Gewerbe
Auch am Puls des Design Preis Schweiz
Wo einst das Restaurant Rebstock war, ist seit zwei Jahren – «sinnigerweise», ist man versucht zu sagen – eine Herzpraxis einquartiert. Für diese schlugen sogar die Herzen der Nominatoren des Design Preis Schweiz 2017.
10. Januar 2018 — Fredy Haffner
Vor ziemlich genau zwei Jahren eröffnete die Kardiologin Dr. med. Rubina Syed im ehemaligen Restaurant Rebstock die Herzpraxis Zürich-Höngg. Wo früher also mit Essen, Trinken und Rauchen zwar allerlei genossen, doch dem Herzen damit potentiell geschadet wurde, wird dieses heute therapiert. Darauf angesprochen lacht Rubina Syed herzhaft: «Ja, wir hören manchmal noch Sätze wie ˂hier habe ich auch schon mal ein Bier getrunken˃, dann antworte ich schmunzelnd, dass es hier leider kein Bier mehr gebe, aber Kaffee offeriere ich gerne». Dr. Syed ist in Zofingen aufgewachsen und studierte in Basel Medizin. Von 1999 bis 2001 arbeitete sie auf der inneren Medizin im Stadtspital Waid, nach dem Facharzttitel für Innere Medizin spezialisierte sie sich, mehrheitlich im Stadtspital Triemli, auf dem Fachgebiet der Kardiologie und war unter anderem Oberärztin am Kantonsspital Winterthur und im Spital Uster. Die Mutter von zwei Kindern, die mit ihrem Partner in Kilchberg wohnt und oft mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, sagt, sie habe eigentlich eher vorgehabt, eines Tages eine bestehende Praxis zu übernehmen. Doch dann hörte sie über ihre Höngger Kontakte von der Schliessung des «Rebstocks» und dass kein Restaurant mehr einziehen werde. Also dachte sie sich, dass zu den im Haus bereits bestehenden medizinischen Angeboten eine Herzpraxis gut passen würde und entschloss sich, ihren Wunsch nach Selbstständigkeit zu realisieren, obwohl so ein Grossprojekt, wie es letztlich eines wurde, gar nicht vorgesehen war.
Von der Beiz zur Praxis
Wie aber wird aus einem Quartierrestaurant eine Arztpraxis? Über die richtigen Architekten. Diese fand Dr. Syed im Schaffhauser Büro Dost Architektur GmbH, die auch schon die HerzKlinik Hirslanden umgebaut hatten. Dort war ihr eine unkonventionelle Begrünung von Stellwänden aufgefallen und so fragte sie das Büro kurz entschlossen an, ob sie auch «einen kleineren Auftrag» annehmen würden. Die Zusammenarbeit war offensichtlich für beide Seiten spannend. Die Bauherrin hatte klare Vorstellungen, aus anderen Praxen speziell auch davon, was sie explizit nicht wollte – was wiederum für Innenarchitekt Julian Tschanen eine Herausforderung war: «Rubina Syed hatte eine Vision, war aber offen für Ideen und so konnte man zusammen Neues wagen».
Als würde sie dem berühmten Designer-Leitspruch «Form follows function» folgen, stand für die Ärztin der Ablauf des Praxisalltags im Zentrum der Raumaufteilung und -gestaltung. Sie wollte die Praxis so organisiert haben, dass sich ein automatischer Ablauf ergibt. Ähnlich dem Kreislauf eines Herzens, könnte man sagen: organisch unterteilt in Kammern – alias Wartebereiche und Behandlungszimmer – und umgeben von Herzkreislaufgefässen – alias Verbindungswegen. So geht es heute nach dem Empfang je nach Bedarf zur Voruntersuchung ins Labor oder direkt in einen der beiden Wartebereiche, wo man in eines der entsprechenden Behandlungszimmer abgeholt wird. Erst dort nimmt dann das klinische Weiss den Platz des zuvor dominierenden Korks ein. Die Raumführung ist so gestaltet, dass man in aller Ruhe nur den richtigen Weg gehen kann – und am Ziel sogar fast automatisch den richtigen Platz wählt, denn in den einzelnen, hellen Behandlungszimmern sind die Patientenstühle die einzigen Farbtupfer und laden automatisch zum Platz nehmen ein.
«Kork? Oh nein…»
Eine für die Patienten stressfreie Atmosphäre ist gerade bei einer Herzpraxis zentral, schliesslich will niemand den Puls unnötig in die Höhe treiben. «Ich will, dass man sich wohl fühlt bei uns», sagt Syed, «alles sollte Wärme und Geborgenheit ausstrahlen». Dabei kam der Wahl der Oberflächenmaterialien zentrale Bedeutung zu. Innenarchitekt Tschanen hatte zuerst etwas mit Ton vorgeschlagen, doch damit konnte sich die Bauherrin nicht anfreunden. Auch mit Kork zuerst nicht, das letztlich gewählte, sich positiv auf die Akustik wirkende und geruchsneutralisierende Material. Das habe sie zu sehr an ihre Kindheit in einer Zeit erinnert, in der dieses Naturmaterial als ökologisches Statement omnipräsent war, sagt Syed: «Ich dachte ˂oh nein…˃, doch dann sah ich Muster und dachte ˂ok, wenn es schief kommt, kann man es immer noch überstreichen˃», was sie sich auch von den Architekten versichern liess. Julian Tschanen habe ihr erst im Nachhinein erzählt, dass er genau gewusst hätte, dass sie diese Wände nie und nimmer überstreichen würde, schmunzelt die Ärztin rückblickend. So entstanden diese Räume, die eine fast sakrale Ruhe ausstrahlen, obwohl sie so nahe am Puls des Lebens sind. Ein vorgegebener Kreislauf, der ganz ohne Beschilderung auskommt. Diskret verborgene Abkürzungen gibt es nur für die Mitarbeiterinnen: Wer nicht weiss, dass da kein Schrank, sondern eine weitere Türe verborgen ist, gelangt nicht versehentlich in die Personalräume. Im Untergeschoss des ehemaligen Restaurants sind die Personaltoiletten und die Technikräume untergebracht. Der Serverraum, sozusagen das digitale Herz der Praxis, befindet sich im ehemaligen Herren-WC.
Design Preis Schweiz, eine Ehrung an sich
Mit der fertigen Herzpraxis bewarben sich die Architekten schliesslich um den Design Preis Schweiz und wurden auch prompt nominiert, was in der Szene bereits einer Auszeichnung gleichkommt. Mit dem Design Preis, einer Schwesterplattform des bekannten «Designers› Saturday» des Design Centers Langenthal, werden seit 1991 von einer international besetzten Jury Höchstleistungen in allen wirtschaftsrelevanten Design-Disziplinen ausgezeichnet. Die Nominatoren 2017 beurteilten die Herzpraxis Zürich-Höngg als ein «hervorragendes Low-Budget-Projekt mit innovativem Konzept. Das reduzierte Design strahlt Ruhe und Sicherheit aus. Die räumliche Struktur der Praxis erscheint intuitiv verständlich und funktional. Die Verwendung von Kork überzeugt angesichts der vielfältigen positiven Eigenschaften des Materials». Am 3. November 2017 fand in Langenthal die Preisvergabe statt. Mit dabei auch das ganze Herzpraxis-Team, das mit den Architekten mitfieberte. Zum Sieg reichte es letztlich leider nicht, aber unter die ersten drei – wer Zweiter oder Dritter wurde, wird nicht bekanntgegeben, sondern nur der Sieger. Es war dies in dieser Kategorie das Museum of Digital Art (MuDA) in Zürich mit «slow screen», einer innovativen kinetischen Installation, welche den Lichteinfall ins Museum regelt und gleichzeitig als sinnliches Kommunikationselement gegen Aussen hin dient.
Herzpraxis Zürich-Höngg
Limmattalstrasse 177
8049 Zürich
Telefon 044 525 09 09
Mail: info@herzpraxishoengg.ch
www.herzpraxishoengg.ch
Montag bis Freitag, 8 bis 12 und 13 bis 17 Uhr, Mittwochnachmittag geschlossen.
Das Behandlungsangebot der Herzpraxis umfasst ein breites Spektrum an medizinischen Dienstleistungen wie die Behandlung des Bluthochdruckes, Ruhe-, Belastungs- oder Langzeit-EKG, Transthorakale Echokardiographie, 24-Stunden-Blutdruckmessung und Herzschrittmacherkontrolle. Die Kontrollen nach Herzoperationen, Kathetereingriffen und Schrittmacherimplantationen erfolgen in enger Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten.
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