Kultur
Bienen leiden unter Temperaturschwankungen
Die wiederkehrenden Kälteeinbrüche, abgelöst von für die Jahreszeit fast schon zu warmen Temperaturen, setzen den Honigbienen zu. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Honigproduktion, sondern auch auf die Obstbäume.
22. April 2021 — Dagmar Schräder
Der Winter ist auch nicht mehr das, was er noch vor ein paar Jahrzehnten war. Nicht nur, dass es in den vergangenen Jahren hier in den Niederungen kaum noch geschneit hat – selbst in diesem Jahr beschränkte sich der Winter in Zürich ja eigentlich auf die zwei Tage ergiebigen Schneefalls – die Temperaturen sind dazu oftmals bereits im Februar frühlingshaft warm. Dafür schneit es dann im April noch mal so richtig, mit Temperaturen im Minusbereich.
Nahrungs- und Platzmangel für die Bienen
Was für Menschen schlimmstenfalls lästig und mühsam ist, hat für die Natur weit gravierendere Folgen. So führen etwa die verfrühten frühlingshaften Temperaturen dazu, dass die Bienen ihre Winterruhe früher als gewöhnlich unterbrechen. Sie fliegen frühzeitig aus und verbrauchen entsprechend mehr von ihrem Honigvorrat. Zudem beginnt die Königin im Stock bereits mit der Eiablage. Wird es dann wieder kalt, können die Arbeiterinnen nicht mehr ausfliegen und keine Pollen mehr sammeln. Also «bleibt das Volk auf der Brut und verhungert, wie es in den letzten Jahren immer wieder das Problem war», wie Beat Stiefel, Imker aus Höngg, erklärt. Ausserdem könne die Brut bei den wiederkehrenden Kälteeinbrüchen oft nicht ausreichend gewärmt werden und erfriere, so Stiefel weiter.
Gefährlich ist für die Bienen auch der Biswind, der in den letzten Tagen den Kälteeinbruch begleitete: Windet es zu stark, werden sie von ihrem Stock weggetragen, kühlen aus und sterben. Problematisch sind die tiefen Temperaturen zudem, so führen die beiden Imker*innen Ruth und Carlos Guillén aus, weil sie im Bienenstock zu massiven Platzproblemen führen können. Die Brut wächst heran und schlüpft, doch weil die Arbeitsbienen nicht ausfliegen können, wird nicht nur die Nahrung, sondern auch der Platz im Stock eng, schliesslich leben in einem Volk bis zu 30 000 Bienen auf engem Raum zusammen. «Im schlimmsten Fall», so erklären die beiden passionierten Imker*innen, «fängt das Volk zu früh an zu schwärmen, das heisst, die Königin fliegt aus und sucht sich ein neues Zuhause, weil es im Stock zu eng wird». Für die Imker*innen ein grosses Problem, weil sie damit ganze Völker verlieren können.
Natürliches Gleichgewicht in Gefahr
Schliesslich machen die Temperaturschwankungen nicht nur den Bienen selber, sondern auch den Pflanzen zu schaffen. Das Wechselspiel zwischen der Obstbaumblüte und der Bestäubung wird durch die späten Kälteeinbrüche gefährdet: die Obstbäume stehen zwar aufgrund des frühen Frühlingsbeginns bereits in Blüte, durch den Kälteeinbruch können aber die Bienen nicht mehr ausfliegen und die Blüten bestäuben – sofern diese den Frost überhaupt überleben. Die Bäume können so keine Früchte produzieren und den Bienen fehlt die Nahrung. Ein empfindliches Gleichgewicht, das durch die klimatischen Veränderungen durcheinandergebracht wird. Dennoch, so erklären die Guilléns, ist nach ein paar Frosttagen nicht gleich alles verloren: «Die Bienen ertragen die Kälte besser als die Blüten der Obstbäume. Als Imker*in kann man notfalls noch reagieren und mit etwas Zuckerwasser zufüttern, wenn man merkt, dass sie gestresst sind. Und selbst die Obstbäume können einen gewissen Verlust an Blüten ertragen, um trotzdem noch guten Ertrag an Obst liefern zu können.»
Milbe vermehrt sich
Doch das sind bei weitem nicht die einzigen Probleme, mit denen die Bienen und damit die Imker*innen zu kämpfen haben. Auch die zunehmend trockenen Sommer wirken sich negativ auf die Insekten aus. Die Nahrungssuche wird erschwert, weil infolge der Trockenheit nicht mehr viel blüht und auch die Blüten weniger Nektar enthalten, die Völker stehen unter grösserem Stress. Eine grosse Gefahr für die einzelnen Bienen und ganze Völker stellt zudem die gefürchtete Varoa-Milbe dar. Diese nistet sich in der Brut ein, schlüpft dort von den Bienen unbemerkt und saugt ihnen buchstäblich das Blut aus, so dass diese geschwächt werden und vorzeitig sterben. Die Imker*innen arbeiten mit verschiedenen Methoden, um die Verbreitung der Milbe zu stoppen. Doch weil es im Sommer in den letzten Jahren oft sehr lange sehr warm war, konnten bestimmte Behandlungen wie die hierzulande bewährte Bekämpfung der Milben mit Ameisensäure nicht durchgeführt werden – denn bei warmen Temperaturen werden auch die Bienen selbst durch die Behandlung gefährdet. Die Imker*innen müssen also auf andere Methoden zurückgreifen, um den Milbendruck im Stock zu reduzieren. Ein hoher Aufwand für die Honigproduzent*innen, denn auf Gift, so die Guilléns, wollen zumindest sie auf keinen Fall zurückgreifen. «Die Honigproduktion ist wie eine Lotterie», erklären sie abschliessend nicht ohne Augenzwinkern, «man kann am Anfang der Saison nie sagen, wieviel Honig am Ende geerntet werden kann. Und reich wird man als Imker*in ganz sicher nicht.» Doch die Leidenschaft für ihre Bienen, die ist ungebrochen – auch wenn die Umstände nicht immer einfach sind.
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