Welcher Argentinier kommt nach Höngg?

Ein Chef-Önologe aus Argentinien, 15 seiner neuen Kreationen und 15 Fachleute von Zweifel Weine: Eine interne Degustation im Fasskeller zeigt, welche Weine es vielleicht ins Sortiment schaffen.

Schwenken, riechen, nippen, trinken, austauschen: degustieren mit allen Sinnen. Ganz rechts: Walter Zweifel.

Ein Rundgang durch die Regale von Zweifel Weine führt um die ganze Welt. Immer wieder lädt Geschäftsführer Walter Zweifel Produzenten ein, ihre neuen Weine in Höngg seinen Mitarbeitern vorzustellen. «Interne Schulung ist wichtig, nur so können wir die Kundschaft auch fachkundig beraten», betont er. Aber die Degustationen haben auch einen Einfluss darauf, welche Weine es überhaupt ins Sortiment schaffen. An diesem Mittwochmorgen ist José Galante zu Gast, seit 2010 Chef-Önologe des argentinischen Weingutes Salentein. Er beginnt seine Präsentation mit spannenden Informationen über Argentiniens Weinbauregionen.

Fast einzigartige Klimabedingungen

Warum ist Argentiniens Klima so geeignet für den Weinbau? Die kühlen Winde aus der Antarktis kommen von Chile her über die Anden gezogen und verlieren dort all ihre Feuchtigkeit, bevor sie über Argentinien streichen. Im Windschatten der Anden, dort wo die grossen argentinischen Weingebiete liegen, ist die Luft also sehr trocken. Die Regenmenge pro Jahr beträgt nur rund 200 Millimeter. «In der trockensten Ecke der Schweiz», so Walter Zweifel, «fallen etwa 600 Millimeter pro Jahr.» Der Boden aber ist sehr steinig, sandig und speichert kein Wasser. Deshalb wird es in den Bergen in Reservoirs gesammelt und nur gezielt eingesetzt – übrigens mit dem von den Israelis zur Kultivierung der Negev-Wüste erfundenen Tropfenbewässerungssystem, das heute auch in der Schweiz selbst in Privatgärten bekannt ist. «Was die Argentinier nicht haben, sind Probleme mit zu viel Wasser. Sie können die ‹Regenmenge› regulieren. Ihr Problem ist eher zu viel Sonne: Sie müssen die Trauben zum Teil sogar vor Sonnenbrand schützen», fasst Walter Zweifel in Anbetracht dieses Sommers mit einem leicht neidischen Unterton zusammen.

Argentinien umfasst alle europäischen Klimaregionen

Die Region Mendoza, wo das Anbaugebiet von Salentein liegt, ist die grösste Weinbauregion Argentiniens. 66 Prozent der Weine kommen von dort, gefolgt von San Juan mit 21 Prozent. Um sich die Dimensionen etwas vorstellen zu können, veranschaulicht Walter Zweifel: «Die Distanz zwischen Mendoza und San Juan entspricht ungefähr jener zwischen Höngg und Stockholm, über alle Regionen betrachtet jener zwischen Sizilien und dem Nordkap.» Entsprechend vielfältig sind die klimatischen Bedingungen.
José Galante schwört auf das «Valle de Uco», wo Salentein zuhause ist, südlich von Mendoza liegt es eingebettet zwischen den Hängen der Anden und einem zweiten, kleineren Hügelzug. Salenteins Anbaugebiet umfasst 2000 Hektaren, davon ist rund die Hälfte mit Reben bestockt, auf einem 22 Kilometer langen Streifen, der sich die Anden-Hänge hochzieht. Seit 1995 wird hier Rebbau betrieben.

Der Weinbau dort, wo er hier aufhört

Warme bis heisse Sommer und kühle Winter zeichnen das Gebiet aus. Die ersten Reben wachsen auf 1050 Meter über Meer, die letzten bei 1700. «Der Rebbau beginnt dort, wo er in der Schweiz aufhört», kommentiert Zweifel, der die Region selbst schon bereist hat.
Alle 100 Höhenmeter ändern sich, wie hier auch, die Klimabedingungen: Die Temperatur nimmt um ein Grad ab und der Tag-Nacht-Unterschied nimmt zu. Das sind hervorragende Bedingungen für gute Weine und so wird in Salenteins Gebiet alles angebaut von Merlot, Pinot noir, Chardonnay, Sauvignon Blanc bis hin zu den kräftigsten Rotweinen wie beispielsweise dem ausgezeichneten Malbec. Und je nach Höhenlage ändern sich die Aromen, welche die Weine auszeichnen. So schmeckt beispielsweise der Malbec der tieferen Lagen nach Kirschen oder Pflaumen, der der mittleren nach Beeren und der der höchsten eher exotisch würzig und floral. Gleichzeitig nehmen Farbstärke und Säuregehalt zu.

Das Gremium entscheidet mit

Seit zehn Jahren führt Zweifel Salenteins Weine. Welcher der an diesem Morgen vorgestellten Weine es ins Sortiment schafft, das beeinflussen auch die 15 Mitarbeiter aus Ein- und Verkauf, welche die Weine degustieren und bewerten: «Wenn ein Wein bei allen völlig gut ankommt, dann kommt er eher ins Sortiment. Preis und Lagerbestände spielen aber auch eine wichtige Rolle und natürlich, ob wir nicht schon ähnliche Weine im Sortiment führen.»
So geht es nach José Galantes Einführung, welche Walter Zweifel laufend aus dem Englischen übersetzt, relativ zügig durch die 15 bereitgestellten Weine. Jeweils drei Gläser werden zwei Fingerbreit mit einem Wein eingeschenkt, degustiert und zu den Kriterien «Klarheit/Farbe», «Bukett» und «Geschmack/Harmonie» bewertet. Konzentriert sind alle am Degustieren, Schwenken, Riechen, Nippen, trinken einen kleinen Schluck und machen Notizen. Nach jeder Serie wird kurz verglichen. Hier ist einer eleganter, da einer frischer, jener ist gut ausbalanciert und jener hat eine schöne Struktur. Nicht zu verschweigen die unzähligen Aromen.
Die Fachleute zeigen, was sie können, als sie einzeln kurz einen Wein zusammenfassen und ihre Meinung abgeben. Immer wieder fliesst dabei ihre Erfahrung aus dem Verkauf mit ein: Dieser Wein wird als schwierig im Verkauf eingestuft, ein anderer als potentiell erfolgreich. So fliessen also auch die Vorlieben der Kundschaft bereits in der Sortimentsgestaltung mit ein. Immer wieder wird aber auch nach dem Einkaufspreis gefragt – und Walter Zweifel antwortet immer gleich: «Zuerst degustieren wir, dann reden wir über die Preise.» Oder anders gesagt: Wenn die Qualität stimmt, findet man sich auch im Preis. Hauptsache der Wein ist gut. Nur: Das waren an diesem Morgen eigentlich alle – zumindest für den Schreibenden Laien, der sich nicht anmassen würde, in einem Wein ein Zwetschgenaroma von einem Beerengeschmack zu unterscheiden. Welchem Geschmack wird man wohl im Regal des Zweifel-Vinariums dereinst wieder begegnen?

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