Quartierleben
Auf Beck Baur folgt Marinello
Selten hat die Schliessung eines Traditionsbetriebs in Höngg so viel zu reden gegeben. Gerüchte, Halb- und Unwahrheiten machten die Runde im «Dorf». Doch seit dem 19. Dezember liegen die Fakten auf dem Tisch.
9. Januar 2014 — Fredy Haffner
Am 24. Dezember schloss nach 37 Jahren die Bäckerei Baur am Meierhofplatz ihre Tore. Grundsätzlich bleibt Höngg im Backwarenbereich gut versorgt, doch die letzte echte Backstube ging verloren. Der «Höngger» hätte gerne im Vorfeld darüber berichtet, ist es doch nicht ganz unerheblich, was mit dem Lokal in der städtischen Liegenschaft weiter geschieht. Leider verweigerte Bäcker Paul Baur dem «Höngger» die Zusammenarbeit für einen Artikel, der auch sein Schaffen gewürdigt hätte. Mit der Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich, wo seit geraumer Zeit mit möglichen Nachmietern verhandelt wurde, stand der «Höngger» jedoch seit Anfang November in Kontakt. Die Zeitung «Zürich Nord», Ausgabe vom 12. Dezember, zitierte Bäcker Baur hinsichtlich eines möglichen Nachfolgers mit «Ein Interessent hat sich gemeldet. Er wollte mir sogar meine Maschinen abkaufen, was mir als Glücksfall erschien. Doch die Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich machte mir einen Strich durch die Rechnung. Der Interessent bekam Auflagen, die eine Investition von mehreren hunderttausend Franken mit sich gebracht hätte», was diesem zu viel gewesen sei. Deshalb sei es nun möglich, dass er, der nunmehr pensionierte Bäcker, «innerhalb kurzer Zeit meine Einrichtung verschenken und die Lokalitäten in den Originalzustand zurückbauen muss. Das wäre finanziell aufwendig für mich», wie es im Artikel weiter hiess.
Auflagen verzögerten die Verhandlungen
Das ist nicht ganz korrekt, wie Recherchen des «Hönggers» zeigten. Arno Roggo, Direktor der städtischen Liegenschaftenverwaltung berichtigt: «Die Berichterstattung ist insofern falsch, als es sich nicht um eine Auflage der Liegenschaftenverwaltung, sondern um eine des Umwelt- und Gesundheitsschutzes Zürich (UGZ) handelt.» Es geht darum, dass bei einem Mieterwechsel die veraltete Infrastruktur zwingendermassen den aktuellen Vorschriften angepasst werden muss. Und die Stadt Zürich kann bei eigenen Lokalitäten nicht Ausnahmen machen zu Vorschriften, welche sie bei jedem privaten Hausbesitzer genauestens kontrolliert und durchsetzt. «Insbesondere», so Roggo, «muss, wenn in dem Lokal weiterhin eine Backstube oder etwas Ähnliches betrieben werden soll, eine neue Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung erstellt werden. Da es sich beim Gebäude um ein denkmalgeschütztes Objekt handelt, nehmen die notwendigen Abklärungen einige Zeit in Anspruch. Ausserdem soll noch eine kostengünstigere Lösung gefunden werden.» Dies sei auch der Grund gewesen, warum ein grundsätzlich in Betracht kommender Interessent aus dem Rennen fi el: Er war, was auch eine andere Quelle des «Hönggers» bestätigte, auf einen umgehenden Entscheid angewiesen, da er andere Mietangebote hatte. Deshalb konnte er die nötigen baulichen Abklärungen nicht abwarten und zog sich zurück. Zu den von Bäcker Baur angesprochenen Rückbauten schrieb Roggo am 18. Dezember: «Der grosse Ofen gehört zur Liegenschaft und somit der Stadt. Was tatsächlich vom bisherigen Mieter beseitigt werden muss, und was der neue Mieter übernimmt, werden die laufenden Verhandlungen zeigen.»
Am 13. Januar eröffnet Marinello
Drei Interessenten hatten sich gemäss Arno Roggo auf das Inserat im «Tagblatt» hin gemeldet. Der Erste sagte aus genannten Gründen ab und einem weiteren habe der notwendige berufliche Hintergrund gefehlt. Der Dritte im Rennen war, wie in Höngg schon länger zu hören war, aber mit Rücksicht auf die laufenden Verhandlungen von offizieller Seite nie bestätigt wurde, die stadtbekannte Marinello AG. In der Woche vor Weihnachten fand dann das letzte Treffen in der Bäckerei Baur statt und man wurde sich handelseinig: Die Marinello AG übernimmt Paul Baurs Laden und eröffnet ihn neu am Montag, 13. Januar. «Wir übernehmen das meiste der vorhandenen Infrastruktur, Paul Baur muss nichts zurückbauen», liess Geschäftsführer Luciano Marinello den «Höngger» telefonisch wissen, «am 13. Januar eröffnen wir mit einem Angebot an Backwaren, Sandwiches, Mittagsmenüs und Ähnlichem unsere siebte Filiale.» Auch Milch- und Käseprodukte des Labels «natürli us de Region Zürcher Berggebiet» wolle man auf der zumindest vorerst beschränkten Verkaufsfläche anbieten. Früchte und Gemüse seien derzeit hingegen nicht geplant, dies auch aus Rücksicht auf den samstäglichen Marktstand vor Ort. «Wir wollen in Höngg, wo übrigens meine Mutter aufgewachsen ist, etwas machen, das lebt», so Marinello weiter, «etwas, das sich laufend entwickeln darf und soll.» Die hörbare Vorsicht hat auch damit zu tun, dass der Laden im Moment nur als Provisorium eröffnet werden kann, denn wie gesagt müssen für einen Vollbetrieb mit Produktion vor Ort, was Marinello anstrebt, diverse Umbauten vorgenommen werden. Doch Luciano Marinello windet der Stadt ein Kränzchen: «Die Auflagen des Denkmalschutzes und vor allem des UGZ ziehen Kosten nach sich, die sich ein KMU-Betrieb nicht leisten kann. Dies hat nun auch die Stadt gemerkt und sie sucht intensiv nach möglichen Lösungen, auch in finanzieller Hinsicht.» Wie KMU-freundlich das Ergebnis der städtischen Bemühungen sein wird, dürfte ein Politikum sein, doch dass die Thematik nun genauer betrachtet wird, ist bereits ein sehr gutes Zeichen.
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