Die «bösen» Pflanzen

Der Kampf gegen die Neophyten auf öffentlichem Grund kann manchmal frustrierend sein. Der «Höngger» hat den Verein Naturnetz einen halben Tag lang bei der Arbeit begleitet.

Ein Zivildienstleistender beim Entfernen eines Essigbaums.
Auf der anderen Seite des Zauns: Ein Garten voller Goldruten.
Neophyten müssen fachgerecht entsorgt werden.
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Am Höngger Waldrand wartet Daniel Eichenberger, Projektleiter des Vereins Naturnetz, der sich für die Natur-, Kultur- und Siedlungslandschaften einsetzt. Im Auftrag der Stadt sucht er am steilen Zielhang hinter der 300-Meter-Schiessanlage zusammen mit seinem Team von drei Zivildienstleistenden und einer Praktikantin nach invasiven Neophyten. Die gebietsfremden Pflanzen werden mitsamt der Wurzel entfernt und in einen Müllsack gesteckt. Diese Arbeit ist wichtig, weil sonst langfristig eine monokulturähnliche Landschaft entstehen würde, welche die Biodiversität der Schweiz gefährdet, denn invasive Neophyten haben in der Schweiz kaum natürliche Feinde, die den Pflanzenbestand regulieren könnten. Neben den Neophyten gibt es auch invasive Neozoe. So zum Beispiel wurde der Asiatische Marienkäfer ursprünglich zur biologischen Bekämpfung von Blattläusen in Gewächshäusern eingesetzt und hat sich mittlerweile draussen in der Natur dermassen unkontrolliert vermehrt, dass er inzwischen die über 80 einheimischen Marienkäferarten bedroht. «Das Gleichgewicht des Ökosystems kann durcheinandergeraten, deshalb kann man zur Bekämpfung invasiver Neophyten nicht einfach irgendwelche fremden Organismen einführen, ohne die Folgen zu kennen», sagt Eichenberger. Die Art der Bekämpfung sei von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich, erklärt er. Die Nordamerikanische Goldrute beispielsweise kann im Frühling gemäht oder ausgerissen werden. Diese Methode ist hingegen für den Riesenbärenklau, dessen weisse Blütenstände eine Wuchshöhe von zwei bis drei Meter erreichen, weniger geeignet. Der Hautkontakt mit dieser Pflanze – insbesondere bei direkter Sonneneinstrahlung – führt zu Hautentzündungen und kann Verbrennungen zweiten Grades hervorrufen. Werden die Pflanzen unsachgemäss entfernt, können sie wieder austreiben oder versamen. Der Samenvorrat im Boden kann auch nach Jahren, bei gewissen Arten nach Jahrzehnten, noch auskeimen. Auch Sträucher und Bäume wie Sommerflieder, Essigbaum, Robinie oder Götterbaum gelten als invasiv. Diese Pflanzen werden entweder mitsamt den Wurzeln ausgegraben oder man entfernt 80 Prozent des Borkenumfangs. Durch dieses sogenannte «Ringeln» wird der Nährstoff- und Wassertransport unterbrochen und die Bäume sterben innerhalb einiger Jahre langsam ab. Würde man die Bäume fällen, würde die Pflanze in Stress geraten und eine Wurzelbrut ausbilden. Das bedeutet, dass anstelle eines Baumes plötzlich beliebig viele Bäumchen aus den im Boden verbleibenden Wurzeln austreiben würden.

Neophyten im Garten, ein Problem

In vielen Gärten pflanzen Menschen unwissentlich invasive Neophyten, wie zum Beispiel Kirschlorbeer oder Sommerflieder an. Genau darin sieht der Fachmann ein grundlegendes Problem: Es bräuchte ein nationales Gesetz, welches den Verkauf dieser Pflanzen verbietet. «Während wir mit viel Aufwand invasive Neophyten bekämpfen, werden sie weiterhin verkauft», sagt Eichenberger. Das führt zu absurden Situationen, in denen der Verein Naturnetz auf einer Seite eines Zauns Pflanzen ausreisst, während sie wenige Zentimeter entfernt, auf der anderen Seite, auf Privatgrund, munter weiterwachsen und sich erneut auf die bekämpfte Fläche verbreiten können. «Das ist frustrierend», meint Eichenberger. «Dazu kommt, dass die Leute ihre Pflanzen unsachgemäss entsorgen, so, dass sie sich zum Beispiel im Unterholz unkontrolliert vermehren. Aber nicht nur Menschen, sondern auch Tiere tragen zur Weiterverbreitung bei, indem sie die Samen passiv in ihrem Fell transportieren oder die Beeren fressen und die Samen zusammen mit dem Kot weit entfernt wieder ausscheiden. Zudem werden insbesondere an stark befahrenen Verkehrswegen durch den Individualverkehr oder die Bahn Samen durch den Wind aufgewirbelt und über weite Strecken mitgeschleppt. Eine wichtige Rolle spielt auch der Umgang der Politik mit diesem Thema. Werden zum Beispiel in einem Kanton die Neophyten am Ufer eines Gewässers stehen gelassen, können diese bei Hochwasser flussabwärts getrieben werden. Der Wurzelstock des Japanischen Staudenknöterichs wird so von einem Kanton in den nächsten verschleppt. «Wir können den Knöterich zwar jährlich bei uns entfernen, aber solange die Ursache flussaufwärts nicht behoben wird, ist das eine Sisyphusarbeit.»

Integrierte Neophyten

Zu den Neophyten zählen aber auch wertvolle Nutzpflanzen wie zum Beispiel die Kartoffel, die Tomate oder die Sonnenblume. Die meisten stellen keine direkte Bedrohung für die Artenvielfalt in der Schweiz dar. Viele von ihnen bieten Nektar für Insekten, dienen als Heilpflanzen oder können zum Färben von Textilien verwendet werden. Im Verhältnis sind es nur wenige, die invasiv sind und deshalb bekämpft werden müssen.

Nach diesem Halbtag ist klar, wieso diese Arbeit wichtig ist, wenn die Biodiversität und die einheimische Flora geschützt werden soll. Seit langem fordert Pro Natura die Aufnahme weiterer invasiver Pflanzenarten in die Freisetzungsverordnung des Bundes – und somit ein Verkaufsverbot. Immerhin kostet die Bekämpfung der Neophyten die Steuerzahler*innen jährlich über 20 Millionen Franken.

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