Der Lauf der Dinge

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über Gebrauchsgegenstände und Digital Natives.

Dagmar Schräder bringt ihre Gedanken aufs Papier. (Foto: dad)

Vor Kurzem war ich mal wieder einkaufen. Ich war dringend auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für meine Tochter, für eine Bestellung war es schon zu spät, also blieb mir nichts anderes übrig, als ein Shoppingcenter aufzusuchen. Mein jüngster Sohn begleitete mich, auch er auf der Suche nach einem passenden Geschenk. Wir waren uns noch unsicher, was wir schenken wollten, deshalb schlenderten wir eine Weile durchs Einkaufszentrum, betrachteten die Läden und ihr Angebot.

In einer Vitrine waren Armbanduhren ausgestellt, Swatches. Natürlich hatte ich früher auch mal eine, wer nicht? Sie waren kultig, vor allem die Durchsichtigen, wo man das ganze Innenleben der Uhr betrachten konnte. Und die Armbänder zum Wechseln, das war auch sehr trendig. Das wäre vielleicht ein schönes Geschenk?

Mein Sohn betrachtete die Uhren. Doch meine Begeisterung konnte er überhaupt nicht teilen. Er schüttelte den Kopf und entrüstete sich: «Ich versteh einfach nicht, wie man 100 Franken für so etwas ausgeben kann. Das ist doch ein «Bschiss». Mit der kann man ja noch nicht mal telefonieren …» Ich musste laut loslachen. «Was ist denn los?», fragte er, leicht irritiert. Ich versuchte ihm zu erklären, wie seltsam für mich die Vorstellung sei, eine Uhr zum Telefonieren zu gebrauchen, schlimmer noch, ihre Funktion auf das Telefonieren zu reduzieren. Doch er blieb dabei: eine Armbanduhr zum Zeitmessen, völlig bescheuert. Das wäre ja genauso absurd, wie wenn man ein Handy hätte, das man zum Telefonieren benutzen möchte.

Also keine Swatch. Der Sportladen war die nächste Station. Hatte meine Tochter nicht gesagt, sie bräuchte einen Fitness-Tracker? Doch viel Auswahl war leider nicht. Ein, zwei Modelle, viel zu teuer und auch nicht schön. Die Nachfrage sei nicht mehr so gross, wurde mir erklärt. Die meisten Kund*innen würden für diesen Zweck ihr Smartphone nutzen.

Dann halt nicht. Wir gingen weiter, in ein Elektronikfachgeschäft. Denn meine Tochter hatte sich eine Kamera gewünscht. Ein ganz einfaches Knipsdings, das man bei Ausflügen dabei haben konnte. Wieder wurde ich nicht fündig. So was führen wir nicht mehr, sagte der Verkäufer zu mir. Ach was, dachte ich. Seit wann denn das? Als ich das letzte Mal in so einem Laden war, waren die Regale doch voller Kameras. Wo sind die alle hin? Doch dann wurde mir klar: die brauchts natürlich nicht mehr. Wer benutzt schon eine Kamera. Dafür hat man ja ein Telefon.

Ich glaube, mein Sohn, der Digital Native, grinste heimlich ein wenig vor sich hin, so als wollte er mir sagen: Siehst du? Du hast einfach keine Ahnung mehr von der Funktion der Dinge. Und ich? Ich hab meiner Tochter eine Halskette gekauft. Das ist immerhin ein bleibender Wert. Um den Hals hängen kann man sich das Natel schliesslich noch nicht.

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