Selbst ist die Frau

Steuern - für viele ein leidiges Thema. Vor allem Frauen geben diese Aufgabe viel zu häufig ab, findet die Höngger Steuerberaterin Simona Reusser. Dem «Höngger» hat sie deshalb Tipps gegeben, wie man/frau die Hemmschwelle, sich damit auseinander zu setzen, überwinden kann.

Simona Reusser möchte vor allem Frauen ermutigen, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen und die Steuererklärung nicht zu delegieren. (Foto:zvg)

Alle Jahre wieder flattert die Aufforderung ins Haus. Bis Ende März ist Frist, dann sollte sie erledigt sein: die Steuererklärung. Eine bei vielen nicht sonderlich beliebte Aufgabe, die nicht nur gerne aufgeschoben, sondern auch mit Vorliebe delegiert wird. Das muss nicht sein, findet Simona Reusser, Steuerberaterin und ehemalige Steuerkommissärin, die sich seit Jahren beruflich mit dem Thema auseinandersetzt. Im Gespräch mit dem Höngger gibt sie daher einige hilfreiche Tipps.

Frauen geben zu oft Verantwortung aus der Hand

Reusser selbst hat schon immer mit Finanzen gearbeitet. Nach einer Bankausbildung und weiterer Anstellungen in der Finanzindustrie arbeitete sie als Steuerberaterin. Danach folgten jahrelange Erfahrungen als Steuerkommissärin und Leiter der Einschätzungsabteilung eines Stadtsteueramtes. Bei all diesen Stellen musste sie erfahren,  wie wenig Wissen in der Bevölkerung zu diesem Thema vorhanden ist: «Es war schon erschreckend zu sehen, wie viele Menschen keine Ahnung davon haben, was von ihnen verlangt wird», erklärt die Steuerberaterin. Und es sind vor allem viele Frauen, die sich nach ihrer Erfahrung schwer damit tun, ihre Steuern selbst zu verwalten: «Ich erlebe es sehr häufig, dass insbesondere Frauen diese unliebsame Aufgabe ihrem Partner überlassen. Hier ist oft noch ein sehr traditionelles Rollenverständnis zu beobachten. Der Mann kümmert sich um die Finanzen und die Steuern, die Frau vertraut ihm in dieser wichtigen Angelegenheit blind.» Das räche sich dann spätestens bei einer Trennung, Beendigung der Partnerschaft oder bei Tod des Ehepartners. «Dann müssen sich diese Frauen plötzlich selbst um all diese Angelegenheiten kümmern und stehen vor einem Berg an Aufgaben, mit dem sie komplett überfordert sind.» Reusser möchte in diesen Belangen ein wenig wachrütteln: «Die Verantwortung über etwas so Wichtiges komplett aus der Hand zu geben, halte ich persönlich für sehr fahrlässig», macht sie deutlich.

Hilfe zur Selbsthilfe

Aufgrund ihrer Beobachtungen und dem offenkundig grossen Bedürfnis in der Bevölkerung wechselte Reusser vor einigen Jahren daher quasi die «Seiten» und machte es sich zum Ziel, in selbstständiger Tätigkeit Steuerbildung zu betreiben und ihr Wissen weiterzugeben. «Ich möchte so etwas wie die beste Freundin in punkto Steuern sein, die man zu allen möglichen auftretenden Fragen konsultieren kann», so Reusser. «Mir ist es ein Anliegen, die Leute zu befähigen, die Steuererklärung möglichst selbst zu machen», erklärt sie ihre Motivation.  

Viel weniger kompliziert, als es aussieht

Denn eigentlich ist es keine Hexerei, das Formular auszufüllen – vor allem, seit es möglich ist, die Erklärung komplett online auszufüllen. «Die Wegleitung und die Anweisungen auf dem Online-Tool des Kantons Zürich sind sehr hilfreich und einfach zu verstehen», so Reusser. Seit zwei Jahren könne nicht nur die eigentliche Steuerdeklaration online erledigt werden, sondern auch die Verwaltung des persönlichen Kontos durchgeführt werden. Hier können bereits geleistete Zahlungen eingesehen, Ratenzahlungen beantragt und der provisorische Steuerbetrag berechnet werden. Die Kommunikation mit der Behörde sei so sehr viel einfacher geworden.
Statt also diese Aufgabe vom Partner oder gar extern ausführen zu lassen, empfiehlt sie, es einfach selbst zu versuchen. Es gebe nach dem Ausfüllen auch die Möglichkeit, die Unterlagen von einer/m Expert*in durchchecken zu lassen und sich erklären zu lassen, wo noch Fehler sind. Und im nächsten Jahr gehe die Erklärung dann schon viel einfacher von der Hand. «Bei generellen Unsicherheiten zum Vorgehen kann es darüber hinaus auch sehr hilfreich sein, einmalig eine der zahlreichen verfügbaren Schulungen zu belegen, die von den verschiedensten Anbietern offeriert werden», ergänzt Reusser. Für ältere Menschen, die Mühe mit der Umstellung auf die digitale Steuererklärung hätten, gebe es zudem spezifische Schulungen.

Ordnung ist das halbe Leben

Doch das Problem mit der Erklärung beginnt in der Regel nicht erst mit dem Ausfüllen des Formulars. Sitzt man erst mal am Formular, ist der Grossteil der Arbeit eigentlich bereits getan. Bedeutend ist die Vorbereitung darauf. «Ordnung und Vorbereitung ist auch in punkto Steuern das halbe Leben. Ich empfehle sehr, bereits zu Jahresbeginn eine Ordnerstruktur anzulegen, anhand derer alles abgelegt werden kann, was für die Steuern von Bedeutung ist. Dazu gehören etwa der Lohnausweis oder die Rentenbescheinigung, Versicherungsleistungen und Bankauszüge, sowie Unterlagen, die die abzugsfähigen Kosten belegen.  Das kann sowohl physisch in Papierform, als auch als virtuelle Struktur auf dem Computer geschehen. Denn nichts ist mühsamer, als kurz vor Ablauf der Frist noch verzweifelt nach den notwendigen Unterlagen zu suchen.» Auch hier ist Hilfe verfügbar. So ist auf der Webseite der Stadt eine Checkliste zu finden, auf der vermerkt ist, welche Unterlagen für die Steuererklärung gebraucht werden.

Aus den Augen aus dem Sinn ist keine gute Idee

Wovon Reusser auf jeden Fall abrät, ist die Vermeidungsstrategie: «Die Steuererklärung einfach nicht auszufüllen, ist auf keinen Fall empfehlenswert. Sich einschätzen zu lassen lohnt sich in keinem Fall.» Deshalb ist auch die Einhaltung der Fristen sehr wichtig. Denn die sind verbindlich. Reusser empfiehlt daher, Post vom Amt immer sofort zu öffnen. Und am besten gleich zu Beginn des Jahres die Frist für die Steuererklärung auf Ende September zu verlängern. Wer nicht versteht, was im Brief steht, könne sich Hilfe und Beratung holen. Oder direkt beim Amt anrufen: die Mitarbeiter*innen seien in der Regel sehr gerne bereit, weiterzuhelfen – solange nicht schon alle Fristen verpasst seien.

Den Begriff positiv besetzen

Eigentlich müsse man aber schon viel weiter vorne ansetzen und die persönliche Einstellung zur Steuererklärung ändern, ist Reusser überzeugt. «Steuern sind grundsätzlich etwas Notwendiges. Wir finanzieren unser gemeinsames Leben dadurch. Vielleicht könnte man seine eigene Einstellung dazu verändern.» Und mit der Steuererklärung könne man hierzulande ja auch über die Abzüge selbst für eine Minderung der eigenen Steuerpflicht sorgen – ein Vorteil, den andere Systeme nicht hätten.
Dazu muss aber ein gewisses Wissen über das Steuersystem vorhanden sein. In punkto Steuerbildung gibt es so nach Ansicht von Reusser noch grossen Nachholbedarf. «Schon in der Schule könnte das Thema viel ausführlicher behandelt werden», meint sie. «Denn die wenigsten der jungen Erwachsenen wissen, wie das föderale Steuersystem in unserem Land überhaupt funktioniert.» Auch die Eltern hätten da eine Vorbildfunktion, meint Reusser: Sie schlägt deshalb vor, in der Familie das Ausfüllen der Steuererklärung als Happening zu zelebrieren – gemeinsam Steuern erledigen und dann Pizza essen gehen oder so. Das funktioniert übrigens auch als Anlass im Freundeskreis. Damit aus der lästigen Pflicht ein gemütliches Beisammensein werden kann.

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