Quartierleben
«Am Ende sollen alle zufrieden sein»
Mit 26 Jahren hat Maya Schaub das Malergeschäft ihres Vaters übernommen. Ihre grosse Leidenschaft, das Reiten, hat sie gut auf die Herausforderungen einer Geschäftsführerin vorbereitet.
31. Mai 2017 — Patricia Senn
Es ist ein schöner Frühlingstag, auf der Dachterrasse des Hauses, indem sich das David Schaub Malergeschäft befindet, ist es sogar sommerlich heiss. Maya Schaub ist vorausgeklettert, sitzt nun vor einem Glas Wasser und lächelt erwartungsvoll. Ob sie schon immer Malerin werden wollte? Sie habe auch in andere Berufe hineingeschnuppert, dachte erst, vielleicht etwas mit Pferden. Dann stellte sie fest, dass es im beruflichen Kontext einen Erfolgsdruck gibt, den man auf die Tiere übertragen muss. Das war nicht ihre Vorstellung von einem guten Umgang mit diesen Wesen. Also suchte sie weiter und schnupperte unter anderem auch in einem Malereibetrieb, der nur Frauen angestellt hatte. Das gefiel ihr und schliesslich absolvierte sie dort auch ihre Lehre. Anfang der Neunziger war so ein reiner Frauenbetrieb in der Handwerkerbranche exotisch, auch in der Berufsschule waren es gerade mal drei Frauen, «das ist heute anders, jetzt ist es in etwa ausgeglichen, was die Geschlechter angeht». Obwohl sie damals in der Minderheit war, fühlte sie sich immer gut akzeptiert von ihren Berufskollegen. «Klar muss man auch schlagfertig sein und darf sich nicht einschüchtern lassen. Frauen müssen immer beweisen, dass sie mindestens so gut sind wie die Männer. Das zeigt sich dann meistens in den Abschlussprüfungen, wenn sie die Bestnoten holen», meint Maya und lacht ihr herzliches Lachen. Vielleicht läge es auch daran, dass eine Frau damals diesen Beruf nur gewählt habe, wenn sie ein wirkliches Interesse daran hatte, «und wenn man etwas mit Leidenschaft macht, dann macht man es üblicherweise auch gut». Man dürfe sich nie zu schade sein, um Hilfe zu bitten, wen man sie brauche, das gelte aber für beide Seiten. Nach der Ausbildung zog es sie in den Familienbetrieb, keiner glaubt ihr, dass sie damals noch nicht daran dachte, das Geschäft irgendwann zu übernehmen, «aber in diesem Alter machte ich mir noch keine Gedanken darüber, das kam erst später», erklärt die junge Frau. An ihrem Beruf mag sie die grosse Selbständigkeit, dass man jeden Tag an einem anderen Ort, und selber dafür verantwortlich ist, dass alles rund läuft. «Wir können unsere Kreativität ausleben und Dinge verschönern», sagt sie, «und am Ende des Tages sieht man, was man gemacht hat».
Meistens liegt der Fehler bei einem selbst
Anfang 2002 war es schliesslich soweit: Zusammen mit dem langjährigen Mitarbeiter Andreas Neumann nahm sie die Leitung des Malergeschäfts, das bereits ihrem Grossvater gehört hatte, in die Hand. «Eigentlich ist es schon die 4. Generation, mein Urgrossvater war Restaurator für Kirchen und Vergoldungen», erzählt Maya Schaub stolz. Nach Weiterbildungen in der Betriebswirtschaft sei es am Anfang vor allem «Learning by doing» gewesen, so einen Kleinbetrieb zu führen. Aber auch die Einsichten, die sie in der klassischen Reitkunst gewonnen hat, kann sie als Chefin einsetzen. «Einerseits braucht es viel Einfühlungsvermögen, andererseits muss man bestimmt und konsequent sein, was nicht mit Härte zu verwechseln ist. Ausserdem frage ich mich immer erst: Habe ich jetzt nicht klar kommuniziert, oder liegt es wirklich am Gegenüber? Meistens liegt es dann an einem selber. Ich denke, eine solche Reflexion macht einen guten Chef auch aus». So lässt sich wohl auch erklären, wieso Pferdecoaching für Führungskräfte im Trend ist. Der Unterschied der klassischen Reitschule zu anderen Schulen ist, dass man das Pferd gezielt dort fördert, wo sein Talent ist. Diese Philosophie überträgt sie auch auf ihre Art des Geschäftführens. Sie sieht die Stärken ihrer Mitarbeiter und versucht diese hervorzuheben, anstatt sich auf die Schwächen zu konzentrieren.
Leidenschaftliches Energiebündel
Auf dem Tisch liegt ein dickes Fotoalbum, auf dem Titelbild prangt ein schwarzes Friesenpferd: Ysabella, ihre Seelenverwandte. «26 Lenze zählt die Dame heute», erzählt Maya und fügt hinzu «im Schnitt werden diese Tiere 20 Jahre alt». Sie schaut gut zu ihr, trainiert sie auch als Pensionärin noch regelmässig, damit die Muskulatur geschmeidig bleibt, denn der Spruch «wer rostet, der rastet», gilt auch für Pferde. Reiten wollte Maya schon immer, doch bis sie zwölf war, erlaubten es ihre Eltern nicht, also probierte sie alle möglichen Sportarten aus, «aber es hat mich nichts richtig gepackt, ich wollte einfach immer nur Reiten». Ein zeitintensives Hobby: Abends nach der Schule oder der Arbeit eilte sie aufs Land zu ihrem Pferd, oder stand morgens um fünf Uhr auf, um nach Kaiseraugst zu fahren, um das Quadrillen Training zu absolvieren. Mit ihrer Ysabella, die sie als abgemagertes Pferdchen kennengelernt hatte und die ihr sofort anhänglich nachgelaufen war, sodass sie sie einfach mitnehmen musste, besuchte sie bald Messen wie die BEA in Bern und die OFFA in St. Gallen, nahm an Abendgalas teil und führte sogar eigene Pferdemusicals auf, die sie mit einer guten Freundin zusammen geschrieben hatte. Rauchmaschinen, Schwarzlicht und laute Musik liessen die stolzen Friesen ziemlich kalt. Geübt werden musste trotzdem viel. Einen besonderen Erfolg konnten Schaub und Ysabella 2003 verzeichnen: Mit ihrer Gruppe stellten sie mit 32 Friesenpferde die grösste Quadrille der Welt und erhielten dafür einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde (Quadrille reiten bezeichnet das koordinierte Reiten von verschiedenen Hufschlagfiguren mit einer Gruppe von Reitern). Im Fotoalbum gibt es Bilder von Schaub in barocken Kleidern im Damensattel. Natürlich kam sie auch zu ihrer eigenen Hochzeit hoch zu Ross, Reiterfreundinnen und -freunde standen vor der Lazariterkirche in Dübendorf Spalier. Mittlerweile ist die Friesendame pensioniert und lebt in einem Pferdeparadies mit täglichem Weidegang und guter Haltung 40 Minuten von Höngg entfernt. Schaubs jahrelange Erfahrung im Umgang mit diesen grossen Tieren, hat sie gelehrt, gegen aussen ruhig zu bleiben, auch wenn sie innerlich nervös ist. Und wenn doch einmal etwas schiefgeht? «Überall, wo gearbeitet wird, passieren Fehler. Wichtig ist, wie man damit umgeht», erklärt Schaub. «Das war schon die Philosophie meines Vaters. Er hat immer sehr auf seine Mitmenschen geachtet. Er war ein grosses Vorbild für mich, diese Menschlichkeit hat er wohl von seinem eigenen Vater mitbekommen». Manchmal wäre sie vielleicht gerne etwas mehr «taffe Geschäftsfrau», aber es entspricht ihr einfach nicht. «Für mich müssen am Ende alle zufrieden sein», meint sie und lacht.
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