Auf gefährlichen Wegen durch die Nacht

Am vorletzten Montagabend trafen sich fast hundert Interessierte zur abendlichen Wasserfledermaussuche in Höngg. Die Zürcher NahReisen luden zum Ausflug «Bachöffnung und Fledermauskorridor». Was trocken klingt, war eine nächtliche Pirsch ins Jagdgebiet . . .

Hans-Peter B. Stutz mit einem Fledermausdetektor: So hörten die Interessierten die Wasserfledermäuse.
Wer hat den Anlass im Veranstaltungskalender des «Hönggers» entdeckt? Hände hoch bitte!
Franz Günter Kari zeigt auf einer alten Karte die vielen Bäche in Zürich. Assistiert wird ihm von einer Teilnehmerin des Abendspazierganges.
Eine Wasserfledermaus aus der Nähe.
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Der Höngger Hans-Peter B. Stutz, Geschäftsführer der Stiftung Fledermausschutz, und Franz Günter Kari, Leiter Bachteam Zürich, begrüssten um 20 Uhr knapp 90 Besucherinnen und Besucher jeden Alters, welche sich an der Bushaltestelle Segantinistrasse eingefunden hatten. Sie alle wollten mehr über Fledermäuse und Bäche in der Stadt erfahren. Steil ging es den Wildenweg entlang dem Bombach hinauf, um bei der Kreuzung Ruggernweg den ersten Halt einzulegen. Franz Günter Kari erklärte anhand verschiedener Karten, wie Zürich in den Jahren 1843 bis 1855 ausgesehen hat: Rund 160 Kilometer offene Bäche zogen sich wie Adern durch die Stadt. «Die Bäche galten damals leider als Störfaktor, wurden eingedolt und als Abfalllager missbraucht. Kanalisationen aus Zementrohren baute man aus stadthygienischen Überlegungen heraus erst ab dem Jahr 1860», erläuterte der Bach-Profi . Bäche seien somit aus dem Stadtbild grösstenteils verschwunden – nur Strassennamen wie Hegibachstrasse oder Bachtobelstras se erinnerten an die eingedolten Bäche.

Bäche werden seit 25 Jahren wieder «befreit»

Erst seit 25 Jahren, seit dem Start des Bachkonzeptes 1988, werden sie nach und nach wieder befreit. «Heute gibt es 109 Bäche in der Stadt mit insgesamt 108,5 Kilometern Länge. 64 Kilometer davon befinden sich im Wald, der Rest im Siedlungsgebiet. Zehn Kilometer sind zurzeit noch eingedolt, acht Kilometer werden es aus verschiedenen Gründen auch bleiben.» Der Bombach, um den es an diesem Abend im Speziellen ging, ist 1,3 Kilometer lang und überwindet auf dieser Strecke 150 Höhenmeter – vom Hönggerbergwald bis zur Werdinsel hinunter. Er ist der einzige städtische Bach, der vom Wald bis zur Limmat offen geführt wird. «In den Jahren 1990 und 1991 wurde im Bereich der Limmattalstrasse bachabwärts bis zur Limmat die harte Verbauung aufgehoben und durch eine Revitalisierung aufgewertet. Im Jahr 1997 wurde der kurze Abschnitt vom Ruggernweg bis zur Regensdorferstrasse offengelegt, der heute als ökologisch sehr wertvoll bewertet werden kann», informierte Franz Günter Kari abschliessend.

Wasserfledermaus «knattert wie ein altes Auto»

Der zweite Teil des Abends gehörte den Fledermäusen – und zwar nur den Wasserfledermäusen. «Das war jetzt eine Zwergfledermaus, die wir sahen, aber um sie geht es heute nicht», so Hans-Peter B. Stutz zum Winzling, der dank Detektorgerät zuerst hör- und dann sichtbar war. Der Detektor setzt die Ultraschallgeräusche der Fledermäuse in den hörbaren Bereich um – so klangen die Laute der Wasserfledermaus, die im Verlauf des Abends mehrmals zu sehen und zu hören war, wie ein Knattern – oder in den Worten einer Besucherin: «Wie ein altes Auto aus den Zwanzigerjahren ». Während eines Forschungsprojektes wurden zehn Wasserfledermäuse mit feinen Puppenhaarnetzen gefangen und mit Sendern bestückt – so konnte man die kleinen Säugetiere orten. «Die Sender waren mit Medizinalkleber auf dem Rücken der Tiere festgeklebt, der sich spätestens nach einem Monat wieder gelöst hat. Die Sender waren mit 0,48 Gramm so leicht, dass sie die 10 bis 12 Gramm leichten Tiere nicht gestört haben. Von total acht Tieren konnten wir die Daten auswerten, zwei Sender sind sehr schnell ausgefallen», erklärte Hans-Peter B. Stutz.

Limmatkanal perfekt, um Insekten zu jagen

Während Männchen Einzelgänger seien, täten sich die Weibchen in Gruppen zusammen: «Wir fanden etwa 100 Wasserfledermäuse in einer alten Baumhöhle im Hönggerbergwald », freute sich der Fledermausfreund. Deshalb seien Verstecke in Totholz und alten Bäumen, Mauerspalten und unterirdischen Hohlräumen auch so wichtig, denn nur sie bieten Schutz vor Witterung und Feinden. «Man kann mithelfen, in dem man Fledermauskästen an den Hauswänden oder auch im Wald aufhängt, sie werden oft gerne angenommen », rief der Fledermausprofi zum Aktiv-Werden auf. Die kleinen Flieger können übrigens 12 bis 18 Jahre alt werden. Beim Projekt fanden die Forschenden heraus, dass es eine Wasserfledermaus-Kolonie in Höngg gibt, die regelmässig den Bombach entlangfliegt, um im Limmatkanal zu jagen. «Das Wasser dort ist meist ruhig, und genau dies brauchen die Fledermäuse, um erfolgreich zu jagen.» Sie breiten dafür ihre Schwanzflughaut und ihre grossen Füsse aus und bilden daraus einen Kescher, um Insekten, Fliegen, Larven und Mücken von der Wasseroberfläche abzuschöpfen. Ihr Körper ist nur fünf Zentimeter lang, und pro Nacht müssen sie mindestens 2000 Insekten fangen, um sich ernähren zu können. Der Weg vom Wald zum Limmatkanal ist nicht ungefährlich: Da sich Fledermäuse mittels Ultraschallrufen orientieren – sie hören auf ihr Echo, und wissen so, wenn ein Hindernis im Weg ist –, sind sie auf «Wegweiser» angewiesen. Büsche und Bäume sollten eine zusammenhängende Linie bilden. Da ist der Flug über die Regensdorferstrasse ein Kraftakt: Sie ist viel zu hell beleuchtet, und keinerlei Grün bildet einen Wegweiser. Oft fliegen Fledermäuse dann tief und könnten gar mit einem Auto kollidieren. «Eine solche grüne Leitlinie kann man mit wenig Aufwand errichten – sie muss nicht einmal viel kosten», wandte sich Hans-Peter B. Stutz an das Publikum. Probleme seien nebst fehlenden Bäumen und hohen Büschen die Lichtverschmutzung, die immer stärker werde: «Die Natur kommt bestens ohne künstliches Licht aus.»

Harte Arbeit von 21 bis 5.30 Uhr

Die Fledermäuse geben ihren Weg auch dem Nachwuchs weiter: Von Generation zu Generation wird der beste Weg zum Wasser gezeigt. Geflogen wird relativ langsam, zurückgelegt werden je nach Jagdgebiet bis zu 4,3 Kilometer pro Nacht – so etwa zum Hardeggsteg. Die ganze Nacht wird gejagt: Von etwa 21 bis 5.30 Uhr ist somit harte Arbeit angesagt. Gibt es dann noch Jungtiere zu säugen – eines pro Mutter —, so fliegen die Mütter einmal in der Nacht in ihre Baumhöhle zurück, um dem Nachwuchs zu trinken zu geben, und gehen danach wieder jagen. «Diese Phase ist die anstrengendste für die weiblichen Fledermäuse. Sie ist sehr kräftezehrend, genau so wie die Trächtigkeit im Juni.» Damit noch viele Fledermäuse ihren Kindern den Weg zum Essen zeigen können, ist die Hilfe der Menschen nötig – viel braucht es nicht, aber der Wille muss da sein. Wer den Wasserfledermäusen am Schluss des Nachtspazierganges beim Jagen auf dem Limmatkanal zuschauen konnte, für den war das sonnenklar.

Weitere Infos:
www.stiftungfledermausschutz.ch