Brillanter, fluchender Appenzeller in Höngg

Der vierte Anlass von «Höngger Kultur», dem Event-Ressort des «Hönggers», war ein weiterer Erfolg: Kabarettist Simon Enzler und Bassist Daniel Ziegler traten im vollen Saal des reformierten Kirchgemeindehaus auf und hatten die Lacher auf ihrer Seite.

Daniel Ziegler (links) und Simon Enzler beim Panflöten-Duett auf vollen, dann immer leereren Bierflaschen.

«Menschliches Versagen»: Dies äussert Tontechniker Robin auf die Frage von Simon Enzler, wieso das Mikrofon keinen Mucks mache. Der menschliche Versager hinter dem Mikrofon ist Daniel Ziegler, Bassist und seit 1996 mit dem Kabarettisten auf den Bühnen unterwegs. Griesgrämig sitzt er auf seinem Stuhl, krummer Rücken, missmutige Miene, verschränkte Arme, grauer Sakko, Hemd über den Jeans, Jeans zerrissen und die besockten Füsse in Badelatschen. Da scheint der Versager schon etwas zuzutreffen, erst recht, als Simon Enzler dem gut 300-köpfi gen Publikum erzählt, im Fernsehen sä- he man die Moderatoren ja oft nur bis zum Bauch – und nun sähe man hier live, wie es weiter unten aussehe: «Diese Fernsehleute verdienen nämlich gar nicht so gut, wie man meint!» – Blick auf Zieglers zerrissene Jeans und Badelatschen mit schief getretener Sohle, Gelächter im Publikum. Der urchige Appenzellerdialekt lässt sich als Nicht-Appenzeller kaum wiedergeben, weder gesprochen noch geschrieben.

Missmutig gucken, genial Bass spielen

Dass Daniel Ziegler jedoch mehr kann als nur missmutig gucken, das zeigt er in den musikalischen Intermezzi, die er seit 2012 auch in der TV-Sendung Giaccobo/Müller aufführt: Der Mann spielt brillant Bass, die elektrische Gitarre, die auf der Bühne steht, benutzt er während dem ganzen Auftritt nie. Simon Enzler aus Appenzell Innerhoden appenzellert, was das Zeug hält, benutzt Ausdrücke wie «liberement» und flucht, dass sich die Balken biegen. Da ist der Ausdruck «Hosensackdemokrat» noch ein harmloser. Wenn dann der missmutige Daniel Ziegler aber zur Bühnenrückwand «Arschloch» grummelt, dann kriegt er von Chef Enzler sogleich was zu hören: «Geht’s Dir noch? Das Publikum zu beleidigen!» «Aber das Publikum ist ja vorne, nicht hinten!» «Ja, aber dank Deinem Mikrofon hören sie dich, egal ob von hinten oder vorne!» An der Abendkasse habe jemand gefragt, ob das Ticket auch in Euro bezahlt werden könne. «Geht es euch eigentlich noch oder was! So weit kommt’s noch, ich rede schliesslich auch nicht Hochdeutsch!» – sagts und dreht sich in seinem Chefbürosessel um, um das klingelnde Handy abzunehmen: «Ah, Grüzi» begrüsst er seinen Gesprächspartner in typischem Schweizerhochdeutsch, um ein langes Gespräch über den Heimatschutz, der sich ausgeschützt habe, und den Pfarrer, dem man entweder eine Vaterschaftsklage anhängen oder bei Einwilligung eine neues Kirchendach spendieren würde, zu führen. Schliesslich wird das Projekt Grosssägerei dank vieler Gefälligkeiten und Erpressungen der Gegner bewilligt, und auch das Steueramt «lässt Sie pauschal grüssen», so Enzler durch die Blume zu seinem Gegenüber. Bei diesen Dimensionen spreche man übrigens nicht mehr von Moral, diese sei im Gesamtpaket sogar inklusive . . .

Das Bierflaschen-Duett

Dass man auch mit der Motorsäge Musik machen kann, beweisen die beiden hochkarätigen Bühnenakteure dann beim «Kettensägen-Swing», der mit zynischem Gesang, Motorsägengeknatter und Bass-Solo für Begeisterung sorgt. Während das Publikum den Gestank des Zweitakt-Motores als bissig empfindet, riecht Simon Enzler Weihrauch heraus. Ebenfalls eher handwerklich zu und her geht es mit der Druckluft-Spraydose: Mit ihr lässt es sich auch musizieren. Man kann mit ihr nicht nur «tsch-tsch»-Geräusche ins Mikrofon jagen, sondern sie auch Blockflöte spielen lassen – es müssen nur noch die richtigen Löcher zugehalten werden. Der Deckel der Spraydose dient als Trommel, und im Verlauf des Abends zeigt sich, dass auch mit Bierflaschen musiziert werden kann. Zum Abschluss nämlich bieten die beiden ein panflötenartiges Duett – und zwar auf vollen Bierflaschen, aus denen sie immer wieder einen Schluck trinken, um die Tonlage zu verändern. Das Tänzchen mit der leeren Bierflasche auf dem Kopf verleitet das Publikum zu herzlichem Applaus. Nach dem «Trugschluss», also dem Stück vor der Zugabe, da man ja um den Schluss betrogen werde, sind sich die Besucherinnen und Besucher einig: Ein genialer Abend voller hintergründiger, bissiger Komik und mit talentierten Männern auf der Bühne – egal ob mit zerrissenen Jeans oder ohne Skrupel.

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