Wie viel wird wirklich geschossen?

Als der Schiessplatz Hönggerberg in Betrieb genommen wurde, lagen zwischen ihm und dem Dorf, abgesehen von einzelnen Gebäuden, nur Wiesen und Obstgärten. Heute steht er relativ dicht am Siedlungsrand im Naherholungsgebiet. Das führt immer wieder zu Fragen und Kritik.

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Die Zukunft des Schiesssports ist olympisch: Jungschützen mit Kleinkalibergewehren beim Training im Untergeschoss des Schiessplatzes Hönggerberg.
Ein Pistolenschütze, ebenfalls beim Training im Untergeschoss des Schiessplatzes Hönggerberg.
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Eine Person, die sich lange Jahre gegen den Schiessplatz Hönggerberg gewehrt hatte, sich heute aber nicht mehr zu diesem Thema äussern will, hatte im Oktober 2008 eine Petition eingereicht, die eine Einschränkung des Schiessbetriebes und ein gänzliches Sonntagsschiessverbot verlangte. In einem Mail an den «Höngger» vor wenigen Jahren erinnerte sich diese Person, dass sie damals auf dem Hönggerberg Unterschriften gesammelt habe und geschätzte 90 Prozent der angesprochenen spontan unterschrieben hätten. Mitte November 2008 beantwortete der Stadtrat die Petition. Er sei sich bewusst, dass die Lärmimmissionen für Anwohnende belastend sein können. Nebst allgemeinen Verweisen auf Schiesspflicht und Rechtslage (siehe Infobox) weist er auf die Bemühungen seitens der Schiessplatz-Genossenschaft Höngg, die Schiesszeiten auf so wenig Tage wie möglich zu konzentrieren, was der Stadtrat als Lösungsansatz unterstütze. Und überdies sei seit 2004 jährlich nur noch an ein bis zwei Sonntagen und höchstens drei Stunden geschossen worden.

Die Stadtpräsidentin äusserte sich

Doch man braucht nicht unmittelbarer «Anwohner» des Schiessplatzes zu sein, um akustisch zu wissen, wann der Schiessplatz in Betrieb ist. Speziell bei Nordwind haben «Korridore» wie die Michelstrasse oder der Wildenweg dem Schall nichts in den Weg zu stellen: bis ins Dorfzentrum ist jeder Schuss zu hören. Selbst am hinteren Ende der Riedhofstrasse. Und von dort hatte ein Anwohner 2010 Stadtpräsidentin Corine Mauch per Brief auf den Schiesslärm in Höngg aufmerksam gemacht. Diese äusserte in ihrer Antwort, die dem «Höngger» vorliegt, Verständnis für die Klage, gab aber auch zu bedenken, dass noch 1993 alleine im Albisgüetli mehr geschossen worden sei als nun, 2010, in der ganzen Stadt Zürich. Und dass eine Lärmsanierung durch die Stadt Zürich nicht im Alleingang zu machen sei, weil «die Schiessanlage Hönggerberg nicht der Stadt allein gehört». Wie sie darauf kam ist allerdings fraglich, denn sie gehört der Stadt überhaupt nicht, sondern der Schiessplatz-Genossenschaft Höngg. Aber egal. Jedenfalls, so schrieb die Stadtpräsidentin, werde sie das Anliegen des Anwohners im Auge behalten. Ende August 2011 reichten Gemeinderat Guido Trevisan (GLP) und Gemeinderätin Isabel Garcia (GLP) eine schriftliche Anfrage an den Stadtrat ein, in der es um die Sportplätze und die Planung des Leitbilds «Allmend Höngg» ging. Eine der Fragen betraf aber auch den Schiessplatz Hönggerberg: «Ist geplant, die 300-Meter-Schiessanlage Hönggerberg zu schliessen oder Lärmschutzmassnahmen vorzunehmen?» Mitte November 2011 antwortete der Stadtrat: «Das Polizei- und das Hochbaudepartement sowie das Schul- und Sportdepartement arbeiten momentan an einer Strategie über die Zukunft der städtischen Schiessanlagen. Es ist nicht geplant, die Schiessanlage auf dem Hönggerberg zu schliessen. Diese Anlage hat als einziger Schiessplatz der Stadt Zürich die Sanierung des Kugelfangs gemäss Umweltschutz-Gesetz des Bundes bereits abgeschlossen. Auch lärmtechnisch wurde der Schiessplatz Höngg in den letzten Jahren saniert. Er ist lärmschutzrechtskonform und entspricht den Grenzwerten des Bundes. Der Stadtrat sieht deshalb keinen Handlungsbedarf bezüglich Schliessung oder Lärmschutzmassnahmen». Anmerkung der Redaktion: die hier angesprochene «Schiessplatzstrategie» liegt bis heute nicht vor (siehe Artikel im Höngger vom 9. November) und ein – allerdings erst 2014 – auf Verlangen der kantonalen Fachstelle für Lärmschutz durch die Schiessplatz-Genossenschaft in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu einem anderen Schluss. 

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Und so erreichten auch den «Höngger» über die Jahre immer mal wieder Anrufe oder Mails, in denen man sich über den Schiesslärm beklagte. Auch als das GZ Höngg Rütihof und die IG Engagiertes Höngg zwischen September 2015 und Oktober 2016 in Höngg fragten, welche Orte beliebt und welche unbeliebt seien, wurde der Schiessplatz Hönggerberg negativ bewertet: 55 Personen störten sich am Lärm der 300-Meter-Anlage, nur vieren gefiel der Ort und nur jemand gab ihn als Geheimtipp an. Roland Spitzbarth, Präsident der Schiessplatz-Genossenschaft Höngg überrascht dies nicht: «Schiessplätze waren wegen dem Lärm und der nötigen Absperrungen schon immer umstritten», sagt er im Gespräch.

Reduzierte Schiesszeiten, stabile Schusszahlen

Vor diesem Hintergrund wollte der «Höngger» wissen, wie sich denn der Schiessbetrieb über die letzten Jahrzehnte tatsächlich entwickelt hat. Die ausgewerteten Zahlen über Schiesshalbtage* und -zeiten stammen vom verantwortlichen Schiessplatzoffizier der Stadtpolizei Zürich, der Schiessplatz-Genossenschaft Höngg sowie aus den im «Höngger» jeweils veröffentlichten Angaben zur 300-Meter-Anlage, auf welche sie sich ausschliesslich bezieht. Das heisst, dass die Zahlen der 50- und 25-Meter-Anlage nicht berücksichtigt wurden. Die Zahlen (siehe Grafiken) belegen, dass sich die Lärmbelastung effektiv reduziert hat, respektive: sie wurde zumindest zeitlich eingegrenzt. Zum Beispiel wurde 1971 noch ausschliesslich an Samstagen und Sonntagen geschossen, an 67 Halbtagen total 280 Stunden. Doch seit spätestens 2001 wurde nur noch an zwei Sonntagen pro Jahr geschossen, der Rest der Übungen fand mittwochs, freitags oder samstags statt.
Schaut man sich die Entwicklung seit 1971 an, so sieht man auch, dass die Anzahl Schiesshalbtage von damals – nach einem zwischenzeitlichen Anstieg – heute wieder identisch bei 67 liegt. Hingegen haben sich die Schusszeiten über die gleichen 46 Jahre – abgesehen von einzelnen Ausschlägen nach oben – kontinuierlich verringert: von 280 Stunden 1971 auf gerade noch 158 im 2017, also ein Minus von fast 44 Prozent. Was hingegen gleichgeblieben ist, ist die witterungsbedingte Konzentration auf die Monate April bis Oktober. Und die Schusszahlen. Diese liegen zwar nur für die Jahre 1997 bis 2016 vor, doch in diesen 20 Jahren liegt der Durchschnitt bei 89’209 Schüssen über die 300-Meter-Distanz. In den letzten vier Jahren in der Tendenz fallend: 2016 waren es noch 85’422 Schüsse. In anderen Schiessständen ist die Schusszahl allerdings stärker gefallen. Warum nicht in Höngg? Roland Spitzbarth vermutet, dass der Hönggerberg bei Schützen des «Obligatorischen» eben beliebt sei und dass der Zuzug der Feldschützen Zürichberg zur Schiessplatz-Genossenschaft Höngg im Jahr 2014 auch noch einen Teil ausmacht.

Zuzüge von Vereinen sind möglich

Solche Zuzüge anderer Vereine stünden allenfalls auch wieder zur Diskussion, wenn die Stadt Zürich tatsächlich beschliessen würde, die Anlagen Probstei und Hasenrain zu schliessen (siehe «Höngger» vom 9. November). Mit den bestehenden Strukturen und Schiesszeiten hätte es gemäss Spitzbarth auf dem Hönggerberg Platz für sicher noch einen weiteren Verein. Dieser müsste drei Anteilscheine zu je 500 Franken an der Schiessplatz-Genossenschaft Höngg erwerben und als neuer Genossenschafter einen Betrag an die bestehende Infrastruktur leisten. Doch das sind alles «wenn» und «aber», denn im Moment bleibt die neue Schiessplatzstrategie der Stadt Zürich abzuwarten.

Die Zukunft ist olympisch

Nur etwas ist immer wieder zu hören: Die Zukunft des Gewehrschiessens gehört der 50-Meter-Distanz, weil diese olympisch ist. Sollte in der Schweiz das Schiessobligatorium für Militärangehörige eines Tages wegfallen, würde es die 300-Meter-Distanz schwer haben, sagen sogar die Schützen selbst: Durchsetzen würde sich dann die olympische 50-Meter-Disziplin – und diese ist weit weniger umstritten als die traditionelle Distanz: Sie braucht weniger Gelände, ist in Höngg ohnehin tiefer gelegt und ihre viel geringeren Lärmimmissionen stören kaum jemanden.

Präzisierung
* Ein Schiesshalbtag (SHT) ist eine in der Lärmschutzverordnung verwendete Grösse, um die Benützung von Schiessanlagen zu beschreiben. Er ist definiert als ein Schiessen vormittags oder nachmittags, das länger als zwei Stunden dauert. Dauert es zwei Stunden oder kürzer, so gilt es als halber Schiesshalbtag.
Die Schiessplatz-Genossenschaft Hönggerberg legt Wert darauf, dass von den in diesem Text und den Tabellen genannten 67 Schiesshalbtagen
viele nur halbe Schiesshalbtage sind und dass das vom kantonalen Amt für Lärmschutz verfügte Limit von 50,5 Schiesshalbtagen werktags und 1,5 Schiesshalbtagen sonntags strikt eingehalten und zurzeit sogar unterschritten werden.

Was per Verordnung erlaubt wäre
Die «Verordnung über die Schiesszeiten», ein Stadtratsbeschluss vom 21. Januar 1971, gilt für sämtliche privaten und städtischen Schiessplätze (300, 50 und 25 m) in der Stadt Zürich. Hier ein unvollständiger Auszug:

Schiesszeiten
300-Meter, 50-Meter-Pistolen und 25-Meter-Grosskaliberpistolen: Werktags 8 bis 12 und 14 bis 19 Uhr sowie sonntags 8 bis 12 und 14 bis 17 Uhr.
50-Meter-Kleinkaliber, 50-Meter-Matchpistolen und 25-Meter-Silhouettenpistolen: Täglich 7 bis 12 und 13 bis 20 Uhr.
Der Polizeivorstand kann für einzelne Schiessplätze Abweichungen von diesen Schiesszeiten anordnen. Für das Feldschiessen und grössere Festanlässe kann er insbesondere die Schiesszeiten ausdehnen.

Sperrtage
An Neujahr, Palmsonntag, Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag, Ostermontag, Auffahrt, Pfingstsamstag, Pfingstsonntag, Pfingstmontag, Bettag, 24. Dezember, Weihnachts- und Stephanstag darf nicht geschossen werden.

Sonntagsschiessen
Jeden Monat ist eine gewisse Zahl von Sonntagen schiessfrei zu halten. An den Schiesssonntagen darf zudem nur vor- oder nachmittags geschossen werden. Es gilt folgende Regelung:
Januar und Februar je drei schiessfreie Sonntage.
November und Dezember je drei schiessfreie Sonntage.
März, April und Oktober je zwei schiessfreie Sonntage
Mai bis September je ein schiessfreier Sonntag.
Für Festanlässe kann der Polizeivorstand zusätzliche Sonntage freigeben.

In diesem Fokus bereits erschienen:
26. Oktober: Der Schiessplatz Hönggerberg im Fokus
26. Oktober: Die Geschichte des Höngger Schützenwesens
9. November: Ringen um Stadtzürcher Schiessplätze
9. November: Neues Waffenrecht stösst auf Widerstand
Alle abrufbar unter www.hoengger.ch/archiv

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