«Ballett kann Hochleistungssport sein»

Das Ballett geriet in diesem Jahr landesweit in die Schlagzeilen. Schwere Vorwürfe von Schüler*innen warfen einen Schatten auf etablierte Ausbildungsstätten. Manuela Mettler, Leiterin des Höngger Ballettstudios Plüm, erklärt, warum die Freude am Tanzen dennoch gross ist.

Manuela Mettler im Saal ihres Ballettstudios Plüm in Höngg. (Foto: dad)

Selten war das Ballett so oft in den Medien wie in diesem Jahr. Nicht mit umjubelten Aufführungen, sondern mit schweren Vorwürfen von Schüler*innen. Die Rede ist von Machtmissbrauch, Demütigung und Bodyshaming. Was hinterlassen solche Anschuldigungen in der Ballettszene? Der «Höngger» hat beim hiesigen Ballettstudio Plüm nachgefragt. Die Leiterin Manuela Mettler ist sich der Brisanz der Schlagzeilen bewusst. 

«Es braucht ein Umdenken, aber das ist schon seit geraumer Zeit der Fall», so Mettler. So verfüge der «Tanzverband Danse Suisse» seit 2021 über den «Code of Conduct». Dieser definiert nicht nur die Regeln für den Tanzunterricht, sondern fördert gleichzeitig eine lernfreundliche Atmosphäre. «Es braucht offensichtlich Zeit für den Wandel, aber ich verurteile solche Missstände ausdrücklich», sagt Mettler. Sie fügt an, dass einige Ballettlehrer*innen wohl ebenfalls einen schwierigen Weg hinter sich haben, so ihre Vermutung. «Es ist eine strukturelle Geschichte, diese Leute haben Ballett auf diese schmerzhafte Weise gelernt und geben es weiter.»

Kunst und Sport

Es benötige für eine professionelle Ausbildung erfahrene und empathische Menschen, sagt Mettler. Junge Talente, die sich für den Beruf als Balletttänzer*in entscheiden, seien auch sehr verletzlich. «Die Adoleszenz ist eine wichtige Phase. Der Körper entwickelt sich, man ist sehr unsicher, beeinflussbar und dünnhäutig. Und genau in dieser Phase trainieren die jungen Menschen schon unheimlich viel», so Mettler. Dabei gelte es auch auszuhalten, sich ständig im Spiegel zu betrachten.

Wird alles auf die Karte Ballett gesetzt, dann sei das Hochleistungssport. «Wir sprechen von einer Kombination aus Kunst und Sport, das macht das Ballett so speziell. Zum einen das Training an sich, das viel Disziplin verlangt, zum anderen gehört auch das gewisse Etwas dazu, um das Publikum zu berühren», sagt Mettler. Ersteres zahle sich im Übrigen auch nach einer Ballettkarriere aus. «Auf dem Arbeitsmarkt sind ehemalige Tänzer*innen gerade wegen ihres Durchhaltewillens gefragt», weiss Mettler.

Ballett als Hobby

Im Ballettstudio Plüm bildet Mettler aktuell keine Profis aus. «Die Leidenschaft kann auch ein Hobby sein», so Mettler. Bei ihren Schüler*innen sei nur ein kleiner Teil ambitioniert, komme also zwei- bis dreimal die Woche vorbei. «Aktuell habe ich aber niemanden, der Ballett als Beruf ausüben möchte.» Dafür trifft sie als Ballettlehrerin auf viele unterschiedliche Menschen: Ihre Kurse reichen vom «Mini-Ballett» über das Ballett bis zur sechsten Klasse bis hin zum Ballett für Erwachsene.

«Ich habe Schüler*innen, die auch mit 30 oder 40 Jahren noch einsteigen, aus ganz verschiedenen Gründen», sagt Mettler. Wenn jemand motiviert sei, könne er immer vom Training profitieren und Freude haben – und diese auch ausstrahlen. «Für mich ist es wichtig, dass ich Ballett sinnvoll vermittle und keinen Druck aufbaue. Das Training ist sehr vielseitig, man ist bei sich und dem Körper, beinahe wie eine Achtsamkeitsübung», erklärt sie.

Buben sind willkommen

Die Höngger Ballettlehrerin hatte selbst nie den Wunsch, als Primaballerina durchzustarten. «Ich habe früher verschiedene Tanzarten ausprobiert, aber Ballett ist jener Tanz, der viele Bausteine anderer Tänze beinhaltet, deswegen war Ballett meine Wahl.» Im Rahmen der Ausbildung zur Ballettlehrerin musste Mettler wie eine Berufstänzerin trainieren; das vier Jahre lang. «Mir war klar, dass es nicht für die Bühne reichen wird, aber für meinen Traum, Lehrerin zu werden, war es notwendig.»

Der Traum ging an der Limmattalstrasse in Erfüllung, als Mettler das Ballettstudio Plüm übernahm. Heute wünscht sie sich nur, dass sich mehr Buben an die Stange trauen. «Das Ballett ist sehr weiblich dominiert, männliche Tänzer sieht man in den Mainstream-Medien eher selten», so Mettler. Buben mit Ballettambitionen sind daher in Höngg willkommen.

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