Kirchen
Die Geschichte der Weihnachtskrippe zu Höngg
Obwohl auch Höngg 1523 einen Bildersturm in der Kirche erlebte, findet die reformierte Kirchgemeinde Höngg wieder zur bildlichen Darstellung des Weihnachtsgeschehens zurück. Nach 2009 dieses Jahr vollzählig – zumindest was die Krippenfiguren betrifft.
25. November 2010 — Fredy Haffner
Bereits im Spätmittelalter wurde die Weihnachtsgeschichte in Kirchen auf Bildern oder mittels Figuren verschiedentlich dargestellt. Franz von Assisi stellte sie 1223 im italienischen Greccio gar mit lebenden Menschen und Tieren nach. Doch die Reformationsbewegung zwischen 1517 und 1648 setzte bildlichen Darstellungen biblischer Geschichte ein jähes Ende. Soweit bekannt, betraf es zwar keine Weihnachtskrippe, doch bereits 1523 kam es auch in Höngg zu einem Bildersturm: Vor der Kirche verschwand als Erstes ein Bild «unseres Herrgotts am Ölberg», das dort gestanden hatte*. Die Tradition, die Geburt Jesu figürlich darzustellen, überlebte dank den Orden der Jesuiten und Franziskaner in deren Kirchen. 1562 stellten die Jesuiten in Prag eine Krippenszene auf, die quasi als Urform der heutigen Darstellungen gilt. Unter Kaiserin Maria Theresia und Kaiser Joseph II. von Österreich aber wurden Weihnachtskrippen im 18. Jahrhundert aus den öffentlichen Gebäuden und damit auch aus den Kirchen verbannt und – in die katholischen Haushalte abgedrängt, wo sie im Mittelpunkt des familiären Weihnachtsgeschehens standen, bis im 19. Jahrhundert der Christbaum allmählich diese Rolle zu übernehmen begann.
An Popularität nichts eingebüsst
Doch Weihnachtskrippen sind nach wie vor populär. Letztes Jahr stand – soweit bekannt – erstmals eine schlichte, aber eindrucksvolle, wenn auch unvollständige Figurengruppe auch in der reformierten Kirche Höngg. Als Pfarrerin Carola Jost vor sechs Jahren in die Gemeinde kam, vermisste sie es sehr, mit ihren Kindern nicht wie an ihrem vorherigen Wirkungsort eine Krippe bewundern zu können: «Das stimmte einen immer so weihnachtlich ein», erzählte sie dem «Höngger». Doch dann besuchte sie Friedy Ott, ein Kirchgemeindemitglied, und sah in deren Stube genau die Art Figuren, die sie sich auch für die Höngger Kirche wünschte: gross, schlicht, eindrucksvoll.
Kurs für Krippenherstellung war zu kurz
«Das ist doch keine Sache», liess sich Friedy Ott begeistern und gab der Pfarrerin die Adressen der beiden Frauen, bei welchen sie gelernt hat, diese Figuren herzustellen: Elisabeth Krebs und Rosita Bachmann. Bald waren die beiden angefragt, in Höngg einen Kurs zu leiten, um eine Krippenszene herzustellen. Der Kurs kam zu Stande, war aber zu kurz, um eine vollständige Krippe mit allen Figuren zu fertigen. So gesellten sich dann in der Adventszeit 2009 zu den ersten kircheneigenen noch einige private Figuren aus dem Besitz von Friedy Ott. Diese vertrugen sich gut, doch der Ehrgeiz war geweckt und so versammelten sich die geschickten Frauen dieses Jahr bereits ab Mai, um regelmässig an den grossen Figuren zu arbeiten.
Nicht «Basteln», sondern Kunsthandwerk
«Basteln» hatte sich der «Höngger» im Vorfeld des Treffens in der Bullingerstube notiert, doch was er dort antraf und was die beiden Kursleiterinnen vermittelten, war und ist veritables Kunsthandwerk: Schwere Füsse aus Blei tragen die grossen Figuren, an denen alles in Handarbeit möglichst detailgetreu gefertigt wird. Kein Kitsch, sondern möglichst authentisch. Aus handgewobenen, rauen Stoffen – nicht leicht zu finden – werden Kleider so genäht, wie man annimmt, dass sie vor 2010 Jahren von Hirten getragen wurden. Die Perücken sind zum Teil aus Echthaar gefertigt und selbst die Sandalen werden von Hand genäht. Hände und Gesichter werden modelliert, geschliffen, bemalt. Stilistisch orientiert man sich an alten Bildern und Historienfilmen, die sich mit der «Mode» der Zeit Jesu ja ebenfalls auseinandersetzen mussten. So entstanden in unzähligen, arbeitsreichen, aber geselligen Stunden die Figuren, welche noch gefehlt hatten: Hirtenfrauen, Kinder, und vor allem die drei Könige. Alle schlicht und dennoch in ihrer Art prächtig. Um die Krippe in ihrer vollen Grösse auf Kinderaugenhöhe schön präsentieren zu können, werden die Sigristen in der Adventszeit sogar Kirchenbänke entfernen müssen. «Wir wollen die Figuren so stellen, dass Kinder sie auch anfassen und ein Schaf streicheln können», schwärmt Carola Jost jetzt, da die Premiere naht. Sie und alle, die so viel Zeit in die Figuren investiert haben, hoffen, dass sie Anfang Januar die vollzählige Szenerie wieder unversehrt werden einlagern können, obwohl die Kirche tagsüber immer offen und unbewacht ist. «Stille Nacht, heilige Nacht» – letztes Jahr war die Krippe wohlbehütet und so soll es auch diesen Advent sein.
* Nachzulesen in der Ortsgeschichte Höngg von Georg Sibler, Seite 183. Ob von diesem Bild der Ausdruck «Höngg am Ölberg» abgeleitet wurde, ist ungewiss.
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