Vorurteile überwinden

Im Rahmen der «Woche der Religionen» war die Migrationskirche zu Gast im Generationenhaus Sonnegg und lud zu einem Begegnungsabend mit eritreischen Gläubigen ein.

Nach der Diskussion durfte man das traditionelle Gericht «Injera» probieren.
Der Eritreisch-Orthodoxe Chor begleitet von der Krar.
Essen verbindet: Es wurde angeregt diskutiert.
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Viele Menschen aus Eritrea haben in den letzten Jahren Asyl in der Schweiz gesucht und zumindest teilweise erhalten. Unter dem Titel «Kaffee, Zucker und Gott» organisierte die Pfarrerin, Dinah Hess, Leiterin des Zentrums für Migrationskirchen, einen Abend, an dem Vertreter Eritreischer Konfessionen über ihr Leben, ihre Herausforderungen und ihren Glauben in der Schweiz sprechen sollten. Begleitet wurde das Gespräch von Musik und einem anschliessenden traditionellen eritreischen Essen. Eingeladen waren Abedom Girmay von der Eritreisch-Orthodoxen Tewahedo Kirche, Yonnas Tseggai von der Eritreisch-Evangelischen Tensai Kirche und Said Senah vom «Forum des Orients in der Schweiz». Der Vertreter der muslimischen Gemeinschaft musste sich allerdings im letzten Moment entschuldigen, dafür nahm der reformierte Pfarrer, Martin Günthardt, in der Diskussionsrunde Platz. Der Anlass stiess auf grosses Interesse: Erst belegten die pünktlichen Schweizer die vorderen und mittleren Ränge, nach und nach füllten sich die Plätze aber vor allem auch mit Mitgliedern der beiden anwesenden eritreischen Kirchen, so dass sogar noch zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten.

Wenn die Kirche zu klein wird

Nach einer kurzen musikalischen Darbietung des Eritreisch-Orthodoxen Chors in Begleitung der Krar ─ einem traditionellen Zupfinstrument der Gattung der Leier ─ begrüsste Dinah Hess die Gäste mit einem einführenden Vortrag zu Eritrea. Dann begann die eigentliche Gesprächsrunde mit vorbereiteten Fragen und Antworten zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Eritreisch-Orthodoxen und der Eritreisch-Evangelischen Kirche. So erfuhr man, dass die orthodoxen Messen in der Kultsprache «Ge’ez» gehalten werden und zwei bis drei Stunden dauern, dass die Priester sieben Mal im Jahr fasten, wobei mit Fasten in diesem Fall bedeutet, dass auf fettiges Essen, Fleisch und andere Tierprodukte verzichtet wird. Oder, dass in der Eritreisch-Evangelischen Tensai Kirche keine klassischen Feste gefeiert werden, sondern die Freizeit für die Lobpreisung genutzt wird. Abedom Girmay, der die Tewahedo Kirche repräsentierte, nutzte den Moment auch für einen Appell: Die Kirche in Embrach, die die Orthodoxen für ihre Messen nützen dürfen, platzt regelmässig aus allen Nähten, so müssen die Kinderwägen und auch viele Besucher manchmal draussen bleiben, selbst bei schlechtem Wetter. Abgesehen davon, dass es schade sei, störe es auch die Nachbarn, weil es auch manchmal laut werde. Dafür habe er natürlich Verständnis, auch deshalb wünschen sie sich einen neuen, grösseren Ort. Pfarrer Martin Günthardt gab lächelnd zu, dass Platzmangel nun nicht gerade zu den Problemen der reformierten Kirchen in Zürich gehört. Auf die Frage aus dem Publikum, ob es nicht möglich sei, mit den Eritreischen Gläubigen gemeinsame Gottesdienste abzuhalten, gab er zu bedenken, dass dies eine sehr komplexe Angelegenheit sei, vor allem auch in finanzieller Hinsicht.

«Es gibt (noch) zu wenig Gläubige»

Im zweiten, leider eher kurz gehaltenem Teil der Diskussionsrunde sollte es darum gehen, welche Wünsche und Erwartungen die Vertreter der anwesenden Kirchen an ihren neuen Heimatort haben. Die Freiheit und die Sicherheit, in der Schweiz ihren Glauben ausleben zu dürfen, ohne dafür verfolgt zu werden, danach hatten sich alle gesehnt. Die evangelische Kirche ist in Eritrea verboten, während die Orthodoxe zwar zu den vier Hauptreligionen des Landes gehört, aber innerlich gespalten ist. Yonnas Tseggai von der Tensai Kirche hatte gehofft, in Europa auf viele gläubige Menschen zu treffen und musste feststellen, dass die meisten Jungen hier gar nicht mehr an Gott glaubten. «Noch nicht», ergänzte er schmunzelnd und erntete zustimmendes Raunen aus dem Publikum. Er appellierte auch an die Offenheit der Anwesenden, denn «wir sind alle Migranten dieser Welt». Auch der junge Abedom Girmay sprach offen und erinnerte die Schweizer Gäste daran, dass man vor «schwarzen Menschen» keine Angst haben müsse, und das alle voneinander lernen könnten.

Essen verbindet

Im Anschluss an das Gespräch lud die eritreische Gemeinde zu einem traditionellen Mahl ein, dem «Injera», «um die Kultur auch mit dem Bauch kennenzulernen», wie es Pfarrer Martin Günthardt in seiner Überleitung formulierte. Die Frauen hatten viele Stunden gekocht: Alleine der Teig für das säuerliche Fladenbrot auf Teffmehl muss einige Tage gären, bevor es gebacken werden kann. Obwohl das Gericht mit den Händen gegessen wird, hatten die Gastgeber vorsorglich Besteck ausgelegt. Über die köstliche Mahlzeit kam man leicht ins Gespräch mit den Eritreerinnen und Eritreern, auch die zahlreich anwesenden Kinder, die fliessend Schweizerdeutsch sprachen, ermöglichten einem den Zugang zu ihrer Kultur. Es war schön zu sehen, dass nicht nur religiöse Menschen an diesem Abend angereist waren, sondern auch Hönggerinnen und Interessierte aus anderen Teilen der Stadt, die die fremde Kultur hautnah erfahren wollten, um die eigenen Vorurteile zu überwinden.

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