Stadt
Die Auferstehung
Der vergangene Ostermontag war eine Art Auferstehung für Marcel Knörr: Zwar wurde er kurzzeitig im Spital einquartiert, doch das Schicksal schenkte ihm in derselben Nacht ein Nägeli-Bild.
20. Mai 2020 — Patricia Senn
Nach einem schönen Osterwochenende im Glarnerland, befielen den Höngger Architekten Marcel Knörr am Ostermontag plötzlich starke Unterleibsschmerzen und Schweissausbrüche. Nach einer Weile wurde es seiner Gattin Christiane Renfer unheimlich und sie brachte ihn auf telefonisches Anraten der Ärztin ins Waidspital. Nach einigen Tests wies man ihm ein Zimmer zu, wo er zur Beobachtung übernachten sollte. Mittlerweile war es spät geworden. Gegen 23 Uhr leuchtet das Display seines Mobiltelefons auf, eine Whatsapp-Nachricht der Kuratorin des Musée Visionnaire Yvonne Türler. Darin liess sie ihn wissen, dass der Kultsprayer und Künstler Harald Naegeli die Aktion «Wolkegabe» ins Leben gerufen hatte: Der 80-jährige wollte 50 signierte Originalzeichnungen an private Hauseigentümer*innen in der Stadt Zürich verschenken, die ihren Gewerbemieter*innen entgegenkommen und auf Mieteinnahmen verzichten. Wie es der Zufall – oder war es Schicksal? – wollte, ist Marcel Knörr Hausbesitzer und hatte seinem Mieter, dem Restaurant «Höngger Oriental», soeben für die kommenden fünf Monate eine schöne Mietreduktion versprochen. Und da er Naegeli, den Rebellen, aus seinen Anfangszeiten als Architekt kannte und schätzte, tippte er kurz vor Mitternacht vom Spitalbett aus und noch am Venenkatheter angeschlossen seine Bewerbung in sein Mobiltelefon ein. Umgehend erhielt er eine Antwort, man werde seine Angaben prüfen. Aufgeregt schlief er ein. Am nächsten Tag waren die Schmerzen weg, eine Spezialistin, die ihn untersuchte, meinte, es seien wohl Gallensteine gewesen, die in der Zwischenzeit aber von selber abgegangen seien. Wenige Tage später kontaktierte ihn eine Projektverantwortliche der Aktion und teilte ihm mit, er habe sich für die «Wolkengabe» qualifiziert und dürfe ein Bild aussuchen. Überglücklich wählte er seinen Lieblings-Naegeli und erfuhr schliesslich den Namen der Zeichnung: «Ostermontag, 17. April 2017». «Ich bin weder besonders religiös noch abergläubisch, aber es fühlte sich ein wenig an wie eine doppelte Auferstehung», schmunzelt Knörr. «Einerseits fühlte ich mich wie neu geboren, als die Schmerzen endlich nachliessen, andererseits hatte ich dieses schöne und so passende Bild geschenkt bekommen.» Nun wird der gerahmte Naegeli einen besonderen Platz in Knörrs Haus bekommen.
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