Schwarzwäldertorte für den Meistertitel 1949

In Höngg trifft man immer wieder auf spezielle Leute. Zum Beispiel auf Heinz Hinterkircher, der 1949 als 26-Jähriger mit dem ZSC Schweizer Meister wurde. Der ehemalige National- Eishockeyspieler lebt heute in Höngg und verfolgt das Geschehen auf dem Eis immer noch voller Interesse.

Heinz Hinterkircher mit einem ZSC-Zinnteller, dem Bericht über den Gewinn der Meisterschaft und einem ZSC-Fingerring – Erinnerungsstücke an früher, die unvergessen sind.
Heinz Hinterkircher in jungen Jahren auf dem Eis in Action.
Die erfolgreiche ZSC-Mannschaft nach ihrem Schweizer-Meisterschafts-Sieg in Davos 1949.
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Begegnet man dem kürzlich 90-jährig gewordenen Ex-Eishockeyspieler, so ist man überrascht: Während heutige «Eishockeyaner» meist richtige Zwei-Meter-Hünen sind, ist der fitte Senior eher klein und feingliedrig. «Heute hätte ich mit meiner Statur keine Chance mehr, aber früher waren Zwei-Meter-Jungs die Ausnahme. Mein Plus war eben, dass ich den Spielverlauf sozusagen lesen konnte und als Stürmer, später als Verteidiger, den Zweikämpfen möglichst aus dem Weg ging.» Eine gute Strategie, die ihn durch seine ganze Spielerzeit beim ZSC, dem Zürcher Schlittschuh Club (heute ZSC Lions), den es bereits seit 83 Jahren gibt, begleitete. Heinz Hinterkircher wuchs als Karl Heinrich Hinterkircher mitten in Zürich bei der Sihlbrücke auf und spielte schon mit 13 Jahren Eishockey. «Mit 16 Jahren war ich bereits in der ZSC-Jungmannschaft im Davoser Trainingslager, denn ich wurde auf der Dolder-Eisbahn beim ‹Chneble› beobachtet und von den ZSC-Trainern angesprochen», erinnert er sich. Der Zufall wollte es, dass zur Trainingslagerzeit genau der Spengler- Cup von 1939 stattfand. Ein Spieler der 1. Mannschaft war krank, und Teenager Hinterkircher wurde angefragt, ob er ihn ersetzen wolle. Dies tat er natürlich «no so gärn». «So begann meine 1. Mannschaft-Karriere, welche bis zu meinem 34. Altersjahr dauerte – im Vergleich zu heute war alles aber ganz anders!»

Schwere Ausrüstung, kein Helm

Nicht nur hatte eine Mannschaft bloss neun Spieler – heute sind es über 20 –, auch die Ausrüstung war anders: Helme hatte man zu Beginn seiner Karriere noch keine, die Kleidung war teilweise mit Metallstäben gepolstert, da es noch keinen Kunststoff gab, und wog dadurch etwa drei Kilo. Hans Bänninger, der Goalie seiner Mannschaft, hatte in seiner Karriere über 30 schwere Gesichtsverletzungen durch fliegende Pucks, doch wollte dieser das Spielen trotzdem nicht aufgeben. Heinz Hinterkircher hatte «zum Glück nur kleinere Gesichtsverletzungen», dafür wie alle Spieler oft Zerrungen. In der Saison, die von November bis März dauerte, war man oft in Davos. Damals gab es noch kein gedecktes Stadion, und das Eis war Natureis. «Es wurde bei Schneefall alle zehn Minuten gereinigt, und wenn im März die Sonne in Zürich stark schien, begannen die Spiele im Dolder nicht selten mit bis zu zwei Stunden Verspätung.» Die Zuschauer hätten das stoisch hingenommen und gewartet. Nach der Arbeit abends ins Training «Alle meine Mannschaftskollegen waren berufstätig, ich studierte Ökonomie an der Universität Zürich. Das heisst, dass die 1. Mannschaft aus Amateuren bestand. Heute ist dies gar nicht mehr vorstellbar.» In den Semesterferien arbeitete der Student im kaufmännischen Bereich, so etwa bei der Firma Escher Wyss im Werkstattbüro oder bei Jelmoli in der Versandabteilung. «Dort war ich für den ‹Artikel des Monats› zuständig, verschickte Bestellflyer an die Kundschaft und musste Statistiken erstellen, wie oft er bestellt wurde.» Später arbeitete er bei Finanzinstituten und bis zur Pensionierung mit 71 Jahren in der Gruppe des Schweizerischen Bankvereins, wo er, als eine seiner letzten beruflichen Aufgaben, für die Einführung der Visa-Kreditkarte in der Schweiz zuständig war. Zwei- bis dreimal pro Woche wurde im Winter abends nach der Arbeit trainiert, und um die 20 Rappen für das Tram zu sparen, liefen manche Spieler mit der ganzen Hockeyausrüstung von der Dolder-Eisbahn nach Hause. Pro Saison fanden etwa 20 Spiele statt. «Während einem Kriegsjahr waren es nur acht Spiele, auch durften keine ausländischen Mannschaften in die Schweiz einreisen.» Teilweise seien Spielerkollegen auch im Aktivdienst gewesen und hätten für die Spiele auf Anfrage frei erhalten. Obwohl Heinz Hinterkircher und seine Spielerkollegen bekannt waren, seien sie keine Stars gewesen: «Man erhielt höchst selten einen Fanbrief, und nach einem Spiel am Sonntag gingen wir am Montag wieder arbeiten », so der studierte Ökonom, der seinen Doktortitel in den Programmheften nie sehen wollte und dies auch erfolgreich verhinderte.

Reisen war ein Privileg

Während Spitzen-Profisportler heute einen Haufen Geld erhalten, bekamen die Eishockeyaner der Nationalmannschaft in den Vierzigerjahren pro Länderspiel ein Taggeld von 20 Franken, ein B-Länderspiel gab zehn Franken. «Für eine gute Saison erhielten wir vom ZSC jeweils einen Zinnteller, zum Gewinn der Schweizer Meisterschaft 1949 gegen den Hockey Club Davos gab es einen goldenen Ring und ein Stück Schwarzwäldertorte. » Ein Privileg, das damals nur wenigen Leuten vorbehalten gewesen war, war zum Beispiel das Reisen. Die Nationalmannschaft war europaweit unterwegs und flog 1947 an die Weltmeisterschaft nach Prag, 1949 nach Stockholm, später nach England und nach Finnland. «An unser Spiel im englischen Brighton erinnere ich mich besonders gut. Es hiess, die beiden Prinzessinnen Elizabeth – die heutige Queen – und Margaret seien in der Nähe und würden das Spiel vielleicht besuchen. Natürlich gingen wir nicht aus der Garderobe, ohne uns vorher noch einmal zu kämmen und prüfend in den Spiegel zu schauen – obwohl die zwei dann doch nicht erschienen», so Heinz Hinterkircher lachend.

Mit der «Tante Ju» nach Prag geflogen

Die Prager Eishockeymannschaft LTC Prag nahm regelmässig am Davoser Spengler-Cup teil und galt in den Vierzigerjahren als stärkste Mannschaft Europas. Gegen den ZSC gab es 1945 jedoch ein Unentschieden und darauffolgend den Turniergewinn für die Zürcher, da sie mehr Punkte hatten als die Prager. «Sie wollten deshalb ein Revanche- Spiel in Prag, also ein Freundschaftsspiel, und liessen uns mit einer ‹Tante Ju 52› einfliegen!» Auf dem damaligen Flughafen Dübendorf landete das legendäre Flugzeug und entliess eine «ganze Ladung Nonnen»: Ingenbohler Schwestern wurden zum Verarzten von tschechischen Truppen benötigt und dann wieder in die Schweiz geflogen. «Solche Erlebnisse sind unvergesslich. Ich genoss die Zeit als Spieler sehr, aber mit 34 Jahren sagte ich mir ‹Es langet›. Der Beruf forderte mich immer mehr, und ich wollte mehr Zeit für meine Familie haben.» 1951, mit 28 Jahren, heiratete er seine Frau Susi, welche er sechs Jahre zuvor durch seinen Bruder Rolf kennengelernt hatte. Sechs Jahre wohnten die beiden in Höngg, dann zogen sie nach Weiningen, wo sie fünfzig Jahre lebten. Sie wurden Eltern von zwei Mädchen und einem Buben, und heute ist Heinz Hinterkircher Grossvater von vier Enkelkindern. «Der Zufall will es, dass nicht nur mein Sohn Roni im ZSC dabei ist, sondern auch mein 18-jähriger Enkel Mattia, der mit seiner Mannschaft vor ein paar Wochen Junioren- Schweizer-Meister geworden ist», freut sich Heinz Hinterkircher, der seit 2007 im «Tertianum» wohnt. «Beruflich durfte ich viel reisen, auch privat ging ich oft auf Wanderreisen und zweimal auf Weltreise. Nun steht eine besondere Reise an: eine Flussfahrt ab Prag – und dort werde ich einen Spielerkollegen des LTC Prag treffen. Ich bin gespannt, wie es ihm geht, und was er in all den Jahren erlebt hat.»

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