Bobby braucht die anderen

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute über das Sozialleben ihrer Ente.

Dagmar Schräder bringt ihre Gedanken aufs Papier. (Foto: dad)

Ich habe eine Laufente. Bobby ist ihr Name. Und die hatte letztens ein Problem. Ging lahm. Wahrscheinlich hatten die anderen sie gepiesackt. Das kommt schon mal vor. Vor allem, wenn Brutsaison ist und die Erpel sich balzend um die Weibchen bemühen. Sie erweckte mein Mitleid.

Wie sie sich stets bemühte, mit den anderen mitzuhalten, wenn diese im Entenmarsch über die Wiese spazierten, auf der Suche nach Schnecken. Sie machte dann ein paar Schritte, quakte hilfesuchend und liess sich erschöpft irgendwo nieder. Oft waren die anderen richtig fies zu ihr. Schubsten sie vom Futter weg, bissen sie, liessen jegliche Empathie vermissen.

Natürlich konnte ich nicht zulassen, dass ihr so übel mitgespielt wurde. Also packte ich Bobby in eine Kiste und brachte sie zum Tierarzt. Der vermutete eine Zerrung oder dergleichen. Viel könne man da nicht tun, Schmerzmittel und Schonung. Und weil Schonung mit den anderen nicht gut funktioniert, separierte ich Bobby. Pflegte sie, versorgte sie mit dem besten Futter, brachte ihr Äpfel und Mehlwürmer, eine Entendelikatesse.

Zuerst setzte ich ihren Partner Erni zu ihr. Aber als er sie nur bedrängte, musste er wieder zu den anderen. Zwei Hühner leisteten ihr von nun an Gesellschaft. Und tatsächlich, sie frass gierig und dankbar, quakte freundlich, wenn sie mich sah und humpelte täglich ein bisschen weiter. Wird schon werden, dachte ich mir.

Doch aus Tagen wurden Wochen, es wurde nicht mehr besser, und Bobby trauriger. Sie hörte auf zu quaken, selbst ihr Enthusiasmus für Mehlwürmer hatte stark nachgelassen. Oft rutschte sie morgens in eine Ecke und verharrte dort bis abends. Das hatte ich nicht gewollt. «Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht», dachte ich mir.

Mir fiel nix anderes ein, als sie wieder den anderen auszusetzen. Also nahm ich sie unter den Arm und brachte sie zu ihnen. Die kamen angerannt, bedrängten sie übel, sie verkroch sich unterm Stall, wo sie den ganzen Tag verharrte. Ich schob ihr eine Schüssel mit Salat zu und überliess sie ihrem Schicksal.

Abends fischte ich sie hervor und trug sie in den Stall, weil sie da unmöglich allein reinkam. War schwer zu ertragen, ihr bei dieser brutalen Wiedereingliederung zuzuschauen. Und dass sie genesen würde, konnte ich mir nicht vorstellen. Aber ich liess den Dingen ihren Lauf.

Eine Woche später suchte ich sie abends vergebens. Rief nach ihr, suchte jede Ecke ab, vermutete schon, der Fuchs habe sie erwischt. Bis ich sie im Stall fand. Ganz alleine war sie reingeklettert. Von da an ging es aufwärts. Sie rutschte morgens immer behänder aus dem Stall, fing wieder an, lauthals ihre Meinung kundzutun und sorgte dafür, dass sie mit den anderen gleichzeitig am Futternapf ankam.

Ein Wunder! Und jetzt gehört Bobby wieder dazu. Laufen ist zwar immer noch nicht ihr Ding, aber ich glaube, sie ist zufrieden. Hoffe ich zumindest. Und ich habe gelernt, dass auch eine Ente nicht gesund werden kann, wenn sie ganz auf sich alleine gestellt ist. Da hilft selbst das beste Futter nicht. Nicht mal Mehlwürmer.

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