Das grosse Hochwasser zwischen Höngg und Altstetten

Überschwemmungen sind das grösste Naturrisiko der Schweiz. Seit dem 18. Jahrhundert stehen an der Limmat in Höngg, an der Strasse Am Wasser, Häuser, deren Bewohner bezeichnend «Wässeler» genannt werden. Sie sind bei einem Jahrhunderthochwasser gefährdet – genau vor 100 Jahren traf es sie besonders.

Die Überschwemmung 1910, abgebildet auch in der «Ortsgeschichte Höngg» von Georg Sibler, Seite 223.
Am 26. Mai 2009: Die Limmattalstrasse vor dem Quartiertreff Höngg verwandelte sich innert Minuten zum reissenden Fluss.
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Auch diese Tage führt die Limmat wieder viel Wasser. Am Montag ergossen sich über Mittag anstatt der üblichen rund 80’000 deren 208’000 Liter pro Sekunde über das Höngger Wehr. Doch vor 100 Jahren dürfte es einiges mehr gewesen sein, wie das Foto von 1910 deutlich zeigt: Ein See bildet sich auf der weiten Ebene zwischen den Häusern am Wasser bis zum Bahndamm in Altstetten. Links im Bild ein turmartiges Transformatorengebäude, Baujahr 1901, in der Mitte Brücke und Strasse zum Bahnhof Altstetten, rechts das 1896 erbaute Hotel Limmathof, das heutige Restaurant Sicilia gleich neben der Europabrücke. Die Ursache für die Katastrophe damals war schnell klar: Schon im Herbst 1909 hatte es im Einzugsgebiet von Linth und Sihl ausserordentlich viel geregnet, die Böden blieben nass, dazu kamen anhaltendes Regenwetter und die noch nicht abgeschlossene Schneeschmelze. Nicht nur in Höngg, in der ganzen Schweiz richtete das Jahrhunderthochwasser grosse Schäden an. Im Glarnerland trat die Linth an verschiedenen Stellen über die Ufer, drei Menschen ertranken in den Fluten. Gewaltige Schuttmassen verschütteten die Bahngeleise der SBB und der Sernftalbahn und das Dorfzentrum von Näfels stand unter Wasser. Auch im Ausland beklagte man grosse Schäden: Die Pariser Innenstadt wurde durch die Seine überflutet, Genietruppen bauten Stege und Matrosen wurden für die Evakuierung und Versorgung der Bevölkerung eingesetzt.

Auch heute noch in ähnlichem Masse möglich

Das letzte Hochwasser in Höngg liegt gerade mal ein Jahr zurück: Am frühen Nachmittag des 26. Mai 2009 zog eine dunkelgraue, leicht gelbgefärbte Gewitterwolke über das Limmattal Richtung Höngg. Innert Minuten regnete und hagelte es sintflutartig. Die Limmattalstrasse wurde zum reissenden Fluss, viele Keller und die Tiefgarage des Hönggermarktes wurden mit Wasser gefüllt. Dass wieder ein solches Hochwasser wie vor 100 Jahren eintreffen könnte, darin sind sich die Hydrologen einig. Unterirdische Räumlichkeiten wie der Zürcher Hauptbahnhof, Tiefgaragen, Tunnels und Keller sind gefährdet. Der Kanton Zürich erstellt seit zwei Jahren Gefahrenkarten und die kantonale Gebäudeversicherung untersucht in einer Pilotstudie im Gebiet Sihlcity bis Bahnhof Giesshübel, mit welcher Schadensumme bei einem solchen Grossereignis zu rechnen wäre. Bereits wird aber auch gehandelt: Noch diesen Sommer erfolgt der Spatenstich zum «Limmat-Auenpark Werdhölzli», wo nebst Renaturierungsmassnahmen auch die alten Dämme verbessert oder ersetzt werden (siehe «Höngger» vom 18. März 2010).

Eingesandt von Marcel Knörr

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