal von Paula Lanfranconi. «Ich wollte zeigen, dass es für beide Seiten ein Gewinn ist, wenn diese Menschen arbeiten können. Die porträtierten Arbeitgeber sind alle selber engagiert und waren begeistert dabei», erklärt Markus die Idee hinter der Ausstellung. «Es hat mich sehr beeindruckt, mit welchem Willen die Flüchtlinge ihr Ziel einer Arbeitsanstellung verfolgt haben. Eine junge Tibeterin hatte noch nicht einmal ein Schulzeugnis, als sie hier ankam, heute arbeitet sie als Biologielaborantin bei der ETH». Auch Lydia Pulfer, die die Ausstellung «Wir packen es» für die reformierte Kirchgemeinde im neu umgebauten Sonnegg organisiert und die Vernissage durchgeführt hat, war sehr berührt: «Die Porträts geben den Flüchtlingen nicht nur ein Gesicht, sondern machen sie zu Menschen, deren Geschichten einem nahe gehen».
Die beiden Ausstellungen sind noch bis zum 31. März zu sehen. An der Finissage am Freitag, 31. März, um 18 Uhr, wird Gabriela Bregenzer, Fachmitarbeiterin Migration + Integration, einen Vortrag zum Thema Basics im Flüchtlingswesen halten. Kafi & Zyt, Sonnegg, Bauherrenstrasse 53.
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