Quartierleben
Baugenossenschaft wird zur Bäckereibetreiberin
Das Frankental ist derzeit eine Grossbaustelle: die GEWOBAG und die Baugenossenschaft Höngg sanieren oder ersetzen und erweitern ihre Siedlungen. Die GEWOBAG wird in Jahresfrist fast fertig gebaut haben und nebst neuen Häusern auch eine neue Bäckerei mit Cafeteria eröffnen.
17. April 2014 — Fredy Haffner
Das 70-jährige Herz der GEWOBAG, der gewerkschaftlichen Wohn- und Baugenossenschaft Zürich, schlägt in einem modernen Bau an der Langgrütstrasse in Albisrieden – sozusagen ihrem Stammlande –, das gezeichnet ist von Bauten aus den 1950er- und 1960er-Jahren, die nun Haus um Haus saniert und ausgebaut werden. In Höngg gehören der GEWOBAG die Siedlungen Riedhof und Frankental. Letztere präsentiert sich seit geraumer Zeit als Grossbaustelle. Ende 2015 werden die Baumaschinen fort sein und an der Konrad-Ilg-Strasse wird neues Leben einkehren. Genossenschaftspräsident Fredy Schär und Geschäftsleiter Lorenz Meng boten dem «Höngger» einen exklusiven Einblick. Doch zuerst wurde kurz in Erinnerungen an damals geschwelgt, als in den 1960ern auf der grünen Wiese die Siedlung Frankental entstand: «Es gab einen Aufruf, man solle vor dem Baustart noch Kirschen ablesen», erinnert sich Schär. Wie seinerzeit nicht nur in Höngg üblich, waren in Überbauungen dieser Grösse meistens auch noch kleine Quartierläden integriert, die heute abgesehen vom Frischmarkt Höngg an der Michelstrasse alle verschwunden sind. Wie seinerzeit dieser wurde auch der Laden an der Ecke Konrad-Ilg-Strasse/ Frankentalerstrasse vom Lebensmittelverein Zürich (LVZ) betrieben, der später im Coop aufging. «Das war einer der modernsten Läden, mit eigener, richtiger Metzgerei, deren Räume im Keller noch heute bestehen», blickt Schär zurück. Später übernahmen Denner und bald ein Denner-Satellit die Räumlichkeiten im einstöckigen Gebäude. Doch beide konnten nicht rentabel geführt werden und die GEWOBAG musste die Mietzinse dauernd nach unten anpassen, bis man eigentlich Geld drauflegte, wie Lorenz Meng festhält. Als es dann um die Zukunft der neuen Räume ging, beschloss man, diese künftig selbst zu bewirtschaften.
Die Baugenossenschaft als Bäckereibetreiberin
Zum Entschluss beigetragen hat auch, dass man neu einen Siedlungsraum für die Mieterschaft schaffen wollte, wo sich die Siedlungskommission treffen und Veranstaltungen durchführen kann. Und so entschloss man sich, diesen mit Cafeteria und Bäckerei zu einem allgemeinen Treffpunkt zu machen. Lorenz Meng und Fredy Schär bringen dazu einzigartige Erfahrungen mit: Schär baute das Behindertenwerk St. Jakob mit auf und leitete es bis vor fünf Jahren, Meng war dort für die Schreinerei verantwortlich. «Der Umsatz», so Schär, «stieg von nullauf 3,5 Millionen.» Eine Erfolgsgeschichte für sich war die Bäckerei, in der Behinderte von der Backstube bis in den Verkauf tragend mitarbeiten. «Als ich mit dieser Idee ankam, wurde ich ausgelacht», erinnert sich Schär, «doch ich liess mich nicht beirren, holte die besten Berufsleute und sagte ihnen, sie müssten die Betriebe führen, als wären es ihre eigenen.» Der Rest ist schnell erzählt: Die St.-Jakob-Backwaren sind heute stadtbekannt und die Behinderten, die in diesen Betrieben arbeiten, sind stolz auf ihr Werk. Im Frankental werden hingegen herkömmliche Arbeitsplätze geschaffen, wenn auch nicht im üblichen Profil einer Baugenossenschaft und entgegen dem allgemeinen Trend, Personal möglichst auszulagern. Die GEWOBAG geht überzeugt den entgegengesetzten Weg. Dies mit gutem Grund: «Unserem eigenen Reinigungspersonal muss alles nur einmal erklärt werden, dann funktioniert es. Für Gärtner, Maler und also bald auch für Bäcker und Serviceangestellte gilt dasselbe: Das eigene Personal fühlt sich verantwortlicher für das Ergebnis seiner Arbeit», weiss Meng aus Erfahrung. Überdies schätze die Mieterschaft die Konstanz: Reinigungsarbeiten im Treppenhaus beträfen zum Beispiel einen relativ persönlichen Bereich, da wolle man nicht dauernd neuen Leuten begegnen. Auch der gewerkschaftliche Ursprung der GEWOBAG sei verpflichtend, und so wolle man durch die eigene Anstellung sicherstellen, dass faire Löhne und Sozialleistungen entrichtet und beispielsweise auch Sprachkurse finanziert werden. Auch deshalb werden die Mitarbeitenden in Cafeteria und Bäckerei im Frankental hauseigenes, identitätsstiftendes Personal sein. Ihre Gäste werden sie ab 6.30 Uhr in einem offenen, hellen Café mit Aussen sitzplätzen empfangen. Durch eine Glasfront geöffnet wird der Raum den Blick freigeben gegen die eigentliche Siedlung hin. Dort entstehen derzeit ein Ersatzneubau und dort, wo früher bloss Parkplätze und Garagengebäude waren, zwei gänzlich neue Gebäude mit Tiefgarage. Deren Zufahrt kommt ungefähr in der Mitte der Konrad-Ilg-Strasse zu liegen: Damit wird trotz Neubauten mehr Aussenraum zwischen den Häusern geschaffen, der attraktiv und familienfreundlich gestaltet sein wird.
Backstube mit Durchblick
Im Innern des Cafés wird man direkt den Bäckern in der Backstube zuschauen können. Und es wird eine echte Backstube sein, bei der, vom Teig angefangen, alles immer frisch zubereitet wird. Und dies auch nach Bedarf, denn der Bäcker wird den ganzen Tag über anwesend sein: «Wenn wir sehen, dass uns etwas ausgeht, wird eben frisch gebacken. Und wer am Morgen etwas bestellt, kann es auf dem Nachhauseweg am Abend mitnehmen», so Schär. Ihm schwebt ein Begegnungsort für Mieter- und Nachbarschaft vor: «Es soll gemütlich sein und auch mal ein Jass geschoben werden, ohne dass man sich stets zu einer weiteren Konsumation gedrängt fühlt.» So werden auf Frühstücksgebäck und Sandwiches süsse und salzige Wähen sowie kalte Angebote wie Salate oder Wurst-Kä- se-Teller folgen, am Nachmittag Kuchen und am Abend noch frisches Fiirabigbrot. Leichte alkoholische Getränke runden das Angebot ab, inklusive GEWOBAG-Wein, der im angrenzenden, hauseigenen Rebberg gedeiht. Die Eröffnung ist auf April 2015 geplant – dann wird auch das erste der neuen Gebäude im Frankental bezugsbereit sein. Doch Meng und Schär gehen gedanklich bereits weiter: Sie können sich von der Bäckerei im Frankentalaus durchaus eine Belieferung ihrer anderen Siedlungslokale vorstellen. Dass sie innovativ denken und handeln, haben sie mehrfach bewiesen und wenn sie von der GEWOBAG sprechen oder von Klausurtagen, die sie jeweils veranstalten, dann glaubt man sofort, was Schär ausspricht: «Es macht Spass, hier Präsident zu sein.» Die Vermutung liegt nahe, dass sich diese Begeisterung auch auf Personal und Mieterschaft übertragen lässt.
Fast 25 Jahre nach dem Abbruch des Restaurants Bombach und dem Bau des Geschäftshauses, in dem heute das Restaurant Il Pantheon zuhause ist, wird das Erscheinungsbild des Frankentals wieder stark verändert: Gleich bei der Tramendstation erstellt die Bau- und Siedlungsgenossenschaft Höngg (BSH) am Schwarzenbachweg derzeit Ersatzneubauten für ihre 1951 erstellten 20 Häuser mit 95 Wohnungen. Über die kürzlich erfolgte Grundsteinlegung berichtet der nächste «Höngger».
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