Den «Gender-Gap» gibt es noch

Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Eine wichtige Gelegenheit, sich darüber Gedanken zu machen, warum es diesen Tag überhaupt gibt. Und warum es ihn immer noch braucht. Unsere Autorin Dagmar Schräder hat Antworten.

(Symbolbild Pixabay)

Seit mehr als 100 Jahren wird er gefeiert – der Internationale Frauentag. Sei es kämpferisch oder als Hommage an all das, was Frauen tagtäglich auf der Welt leisten. Aber – ketzerisch gefragt: Braucht es diesen Tag überhaupt noch? Hier in der Schweiz? Ist es immer noch nötig, darauf hinzuweisen, dass Frauen nicht gleich behandelt werden wie Männer? Gibt es ihn noch, den sogenannten «Gender Gap»?

«World Economic Forum» untersucht den Gender Gap

Wer ein wenig googelt, der findet zu diesem Thema verschiedene Untersuchungen: Eine davon wird seit 2006 jährlich vom «World Economic Forum», dem Weltwirtschaftsforum, veröffentlicht. Jeweils im Juni erscheint der «Global Gender Gap Report» und analysiert in rund 150 Ländern die Gleichstellung der Geschlechter in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Politik.

Wie gross der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist, wird da anhand von Prozentpunkten ermittelt. Sie geben an, zu wieviel Prozent die Lücke im jeweiligen Land geschlossen ist. 

Die Schweiz fällt ab

Spitzenreiter dieser Untersuchung war im vergangenen Jahr Island. Dort sei, so das Forum, der «Gender Gap» insgesamt sowie im Durchschnitt aller untersuchter Kriterien zu 93,5 Prozent geschlossen. Auf den nachfolgenden Plätzen folgen Finnland, Norwegen, Neuseeland und Schweden. Die Schweiz schafft es hierbei nur auf Rang 20 mit 78,5 Prozent.

Betrachtet man die einzelnen Kriterien genauer, fällt die Schweiz teilweise noch weiter ab. Zum Beispiel in punkto «wirtschaftliche Teilhabe und Chancen.» Da liegt sie nur auf Rang 53, mit 72 Prozent. Interessanterweise liegt bei diesem Kriterium Liberia an erster Stelle mit 87 Prozent.

Auch im Bereich «politische Ermächtigung» ist bei der Schweiz noch Luft nach oben: Island ist hier wieder Spitzenreiter mit 97,2 Prozent, die Schweiz landet abgeschlagen auf Rang 19 mit gerade 46 Prozent.

Chancengleichheit in 134 Jahren

Im Bereich «Gesundheit und Überleben» liegt die Schweiz hingegen ebenfalls weit zurück, doch hier bewegt sich das gesamte Feld in einem Bereich von nahezu 100 Prozent. Und auch bei der Bildung hat die Schweiz die Lücke zu 99,2 Prozent geschlossen, so die Studie.

Generell habe sich, so die Autor*innen, das Ranking aller europäischer Länder seit 2006 um 6,2 Prozentpunkte verbessert. Die Schweiz hat im Vergleich zum Vorjahr einen Rang gutgemacht. Es scheint also aufwärtszugehen, allerdings nicht besonders schnell: Bis die Chancengleichheit zu 100 Prozent erreicht ist, dauert es nach dieser Studie noch 134 Jahre.

Erwerbstätigkeit und Lohnunterschiede

Eine andere Untersuchung zitiert das Bundesamt für Statistik. Dieses hat europäische Länder in Bezug auf die Erwerbstätigkeit und den Lohn verglichen. Gelingt es der Schweiz hierbei in Bezug auf die Erwerbstätigenquote sogar, einen Podestplatz, nämlich Rang drei hinter Island und den Niederlanden zu erreichen, steht sie im europäischen Vergleich beim Verdienst schlecht da: Beim Verdienstgefälle in Baugewerbe, Industrie und Dienstleistungen belegt sie vor Österreich und Estland den drittletzten Platz.

Denn, so erklärt etwa die Frauenzentrale auf ihrer Webseite: Der «gender pay gap», also der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, liegt hierzulande noch immer bei rund 12 Prozent.

Und leider auch Gewalt

Das sind erst die gesellschaftlichen und ökonomischen Faktoren. Wichtig ist jedoch auch ein viel sensibleres Thema: das der Gewalt. Wie das Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau informiert, stirbt in der Schweiz durchschnittlich alle zwei Wochen eine Person infolge häuslicher Gewalt, 75 Prozent davon sind weiblich.

Rund 40 Prozent der registrierten Straftaten betreffen zudem Gewalt im häuslichen Bereich, wobei auch hier über 70 Prozent der gewalterfahrenden Personen Frauen und Mädchen sind. Von sexueller Belästigung werden ebenfalls zu über 90 Prozent Frauen betroffen, «während die gewaltausübenden Personen fast ausschliesslich Männer» sind, so das Büro.

Tanzen, diskutieren und demonstrieren

Aus all den genannten Fakten bleibt der Frauentag auch weiterhin aktuell. In diesem Jahr steht er unter dem Motto «Für ALLE Frauen und Mädchen: Rechte. Gleichheit, Ermächtigung.» Wer dies in Zürich gemeinsam mit Gleichgesinnten begehen möchte, hat zum Beispiel schon am 7. März im Plaza Club am «femBazar» die Gelegenheit, an 40 unterschiedlichen Ständen verschiedene von Frauen geführte Unternehmen kennenzulernen und an der anschliessenden Party in den Frauentag hineinzufeiern.

Weiter informiert das Nordamerika Native Museum NONAM in seiner aktuellen Ausstellung, welche indigenen Frauen und Traditionen den Feminismus beeinflussten. Auch die ETH widmet sich dem Frauentag mit mehreren Veranstaltungen, auch nach dem 8. März.

Schliesslich wird im Arthouse-Kino und in Kooperation mit dem «Kino Frame» der Frauentag mit einem besonderen Programm begangen. Nicht zu vergessen das Herzstück des Tages: Am Samstagnachmittag ab 13.30 Uhr findet die traditionell kämpferische Demo zum Frauentag statt.

0 Kommentare


Themen entdecken