Bella vista im Bellavista

Sie kennen sicher den Roman von Jonas Jonasson mit dem Hundertjährigen? Richtig, das ist der Wahnsinnige, der aus dem Fenster steigt und abhaut. Beim Restaurant Bellavista ist das umgekehrt: Da kommt man durch die Fenster INS LOKAL, denn es gibt mehrere, die auch Türen sind. Und das sagt eigentlich schon fast alles über diesen lichtdurchfluteten, offenen Glaspavillon, in dem man auch sehr gut isst.

Forellenfilet gebraten, Rohschinken, Zitronenrisotto und grüner Spargel.
Pulpo-Salat mit Rucola und Hartweizengriess-Gnocchini an Peperoncini-Zitronenöl.
Tiramisù mit eingelegten Früchten.
Die Gastgeberinnen, Betriebsleiterin Nina Wartmann und ihre Stellvertreterin Toja Rauch.
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Das Bellavista liegt auf der Nordseite des ETH-Campus und könnte als eines der Schönsten Zürichs durchgehen. Der Raum besteht ringsum aus Glas, ist hoch, wirkt fast schon wie eine von Mario Botta gestylte, moderne Kathedrale. Marceline Ruckstuhl, eine junge ETH-Absolventin, hat die Jury vor drei Jahren mit ihrem Entwurf überzeugt. Schön auch die Möbelklassiker, darunter die schwarzen Holztische, die alles, was darauf kommt, zum Leuchten bringen. Die Gäste – darunter stets auch Mitarbeiter der ETH – dürften sich aber auch über die «Software» freuen: Das Personal wurde offensichtlich nicht nur aufgrund der ästhetischen Qualitäten ausgewählt. Nach 27,5 Sekunden steht das ofenfrische, knusprige Brot auf dem Tisch. Pascal Saudan – der einzige Mann im Team – schlägt als Apéro eine hausgemachte Limonade mit Hibiskus und Zimt vor. Eine gute, weil erfrischende Wahl. Auch bei den Weinen kennt sich der aufmerksame Kellner aus. Höwi wählt den Räuschling vom Chilesteig (gar nicht gewusst, dass dieser Zürichseewein auch hier wächst) und studiert die Menükarte: Es gibt täglich wechselnde 3-Gang-Menüs, stets eines mit Fleisch, eines vegi und das Dritte mit Fisch. Vorspeise und Hauptgang kann man frei kombinieren. Mit Mineral und Kaffee kostet der Dreigänger 38 Franken. Wer will, kann auch aus der grossen Karte wählen, die so gross nicht ist. Denn gekocht wird à la minute, also frisch. Und weil weniger auf einer Menükarte stets mehr ist, deutet dies auf Profis in der Küche hin. Christian Meckel heisst der Küchenchef, sein Souschef ist Alejandro Gueva. Beide waren vorher im Restaurant Markthalle im Viadukt. Stefan Tamo, der auch die Ziegelhütte führt, dürfte sich genervt haben, als die beiden Topshots sein Gastroimperium verliessen. Und Hiltl wohl auch. Denn Nina Wartmann, die Betriebsleiterin, hat im August 2016 vom Vegitempel zum Zürcher Frauenverein (ZFV) gewechselt. «Mich hat es gereizt, ein Restaurant von Grund auf mitzugestalten, von den Tischsets über Geschirr bis zur Deko. Zudem ist das Bellavista neben dem Rigiblick mit Vreni Giger am Herd so etwas wie ein zweites Flaggschiff des ZFV, als Teil des Campus zwar günstiger, aber dennoch nicht minder ambitioniert». Dass Nina Wartmann, eine gebürtige Frauenfelderin und gelernte Köchin, gerne Halbmarathon betreibt, merkt man: Die Frau hat Power. «Zum Ausgleich mache ich Yoga», erklärt sie, was wohl die ruhige Art erklärt, mit der sie die bisweilen nervigen Fragen des Journalisten beantwortet. Eine Premiere, wie sie sagt. «Ich habe keine Medienerfahrung, stelle aber gerade fest, dass das sehr viel Spass macht».

Das Rezept, lieber Herr Meckel!

Höwi bestellt den Pulpo-Salat und zwar bewusst als Härtetest. Denn diese mediterrane Darreichung ist meist auf der gummigen Seite. Dem ist im Bellavista nicht so. Schade nur, dass sich die zarten, hellvioletten Fangärmchen fast zu gut unter dem Berg von Cima di rapa verstecken. Den Stängelkohl – oder ist es Rucola? – hätte man gerne etwas entstapeln und dafür mehr vom italienischen Mönchsbart in den Vordergrund rücken dürfen. Ein delikates, leicht bitteres Frühlingsgemüse, das gut zu den Hartweizengriess-Gnocchini und dem Peperoncini-Zitronenöl-Dressing passt. Das Rezept, lieber Herr Meckel, möchte Höwi gerne haben! Geht das? Auch beim Hauptgang wählt Höwi à la carte. Mit den gebratenen Forellenfilets ist es allerdings so eine Sache: Die tendieren nun mal auf die trockene Seite. Ganze Forellen dagegen, an schäumender Butter oder an einer Kräutersauce serviert, wie man dies in den Restaurants am Doubs bekommt, schmecken Höwi besser. Geschmacklich aber ist die Darreichung sehr gut. Und allein schon das Zitronenrisotto ist ein Grund, um wiederzukommen. Neugierig wie immer, hat Höwi noch eine Portion Orangen-Couscous als zusätzliche Beilage bestellt. Christian Meckel scheint ein Hartweizengriess-Profi zu sein. Das ist der Hammer! Bestellt man Couscous als Hauptgang, kommt da noch viel Beigemüse dazu, wie im Ofen gebackene Karotten, Sellerie, Kohlrabi, rote Zwiebeln und Fetakäse.
Auch dieses Rezept, lieber Herr Meckel… (siehe oben).

Dessertparadies

Das Angebot ist klein, aber fein. Täglich gibt es zusätzlich auch noch frische Tageskuchen und Patisserie, die man auch als «Fünfliberdesserts» haben kann. Höwi wählt das Tiramisù, bei dem es – ausser dem nicht mehr so wahnsinnig innovativen Weckgläsli – nichts auszusetzen gibt. Zum Probieren genehmigt sich Höwi noch eine Kugel hausgemachtes Kalamansi-Sorbet: Hergestellt wird es aus der in China entstandenen Hybride aus Mandarine (Citrus reticulata) und Kumquat (Fortunella margarita) – für den Höngger «Desserttiger» eine Premiere, die rasch und mit Freuden weggelöffelt wird.

Kritik?

Muss sein, sonst wäre das ja die reinste PR. Die grösste Kritik ist: Warum steht dieses Juwel nicht MITTEN in Höngg? Oder wenigstens VORNE auf dem Hönggerberg mit Blick auf die grasenden Kühe und in die Berge. Vrenelis Gärtli, der Glärnisch, das ganze Programm. Dann bräuchte es auch das Schild «Ausfahrt» nicht mehr, das man leicht übersieht und hilflos rumkurvt wie einst Theseus durch das Labyrinth des Minos. Aber es gibt zum Glück noch den öV mit der Bushaltestelle «ETH Hönggerberg». Oder man wandert vom Bucheggplatz durch den Wald zum Bellavista, was offensichtlich etliche tun – für Kaffee und Kuchen und wohl auch wegen des «chilligen» Terrassenbereichs auf der Sonnenseite. Da fehlen eigentlich nur noch ein paar Liegestühle…

Restaurant Bellavista
Hönggerbergring 47, 8049 Zürich
Telefon 044 633 01 91
www.bellavista-ethz.ch
Montag bis Freitag, 11.15 bis 20 Uhr durchgehend offen, warme Küche bis 14.30 und wieder ab 17.30 Uhr. Samstag und Sonntag Ruhetage.

Zum Autor
Er nennt sich Höwi, ist ein stadtbekannter Gastrokritiker und Buchautor und schaut den kochlöffelschwingenden Profis im Kreis 10 in die Töpfe. Die Gastrokolumne erscheint monatlich im Höngger und alle drei Monate im Wipkinger.

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