Träume und ein gackerndes Schwein

370 Kinder und Eltern füllten am vorletzten Mittwoch den grossen Saal des reformierten Kirchgemeindehauses. Sie alle wollten Andrew Bonds neues Musical «Tom Träumer» sehen. Die Kinder durften zum Schluss gar noch einen «Traumtaler» mit nach Hause nehmen, mit dem es sich schöner träumen lassen soll.

Dr. O’Waye untersucht Tom Träumers Mutter Megan, während der Bub assistieren muss.
Das Weichhörndli, der Zwergriese, Elfe Elinor mit dem unter dem Goldtuch versteckten Tom Träumer und die beiden Goblins Ratsch und Ritsch (v.l.) beim feindlichen Aufeinandertreffen.
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Wenn für einmal nicht nur Erwachsene reden, sondern vor allem Kinder plappern, dann muss ein Anlass für Kinder stattfinden. Und wenn dann der Grund dafür noch Andrew Bond oder zumindest MärliMusical Theater heisst, dann gibt es kaum ein Halten mehr. So sitzen in den vorderen Sitzreihen, die ausschliesslich für Kinder reserviert sind, unzählige Mädchen und Buben, teils unruhig mit den Füssen wippend, teils gespannt das Programmheft studierend. Will jemand doch noch kurz zu Mami oder Papi in die hinteren «Ränge», so kriecht man halt kurzerhand am Boden durch die eigene Sitzreihe, um so niemandem die Sicht zu versperren – auch wenn das Musical gar noch nicht angefangen hat.

Tom singt und träumt – mehr als nur ein bisschen

Kaum öffnet sich der dunkelblaue Vorhang, wird es still im Saal. Tom Träumer, gespielt von Edward Piccin, singt und tanzt mit aufgemalten, roten Bäckchen «Ich folg de Sunne naa» und merkt dabei gar nicht, wie seine an einer Krücke gehende Mutter Megan, gespielt von Marisa Jüngi, nach ihm ruft. Sogar Schwein Veronika, gespielt von Irina Bard, grunzt zum Lied vergnügt.
Die drei leben ein einfaches, karges Leben, und wenn Tom dem Schwein Veronika den einzigen Pilz verfüttert, welchen seine Mutter beim «pilzlen» gefunden hat, so kommt das schon einem Drama gleich, weil er und seine Mutter dann nichts zu essen haben. Auch tagsüber macht er ihr Sorgen durch seine abwesende Art und die Dinge, die er ihr erzählt – so sieht sie im Höngger Publikum ein Feld voller Kabisköpfe des reichen Nachbarsbauern George, «dä det hinde hät nöd mal Blätter ufem Chopf!», während Tom lauter Kinder sieht. «Das isch alles nur i dim Chopf ine», so die verzweifelte Mutter. Da das Geld auch nicht für den Zahnarzt reichen würde, muss Tom bei allem aufpassen – auch beim Kauen des alten, harten Brotes, das ihnen die Bäckerin Madame Brioche jeweils schenkt, und natürlich auch auf sein einziges Paar Schuhe, welches er aus Versehen der hungrigen Veronika zum Fressen gibt.
In der Nacht träumt Tom einen lieblichen Traum, in dem die Elfe Elinor (Anja Monn) um einen Traumbaum tanzt – doch dann kommen die bösen Goblins Ritsch (Daniela Nyffenegger) und Ratsch (Björn Reifler) und wollen den Baum umsägen – der Traum wandelt sich zum Alptraum, aus dem der Bub schreiend erwacht. Seine Mutter mag sich langsam nicht mehr zu helfen wissen, jede Nacht weckt Tom sie durch seine Alpträume.

Kinder zum Mitmachen animiert

Die Kinder im Publikum werden wie immer in Produktionen von Andrew Bond auch zum Mitmachen animiert – so können sie an diesem Nachmittag Schwein Veronika mit «Kikerikii»-Rufen unterstützen, um Mutter und Sohn zu wecken – denn diese können sich «nicht mal einen Güggel leisten, und so muss ich auch noch den Wecker spielen», wie das Schwein beklagt.
Nach einigen witzigen Begegnungen, etwa mit der Trödelhändlerin Trudi Grümpel, an welche Tom einen Stuhl verkaufen soll, oder dem Arzt Dr. Patrick O’Waye, zu deutsch «Oh Weehh» ausgesprochen, folgt der Tagträumer der Elfe Elinor ins «Anderland von Ännedraa», da sie seine Hilfe dringend braucht. Tom Träumer hat nicht falsch geträumt: Die Goblins sind wirklich am «Traumbäume» umsägen – was schrecklich ist, denn an ihnen wachsen alle Träume der Welt. Werden sie gefällt, so kann niemand mehr träumen… Die Traumtaler, welche von Traumwesen in die Erde gesteckt werden, machen die Träume noch schöner.

Tom «Trottel Tolpatsch und Verräter» macht alles fürs Geld

Tom hilft der Elfe und ihren Mitkämpfern, dem Weichhörndli, welches von allem keine Ahnung hat, dies auch immer wieder bekundet und zu guter Letzt noch eine Nussallergie hat, und dem Zwergriesen, der für einen Riesen viel zu klein ist. Hatten sie zuerst noch Angst vor dem unbekannten Wesen Tom – «Was, das isch än Mänsch? Mänsche mached doch alles kaputt!» –, so vertrauen sie ihm doch recht schnell. Als er dieses Vertrauen verspielt, weil er den raffgierigen Goblins hilft, ist er zu recht abgeschrieben: «Tom Trottel Tolpatsch und Verräter», nennt ihn der Zwergriese. Wie so oft war das Geld schuld: Tom liess sich für einen Tag lang von den sägenden Goblins gegen Bezahlung zum Fällen von Traumbäumen einspannen. Er machte blauäugig mit, schliesslich brauchen er und seine Mutter Geld…
Doch wie es in einem Märchen sein soll, wendet sich alles zum Guten: Die Goblins hören auf, Traumbäume zu fällen, und Tom erhält von der Elfe, die sich als Elfenkönigin entpuppt, einen Taler, mit dem er und seine Mutter nie mehr Not leiden müssen. Auch die geizigen Goblins geben ihm noch zwei Taler mit auf den Rückweg in seine Welt.
Die Nachricht ans Publikum, egal ob Klein oder Gross, ist klar: Träume sind wichtig und gut, positive Träume zeigen zudem, wie die Welt auch noch sein könnte. Und wer auf seine Träume hört, der kann sein Leben auch real – zumindest im Rahmen seiner Möglichkeiten – etwas besser machen.

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