Viel Glück, lieber «Limmatberg»!

Die Geschichte des Limmatbergs ist derart schräg, dass man sich fragt: Hat sich der Neue das gut überlegt? Abergläubisch sei er nicht, sagt Biagio Martella. Und wie sich Höwi überzeugen konnte, weiss er durchaus, wie gute italienische Küche funktioniert. Die Zeichen stehen also gut, dass es diesmal klappt!

Mezzelune, «Halbmonde», die hier einfach Ravioli genannt werden.
Zucchiniblüten in voller Pracht.
Carpaccio di pulpo», herrlich zubereitet und präsentiert.
Biagio Martella auf der Terrasse des «Limmatbergs».
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Die zweite gute Nachricht: Sensorikforscher der Universität von Oregon haben soeben einen sechsten Geschmackssinn entdeckt. Nebst süss, salzig, sauer, bitter und umami (= herzhaft) kann die menschlichen Zunge offenbar auch noch Stärke, also langkettige Kohlenhydrate, herausschmecken. Da Martella in seinem «da Biagio» eine rekordverdächtige Vielfalt von Pasta und Pizza anbietet, kommt dies unseren «neuen» Rezeptoren durchaus gelegen. Am Tag von Höwis Besuch steht der Chef persönlich am Holzofen. Die Pizza «Diavoletto», die Höwis Partnerin verspeist, ist zwar nicht gerade üppig mit pikanter Salami belegt, dafür ist der Teig knusprig und der Käse so herzhaft, dass er Fäden zieht. Vor allem aber ist die Pizza heiss und bleibt es auch lange, was bei dünneren Exemplaren oft nicht der Fall ist. Fazit: Noch einer, der in Höngg – nebst dem Pantheon im Frankental – gute Pizzen macht. Von der Margerita für 16 bis zur Padrone für 23 Franken in einem Dutzend fair kalkulierten Varianten. 

Mezzelune

«Ravioli mit Ricotta und Fiori di Zucchini» steht auf der Karte. Tatsächlich sind die Teigtaschen, die Höwi als Hauptgang gewählt hat, keine Ravioli, sondern Halbmonde. Diesen «Etikettenschwindel» begründet Biagio Martella damit, dass die wenigsten wüssten, was Mezzelune sind. «Ravioli dagegen versteht jeder», sagt der gebürtige Apulier. Dass Claudio, der Kellner, dann wahre «Brummer» von Teigtaschen serviert, besänftigt den pingeligen Pastapapst, zumal noch frischer Basilikum und zwei im Olivenöl geschwenkte «Fiori di Zucchini» die Kreation anreichern. Seit diese goldgelben Blüten von Juli bis Oktober auch auf unseren Märkten angeboten werden, scheint es hier weniger Erklärungsbedarf zu geben. Eine Delikatesse, fast zu schade, um sie als kleingehackte Zugabe im «Bauch» der Halbmonde verschwinden zu lassen. Schön deshalb, dass auch noch zwei ganze Blüten auf dem Teller liegen. Wer die bis zu 15 Zentimeter grossen Blüten selber auch mal zubereiten möchte: Kurz im Olivenöl anbraten. Auch gefüllt mit Ricotta oder Mozzarella sind sie delikat, wobei man sie klassisch noch in Mehl, Ei und Salz wendet und sanft frittiert, was Höwi im Wok macht. Gezüchtet wurden die Zucchini übrigens von den Italienern aus den Gartenkürbissen. Und sie sind nicht unbescheiden: Jede Pflanze benötigt mindestens eineinhalb Quadratmeter Boden.

Fatto in casa

Sämtliche Teigwaren werden in Biagio Martellas eigener Pastawerkstatt an der Schaffhauserstrasse 113 hergestellt. Es ist eine beeindruckende Bandbreite, die von Agnolotti über Canelloni, Lasagne und Ravioli bis Tortelloni reicht. Und die Teigtaschen sind alles andere als fantasielos gefüllt: Nüsse, Kürbis, Spinat, Gorgonzola, Mascarpone gehören zu den saisonalen Ingredienzen. Sogar Höwis heiss geliebter Mozzarella di bufala (Büffelmozzarella) ist dabei.

Carpaccio di pulpo

Diese mediterrane Vorspeise haben wir zu zweit genossen und liefern die Beurteilung hier nach: Der Tintenfisch – von Bianchi) – war genau richtig, nämlich hauchdünn aufgeschnitten, frisch und zart. Der Fenchel- und Orangensalat gab der Vorspeise eine erfrischende, süss-bittere Note. Eine tolle Vorspeise, die einen in den Süden versetzt. Denn das können unsere Geschmacksknospen auch. Innert Bruchteilen signalisieren sie unserem Kopf: Heh, es wären mal wieder Ferien am Meer angesagt! Warum nicht in Ruffano, am untersten Spitz des Stiefelabsatzes, wo Biagio Martello herkommt. Vor 25 Jahren kam er in die Schweiz, arbeitete unter anderem im Vesuvio und im Capri bei Gentili, einem der Pioniere der italienischen Küche in Zürich. Danach übernahm er das «Unicorno» in Dübendorf. Wie unter Italos üblich, bekam er Ende 2015 einen Tipp: «Im Limmatberg in Höngg suchen sie einen neuen Pächter». Seit sechs Monaten prangt nun das «da Biagio»-Schild am Eingang, und man darf sagen: Nach all den unrühmlichen Kapiteln und Dramen ist der Neuanfang gelungen.

Kritik?

Klar doch! Die Terrasse dürfte etwas mediterraner, sprich grüner und blumiger sein. Zudem sollte man endlich den Meierhofplatz untertunneln, so würde die Terrasse des «da Biagio» zur Oase. Gut ist, dass man von hier aus die Politesse beobachten kann, die vis-à-vis Bussen verteilt. Selbstverständlich exakt um 13 Uhr. Also kurzspitz noch eine Zabaglione bestellen, rüberhuschen und umparkieren, wenn sie’s nicht sieht. Apropos Desserts: Schade, dass es die feinen Kuchen und andere hausgemachte Süssigkeiten nur am Freitag und Samstag gibt, die sind nämlich erstklassig! Und schade, findet Höwi, dass der «Höngger» im Lokal nicht aufliegt. Wie soll man angesichts dieser schmerzlichen Lücke diesen wundervollen Text über das nicht minder wunderbare «da Biagio» dort lesen können…?

Osteria «da Biagio»
Limmattalstrasse 228, 8049 Zürich-Höngg
Telefon 044 341 71 07
www.osteriadabiagio.ch
Montag bis Freitag geöffnet 11.30 bis 14 und 18 bis 24 Uhr.
Samstag 18 bis 24 Uhr, Sonntag Ruhetag.

Zum Autor
Er nennt sich Höwi, ist ein stadtbekannter Gastrokritiker und Buchautor und schaut den kochlöffelschwingenden Profis im Kreis 10 in die Töpfe. Die Gastrokolumne erscheint monatlich im Höngger und alle drei Monate im Wipkinger.

 

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