Die älteste Zürcherin lebt in Höngg

Kürzlich wurde die älteste Zürcherin gefeiert: Rosy Etter-Scheim ist 106 Jahre alt und wohnt seit drei Jahren im Pflegezentrum Riedhof. Jina Vracko vom «Höngger» war dabei und erfuhr einiges aus ihrem Leben.

Vorne: Rosy Etter-Scheim mit Christian Etter und Greta Korthals. Hinten v.l.n.r.: Nicolai Kern, Esther Fischer-Hofer und Gion Gambon. (Foto: jvr)

Jedes Jahr im Dezember stattet jemand von der Stadtverwaltung dem ältesten Zürcher sowie der ältesten Zürcherin einen Besuch ab. In diesem Jahr bringt Esther Fischer-Hofer, Sachbearbeiterin Repräsentation, den Blumenstrauss nach Höngg, denn die Ehre kommt einer Bewohnerin des Pflegezentrums Riedhof zuteil: Rosy Etter-Scheim, 106 Jahre alt. Bei der Feier sind der Geschäftsführer Nicolai Kern, der Leiter der Hotellerie Gion Gambon sowie Rosy Etter-Scheims Sohn Christian Etter und seine Frau Greta Korthals anwesend.

«Familie ist das Wichtigste»

In einem ruhigen Moment erzählt mir Rosy Etter-Scheim aus ihrem Leben, das im Januar 1918 begann. Sie schwärmt von ihrer Mutter: Im Nachhinein wisse sie, dass sie von ihr verwöhnt wurde. Sie wuchs mit drei Brüdern auf. «Deswegen hatte ich nie Probleme mit Männern. Ich genoss immer schöne Beziehungen mit ihnen», erzählt sie. Ihren Mann Fritz lernte sie in Paris kennen. Er war ein Thurgauer und gewann ihr Herz mit Frigor-Schokolade. So heiratete sie mit 21 Jahren die Liebe ihres Lebens.

Rosy Etter-Scheim machte dann ein Handelsdiplom. Zuerst arbeitete sie in der Rückversicherung und dann im Geschäft ihres Vaters. Er hatte ein Bouillon-Rezept von einem deutschen Koch abgekauft und gründete das Familienunternehmen, das Saucen und Suppen für Hotellerie und Restaurants herstellte: Die Marke «Lucul», die kleine Schwester von Maggi und Knorr, gibt es heute noch.

Frauen mussten den Laden schmeissen

Rosy Etter-Scheim und ich haben genau 80 Jahre Altersunterschied. So wollte ich wissen, wie ihr Leben als 26-jährige Frau damals aussah. Im Jahr 1940, am Anfang des Zweiten Weltkriegs, bekam sie ihr erstes Kind. Ihr Ehemann und ihre Brüder mussten ins Militär, also führten Rosy Etter-Scheim und ihre Mutter das Unternehmen, neben der Erziehung der Kinder. Sie wohnten zusammen und zur Unterstützung hatten sie ein Dienstmädchen. Als sie schliesslich in meinem Alter war, hatte Rosy Etter-Scheim bereits ihr zweites Kind zur Welt gebracht.

Insgesamt wurde sie dreimal Mutter: von einer Tochter und zwei Söhnen. Ihr Mann sei schon seit 37 Jahren nicht mehr an ihrer Seite. Aber die Familie ist gross: Heute hat die älteste Zürcherin fünf Enkel, sieben Urenkel und einen Ururenkel. Sie erhält regelmässig Besuch von ihrer Familie. Der Riedhof ist jetzt seit drei Jahren ihr Zuhause. «Ich fühle mich wohl hier», verkündet sie. Vorher lebte sie 58 Jahre lang an der Hadlaubstrasse in Zürich-Oberstrass.

Die Lebensfreude behalten

Ihr Leben ist von Ausdauer, aber auch von Genuss geprägt. An der Feier ist sie schick gekleidet – darauf legte sie schon immer viel Wert – und beim Apéro geniesst sie ein Cüpli und die Canapés. Die Freude am Leben spielt sicherlich eine Rolle für das hohe Alter. «Die Menschen in meiner Familie hatten schon immer viel Humor», erzählt sie. Einige Male fragt sie: «Wie alt bin ich nochmals?» und als sie erfährt, dass sie in einem Monat 107 Jahre alt wird, antwortet sie freudig: «Dann machen wir ein Fest!» Wie im letzten Jahr wird sich ihre Familie zu einem Mittagessen im Restaurant Riedhof treffen – denn so ein Leben muss gefeiert werden.

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