Quartierleben
Bier aus dem Quartier
Höngg hat zwei «Hausbiere». Das eine, «Hirnibräu», wurde einige Jahre lang in einer Wohnung an der Winzerstrasse gebraut, das andere, «Talchern Bräu», wird noch immer in Höngg produziert. Obwohl die klassische Biersaison sich dem Ende zuneigt, lohnt es sich, die beiden Höngger Gerstensäfte auszuprobieren.
15. November 2012 — Redaktion Höngger
Der Höngger Andreas Aemmer ist ein Tüftler. Nachdem der Informatiker Mitte der Neunziger Jahre von Freunden ein Set zum Selberbrauen von Bier bekommen hatte, stand es zuerst einmal nutzlos in seiner Wohnung in Höngg herum. Irgendwann packte es ihn und seinen Kollegen, und sie probierten das Set aus – eine mehrjährige Testphase in Aemmers Küche und Bad begann. «Es war um 1997 herum, als wir 20 Liter Bier brauten und dies ‹Hirnibräu› nannten – in Anlehnung an uns zwei ‹Hirnis›, die so viel ‹gehirnt› hatten.» Da Aemmer und seine Kollegen das ungefilterte, vollmundige Bier so gut fanden, braute er bald in grösserem Stil Bier – immer noch in seiner Wohnung an der Winzerstrasse. «In meiner Soussol-Wohnung stand sozusagen eine Bierbrauerei in Miniaturform.» Bis 2009 braute Andreas Aemmer so sein «Hirnibräu», dann wurde es dem Vermieter zu viel, und er untersagte dem brauenden Mieter weiteres Tun.
Brauerei im Trafo-Turm
Doch dies ist nun Geschichte, seit Anfang Jahr hat der Fünfzigjährige in Affoltern eine eigene Brauerei mit Sudhaus und allem, was es zum Bierbrauen braucht – laut Aemmer fühlt sich das an «wie ein Sechser im Lotto». Im Jahr 2010 testete ein Bier-Experten-Team für den «Tages-Anzeiger» elf Biere aus dem Kanton Zürich – und «Hirnibräu» landete auf dem ersten Platz. Zu diesem Zeitpunkt suchte Andreas Aemmer bereits einen neuen Produktionsort. Kurz darauf meldete sich die Baugenossenschaft der Strassenbahner Zürich bei ihm und fragte, ob er Lust hätte, den ehemaligen Trafoturm in ihrer Überbauung Guggach an der Käferholzstrasse in eine Brauerei umzuwandeln. Wer hätte da Nein gesagt? «Das Lustige war, dass der zuständige Architekt zuvor einen Teil der ehemaligen Brauerei Hürlimann in das Thermalbad Zürich umgebaut hatte – das Thema Brauerei war ihnen somit bestens bekannt.» Nun ist er im ehemaligen Trafoturm eingemietet und braut nicht nur ein unter Kennern beliebtes Bier, sondern hat auch noch eine historische, schöne Arbeitsumgebung: Das Backsteingebäude passt perfekt zu einer Brauerei. Die modernen Stahltanks beim Eingang verraten, dass hier etwas vor sich hin gärt.
Grosser Aufwand
«Es wäre mit dieser Anlage möglich, 15 mal pro Jahr Bier zu brauen, und zwar 1500 Liter pro Sud – dies sind 2000 Flaschen à 7,5 dl», rechnet Andreas Aemmer aus. Dieses Mass reizt er jedoch bis jetzt nicht aus, denn es sei auch immer ein grosser Aufwand, das Bier zu brauen und abzufüllen. «Am Morgen riecht es in der Brauerei nach Malz, wie man es von der Ovomaltine her kennt, abends nach Hopfen – ausserdem verwende ich für mein Bier nur weiches Zürcher Trinkwasser.» Gebraut wird Lagerbier in den Varianten spezial blond und spezial rotblond. «Ich will zeigen, dass ein Bier ganz unterschiedlich schmecken kann», erklärt Andreas Aemmer. Wer eine Brauerei einmal von innen sehen will, bucht bei ihm am besten eine Führung mit anschliessender Degustation – so sieht man für einmal hautnah, wie ein Bier erst zum Bier wird.
Junges «Talchern Bräu»
Bier brauen scheint in Höngg ein beliebtes Hobby zu sein: Am Anfang ihrer Karriere stehen derzeit Severin Jung, 18, und sein Kollege André Hochschorner, 19. Sie gingen zusammen zur Schule und wollten schon immer ein Unternehmen gründen. «2009 kamen wir auf die Idee, Bier zu brauen – wie so viele Leute kauften wir uns ein Selbstbrau-Set und pröbelten an den ersten 30 Litern», so Severin Jung. Da die beiden an der Talchernstrasse beziehungsweise am Talchernsteig, wohnen, war der Name für das Bier schnell gefunden: «Talchern Bräu». Rasch waren Etiketten am Computer designt, von Hand ausgeschnitten und auf die 33cl-Flaschen geklebt worden. «Erste Abnehmer des frischen, herben Bieres waren unsere Kollegen, in der Zwischenzeit gibt es das «Talchern Bräu» auch in der Metzgerei Wartau für 2.50 Franken pro Flasche zu kaufen», freut sich André Hochschorner. Lehrgeld mussten die beiden jungen Männer jedoch auch bezahlen: «Einmal hatte unser Bier keine Kohlensäure, ein anderes Mal hat es nicht gegärt – ein Fall für die Kanalisation», so Severin Jung.
In der elterlichen Küche gebraut
Die beiden jungen Männer, welche sich nebst dem Bierbrauen auch für Eishockey, Geige spielen und Fussballmatches interessieren, sind mitten in ihren Ausbildungen. «Deshalb kommen wir nicht so oft zum Brauen – dies geschieht jeweils in der Küche meiner Eltern», erklärt André Hochschorner. Vier bis sechs Mal pro Jahr werden um die sechzig Liter Talchern Bräu gebraut, die dann zwei bis drei Wochen im Gärtopf reifen – in dieser Zeit riecht das «Lagerzimmer» in der Wohnung dann ziemlich nach Bier. Danach wird es abgefüllt. Die beiden haben sich extra eine kleine Abfüllanlage gekauft, mit deren Hilfe 180 Flaschen in 45 Minuten abgefüllt werden können: «Wir sind ja immer nur zu zweit und schon etwas stolz darauf, dass wir unsere Arbeitsschritte optimieren konnten», sagt Severin Jung ernsthaft. «Ja, innert weniger als einer Stunde ist alles wieder geputzt und verräumt», ergänzt André Hochschorner. Gerne würden die Talchern-Bräu-Jungs ihr Bier an weiteren Orten in Höngg verkaufen, da sie finden, ein Quartier brauche sein Bier. «Wir durften schon für die Zunft zur Hard ein Bier namens «Gesellenbräu» brauen – auch solche speziellen Aufträge reizen uns», erzählen die zwei. Trotzdem bleibt das «Talchern Bräu» voraussichtlich «nur» ein Hobby der beiden Höngger.
Weitere Informationen: www.hirnibraeu.ch, www.talchern-brau.jimdo.com.
0 Kommentare