Alterserscheinungen

Unsere Redaktorin Dagmar Schräder schreibt über die grossen und kleinen Dinge des Lebens. Heute darüber, welche Überwindung es benötigt, das Fitnessstudio zu besuchen.

Dagmar Schräder liebt es zu schreiben. (Foto: Jina Vracko)

Ja, gut, ich gestehe, ich gehöre auch zu den Mittvierzigern. Das ist eigentlich nicht weiter schlimm, aber irgendwie wird man/frau so langsam an die eigene Vergänglichkeit erinnert. Noch sehr dezent, aber dennoch klopft die Endlichkeit auch bei mir an. Plötzlich geht nicht mehr ganz alles so reibungslos wie zuvor. Zum Lesen muss auch ich den Arm mit dem Buch immer weiter ausstrecken, im Knie knackt’s dann und wann. Materialverschleiss halt. Wäre das Leben ein Fussballspiel, die erste Halbzeit wäre mittlerweile rum. Vielleicht gibt’s nach der zweiten Hälfte noch eine Verlängerung, vielleicht aber auch mitten im Spielverlauf eine rote Karte, man weiss es nicht.

Sei’s drum, um mich für die zweite Halbzeit etwas aufzuwärmen, tue ich jetzt also etwas für mich und meinen Körper und gehe ins Fitnessstudio. Das ist der Ort, von dem ich früher immer gesagt habe, dass ich nie dorthin gehen werde. Weil es so unglaublich albern ist, auf einem Laufband zu rennen, zum Fenster rauszuschauen und draussen die Menschen zu sehen, die «richtig» joggen. Oder auf dem «Treppenstufensimulator» so zu tun, als ob man in einem Hochhaus ohne Aufzug wohnt und in den 12. Stock steigen muss. Lustig ist auch der «Crosstrainer», auf dem Arme und Beine gleichzeitig bewegt werden. Sieht ein bisschen aus wie joggen und tanzen gleichzeitig, wenn man den richtigen Rhythmus findet. Wenn nicht – so wie ich meistens – wirkt es eher wie ein betrunkener Kugelfisch auf Nahrungssuche.

Macht nichts, ich muss da durch. Auch wenn ich den Altersdurchschnitt im Studio deutlich anhebe. Und auch wenn niemand nach zwei Kilometern joggen so abgekämpft und verschwitzt aussieht wie ich. Keine Ahnung, wie die anderen das machen, dass sie immer frisch aussehen. Und modisch noch dazu in ihren hautengen Leggins und Sportshirts.

Erstaunlicherweise, ich muss es zugeben, fängt es nach den ersten drei, vier Wochen Training tatsächlich an, Spass zu machen. Weil ich merke, dass ich langsam mehr als 100 Meter am Stück joggen kann, ohne aus der Puste zu sein. Weil es vielleicht ein bisschen länger dauert, bis ich einen roten Kopf bekomme. Und – was der unschlagbare Vorteil des Laufbands gegenüber dem Joggen ist – es zählt nicht nur die Geschwindigkeit, die zurücklegte Distanz und die Zeit, die man sich schon abquält, man kann auch den Kalorien beim Purzeln zugucken. Und das macht irgendwie Spass. Und was die anderen denken, wenn sie mich bei meinem Kampf mit den Geräten sehen, ist mir mittlerweile ganz egal. Ist wahrscheinlich auch eine Alterserscheinung.

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