Der Patron, der die Schweiz das Knuspern lehrte

Aus bescheidenen Kartoffeln machte er ein Stück Schweizer Identität: Hans-Heinrich Zweifel war Unternehmer, Tüftler und Menschenfreund. Sein Erfolgsrezept beruhte auf Qualität, Nähe – und einem Sinn für das Menschliche. Zu seinem fünften Todestag fand eine Gedenkfeier statt.

Hans-Heinrich Zweifel. (Foto: Zweifel)

Ein Text von Bruno Dohner

Als Hansheiri Zweifel im November 2020 im Alter von 87 Jahren verstarb, verlor die Schweiz eine herausragende und weltoffene Unternehmerpersönlichkeit. Wir in Höngg trauerten um einen charismatischen Menschen und leidenschaftlichen Zünfter.

Landesweit erschienen damals in zahlreichen Gazetten Nachrufe und Würdigungen zum Leben und Wirken von Hansheiri Zweifel. Eine öffentliche Abdankungsfeier war aber wegen der Corona-Pandemie nicht möglich.

Der fünfte Todestag vom 2. November 2025 bot nun eine schöne Gelegenheit, im Rahmen einer würdigen Gedenkfeier auf dem Firmengelände der Zweifel Chips & Snacks AG in Spreitenbach noch einmal auf das reich erfüllte Leben von Hansheiri Zweifel zurückzublicken.

Die Gedenkfeier

Zum Festakt waren rund 200 Gäste aus der Familie, den Zweifel-Unternehmungen sowie der Zunft Höngg geladen. Die Choreografie der Gedenkfeier folgte der faszinierenden Persönlichkeit des Geehrten. Unter der stilvollen Moderation des Höngger Alt-Zunftmeisters Daniel Fontolliet vermittelten vier geistreiche Redner dem Publikum amüsante und persönliche Erlebnisse mit dem Verstorbenen.

Den Anfang machte sein Sohn und jetzige Firmenchef Christoph Zweifel; ihm folgten der amtierende Höngger Zunftmeister Walter Zweifel sowie Hansheiris Freund und Leibarzt Prof. Dr. Hans Säuberli; zum Schluss sprach Alt-Zunftmeister Fritz Meier. Musikalisch sorgte die Jazzband Keep Cool unter der Leitung von Will Vonier für den stimmigen Rahmen.

Gleichsam als Symbol für den unabhängigen und liberalen Geist von Hansheiri erklang zum Abschluss die legendäre Hymne «I Did it My Way». Ein kultureller Archetyp für Selbstbestimmung und Lebensbilanz.

Vom Agraringenieur zum Snack-Pionier

Geboren 1933 in Zürich-Höngg, wuchs Hansheiri in einer Familie auf, die sich seit Generationen mit Obstwein und Most befasste. Nach dem Studium der Agrarwissenschaften an der ETH Zürich trat er 1957 in den väterlichen Betrieb ein. Seine baldige Erkenntnis: Nicht im Apfel liegt die Zukunft, sondern in der Kartoffel.

Er wagte, was damals kühn war: die Gründung einer Chips-Produktion in der Schweiz. Hansheiris Ambition: höchste Qualität aus Schweizer Rohstoffen, produziert und verteilt mit derselben Sorgfalt, mit der ein Winzer seinen Wein pflegt.

Der Frisch-Service – eine Revolution auf Rädern

1962 lancierte Hansheiri Zweifel den legendär gewordenen Frisch-Service. Orangefarbene VW-Busse, die wöchentlich das ganze Land mit frisch produzierten Chips belieferten. Dahinter die bestechende Idee: Chips schmecken am besten, wenn sie frisch sind – und Frische entsteht nur durch Nähe.

Dieses Konzept machte Zweifel zum Pionier moderner Logistik. In den 1960er-Jahren noch visionär, steht es heute in jedem Lehrbuch: kurze Lieferketten, direkte Distribution, Kundenbindung durch Qualität statt Werbung. Die Schweiz lernte das Knuspern – und der orangefarbene Lieferwagen wurde zum vertrauten Symbol.

Ein Patron alter Schule

Hansheiri Zweifel kannte seine Mitarbeitenden noch beim Namen; er besuchte sie in der Produktion und hörte ihnen zu. Seine Überzeugung: «Ein zufriedener Mitarbeiter ist der beste Markenbotschafter.» Erfolg war kein Ziel, sondern das Ergebnis einer Haltung: Vertrauen, Qualität, Verlässlichkeit. Sein Humor – in der Firma sprach man liebevoll vom «HaHa» (nach seinen Initialen H.H.Z.) – war ebenso legendär wie seine Hartnäckigkeit, wenn es um Produktqualität ging. «Wenn Zweifel draufsteht, muss Zweifel drin sein.»

Trotz Wachstum, Internationalisierung und Übernahmeangeboten blieb Zweifel stets ein Familienunternehmen – unabhängig, bodenständig, aber dennoch sehr innovativ. Heute führt sein Sohn Christoph das Unternehmen in dritter Generation. Wie schon zu Vaters Zeiten rangiert «Zweifel» auf «Great Place to Work» regelmässig auf den vordersten Plätzen.

Für den wirtschaftlichen Erfolg gilt unverändert: Schweizer Rohstoffe, lokale Verarbeitung, kurze Wege, kompromisslose Frische. Damit verkörpert Zweifel eine Unternehmenskultur, die in globalisierten Zeiten fast anachronistisch wirkt. Der Erfolg gibt ihm recht.

Eine grosse Ehrung wurde Hansheiri im Jahr 2015 zuteil, als er in die Swiss Supply Chain Hall of Fame aufgenommen wurde. Dies als verdiente Anerkennung für seine visionäre Frischelogistik. Und das lange bevor Begriffe wie «Regionalität» und «Nachhaltigkeit» zu modischen Floskeln wurden.

Hansheiri, der leidenschaftliche Zünfter

Bemerkenswert ist nicht nur Hansheiris wirtschaftliches Vermächtnis. Auch für Höngg leistete er Grossartiges. «Die Zunft Höngg ist meine Partei!» – so hat Hansheiri die Frage nach seiner Parteizugehörigkeit beantwortet. Seine Zunftkarriere verlief steil. Mit 38 Jahren war er bereits Mitglied der Vorsteherschaft, von 1971 bis 1981 als Statthalter und dann ab 1981 als Zunftmeister.

In seinen neun Jahren als Zunftmeister hat Hansheiri Zweifel den Charakter der Zunft Höngg als Rebbauernzunft massgeblich geprägt. Im Jahr 1986 schenkte die Familie Zweifel der Zunft Höngg im Rebberg Klingen 130 Rebstöcke – für jeden Zünfter eine Rebe.

Dank diesem Geschenk und dem steten Einsatz der damals gegründeten Rebbaugruppe verfügen wir seit Jahren über einen hervorragenden zunfteigenen Wein. Es ist der grosse Verdienst von Hansheiri, dass die alljährliche Weinprobe der Zunft Höngg das kulinarisch-önologische Glanzlicht unseres Zunftjahres darstellt.

Hansheiri war auch Mitinitiator und Hauptfinancier des vom Quartierhistoriker Georg Sibler verfassten und von den Gebrüdern Erich und Louis Egli gedruckten Monumentalwerks «Ortsgeschichte Höngg». Das Werk liefert bis heute eine unendliche Fundgrube für die Geschichte unseres Dorfes.

Im Namen der Hauserstiftung Höngg möchte ich schliesslich an das wertvolle Engagement von Hansheiri für unsere Stiftung erinnern. Als dessen Vizepräsident gehörte Hansheiri dem Stiftungsrat von 1989 bis 1994 an.

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