Wie hat’s der Kanton mit der Religion?

Vor einer Woche hat der Kantonsrat die Jahresberichte der fünf anerkannten Religionsgemeinschaften zur Kenntnis genommen und deren Präsidenten im Rat begrüsst.

Esther Straub, SP, Kantonsrätin

Verfassungsrechtlich anerkannt sind im Kanton Zürich die Evangelisch-reformierte Landeskirche, die Römisch-katholische Körperschaft, die Christkatholische Kirchgemeinde, die Israelitische Cultusgemeinde und die Jüdische Liberale Gemeinde. Die drei Kirchen sind öffentlich-rechtlich anerkannt, was eine Reihe von Rechten und Pflichten mit sich bringt.
So steht den Kirchen das Recht zu, Steuern zu erheben. Auch erhalten sie einen erleichterten Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Spitälern oder Gefängnissen. Der Kanton unterstützt ausserdem mit Staatsbeiträgen kirchliche Leistungen, die der ganzen Bevölkerung offenstehen, und ermöglicht so zahlreiche Angebote und Projekte im sozialen und kulturellen Bereich.

Transparente Organisation ein Muss

Die öffentlich-rechtliche Anerkennung auferlegt den Kirchen im Gegenzug die Pflicht, sich demokratisch und finanziell transparent zu organisieren. Zudem müssen sie nachweisen, dass die Kirchensteuern der juristischen Personen nicht für kultische Zwecke verwendet werden, sondern der gesamten Bevölkerung zugutekommen.
Auch die beiden anerkannten jüdischen Gemeinden haben als privatrechtlich organisierte Vereine gegenüber dem Staat eine besondere Stellung mit Rechten und Pflichten.
Alle nicht anerkannten Religionsgemeinschaften, zum Beispiel die muslimischen, hinduistischen, buddhistischen oder die christlich-orthodoxen, unterstehen dem Privatrecht. Die Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ), die kürzlich ihr 20-Jahre-Jubiläum feierte, und der neu gegründete Verband Orthodoxer Kirchen im Kanton Zürich sind neben den anerkannten Gemeinschaften jedoch weitere wichtige religiöse Ansprechpartnerinnen für den Kanton. Sie vertreten die beiden grössten Religionsgemeinschaften, die noch nicht anerkannt sind.

Interreligiöser runder Tisch

Am Interreligiösen Runden Tisch und im Forum der Religionen sind Vertreterinnen und Vertreter von anerkannten und nicht anerkannten Religionsgemeinschaften miteinander im Gespräch und treten gemeinsam öffentlich auf. Eine Partnerorganisation ist das Zürcher Institut für Interreligiösen Dialog, das «Zürcher Lehrhaus»: Es betreibt im Quartier Höngg seit über zwanzig Jahren ein Begegnungszentrum, in dem Menschen verschiedenster Kultur und Religion von- und miteinander lernen.
In einer offenen und multikulturellen Gesellschaft soll Religion nicht einfach auf den Privatbereich reduziert werden, sondern öffentlich im Gespräch sein. Dass die Religionsgemeinschaften untereinander den Dialog suchen und mit dem Staat in verschiedensten Bereichen des öffentlichen Lebens zusammenarbeiten, ist die beste Prävention sowohl gegen religiöse Fundamentalismen als auch gegen Vorurteile gegenüber zugewanderten Religionsgemeinschaften.

Esther Straub, SP, Kantonsrätin

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