Hochhäuser im Limmattal

Hochhausbauten waren über lange Jahre verpönt und sind seit geraumer Zeit wieder «in». Doch ab wann wird ein Haus als Hochhaus bezeichnet? Und darf eigentlich überall hoch hinaus gebaut werden? Ja – und nein – und unter Umständen eben doch.

In den gelben und orangen Gebieten dürfen gemäss BZO die Häuser bis zu 80 Meter, in den roten bis 40 Meter hoch gebaut werden. Ab 25 Metern spricht man von einem Hochhaus.
Auf dem Grundstück «Letzibach D» will die Stadt bis in fünf Jahren 250 gemeinnützige Wohnungen bauen. Das Hochhaus wird rund 60 Meter hoch.
Das Stadtmodell im Amtshaus IV, hier mit Blick über Höngg Richtung Zürichsee betrachtet: Alle weissen Gebäude sind geplant oder bereits im Bau – die Hochhäuser darunter sind gut erkennbar.
1/3

Das Projekt um das neue Hardturmstadion, «Ensemble», mit seinen beiden Hochhausbauten, hat schon einiges zu reden gegeben. In Höngg hat sich nach Bekanntwerden des Projekts das «Komitee gegen den Höhenwahn» gebildet, das sich zwar für das Stadium, aber klar gegen die Hochhäuser ausspricht (siehe «Höngger» vom 26. Oktober 2017). Doch die beiden Türme sind nur eines der Projekte im Blickfeld von Höngg, die geplant oder bereits im Bau sind.

Was ist ein Hochhaus und wo darf es stehen?

«Hochhaus» mag als Begriff individuell verstanden werden. Offiziell aber definiert das kantonale Planungs- und Baugesetz (PBG) alle Häuser ab einer Höhe von 25 Metern als Hochhaus. Das sind je nach Terrain sieben oder acht Stockwerke. Auch in Höngg stehen mehrere solcher Gebäude: vier im Gebiet Riedhof und das Pflegezentrum «Bombach» (Verweis auf Artikel «Als man in Höngg noch Hochhäuser baute»).
Die mit dem kantonalen PBG kompatible Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich (BZO) definiert, was wo gebaut werden darf. Sie regelt, wo welche Nutzung – zum Beispiel Wohnen oder Gewerbe – zulässig ist und wie eine Parzelle bebaut werden darf, also die Anzahl Stockwerke und die Ausnützung des Grundstücks. Die BZO definiert also die sogenannte «Regelbauweise». Doch keine Regel ohne Ausnahme: Möchte man von der Regelbauweise abweichen, also beispielsweise eben höher bauen als gemäss BZO erlaubt wäre, ist dies mit dem Mittel eines Gestaltungsplans möglich. Ein Gestaltungsplan erlaubt eine höhere Ausnützung, im Gegenzug muss das Projekt den politisch ausgehandelten Anforderungen eines «Mehrwerts» gerecht werden. Dazu hält das PBG fest, dass Hochhausprojekte «ortsbaulich einen Gewinn bringen» und «architektonisch besonders sorgfältig gestaltet» sein müssen. Was «ortsbaulich ein Gewinn» und was eine «besonders sorgfältige Gestaltung» sei, definiert das Gesetz jedoch nicht. Jeder Gestaltungsplan muss vom Gemeinderat bestätigt werden und unterliegt somit dem fakultativen Referendum. Wird ein solches ergriffen, wird an der Urne über das Bauvorhaben entschieden.

Hochhausgebiete in Zürich

Grundsätzlich kann, sofern ein rechtskräftiger Gestaltungsplan vorliegt, überall ein Hochhaus erstellt werden. Doch Fabian Korn, Projektleiter Kommunikation beim Amt für Städtebau präzisiert: «Dies bedeutet aber nicht, dass ein solches Projekt auch überall bewilligt wird». Natürlich gäbe es auch Gebiete, die für den Hochhausbau weniger geeignet seien: «Beispielsweise Gebiete mit kleinteiligen Bebauungsstrukturen oder die Altstadt». 2001 führte die Stadt Zürich deshalb «Richtlinien für die Planung und Beurteilung von Hochhausprojekten» als Ergänzung der BZO ein und definierte darin drei Typen von Hochhausgebieten. In diesen Gebieten kann ein Hochhausprojekt auch ohne Gestaltungsplan realisiert werden, solange die für das Gebiet definierte Maximalhöhe (siehe Abbildung) und erhöhte Anforderungen eingehalten werden. So darf in den Gebieten der Klasse I und II maximal 80 Meter, in jenen der Stufe III 40 Meter hoch gebaut werden. Zudem formulieren die Richtlinien zu jedem Gebietstypen unterschiedliche «erhöhte Anforderungen» bezüglich städtebaulicher Einordnung, architektonischer Gestaltung, dem Bezug zum öffentlichen Raum und Nutzungskonzept, insbesondere im Erdgeschoss.

Das Baukollegium schaut hin

Das städtische Hochbaudepartement begleitet die städtebauliche und architektonische Planung eines Hochhauses eng. Das beginnt bereits mit der Beurteilung des Standorts durch das Baukollegium. Dieses besteht aus vom Stadtrat für vier Jahre gewählten externen Fachleuten sowie Mitgliedern der Stadtverwaltung und nimmt, so informiert das Hochbaudepartement, «zu Bau- und Planungsvorhaben und zu städtebaulichen Konzepten sowie Leitbildern Stellung, wenn ihre Bedeutung es erfordert oder, wenn sie zu grundsätzlichen Fragen Anlass geben».
Erst wenn das Baukollegium einen gewünschten Standort als geeignet einstuft, kann die Bauherrschaft die Planung fortführen. Über die Qualität der architektonischen Gestaltung wacht dann entweder das Baukollegium oder es wird ein Architektur-Wettbewerb ausgeschrieben.

Richtlinien werden der Zeit angepasst

Die Richtlinien für die Planung und Beurteilung von Hochhausprojekten stehen, wie das Amt für Städtebau wissen lässt, nun zur Überarbeitung an, denn die lange verpönten Hochhäuser haben besonders in Zürich wieder an Bedeutung gewonnen. Die Richtlinien sollen besonders auch im Hinblick auf die angestrebte Verdichtung und gestützt auf die Bevölkerungswachstumsprognosen angepasst werden: «Die Hochhausgebiete sowie deren Höhen werden überprüft und allenfalls angepasst», so Fabian Korn. Auch wie die Stadt den Begriff «ortsbaulicher Gewinn» definiere, gelte es zu überprüfen. «Kurzum ist das Ziel, die Hochhaus-Richtlinien an die Bedürfnisse unserer wachsenden Stadt anzupassen: städtebaulich, architektonisch und stadträumlich», so Korn.

Tatsächlich geplant oder im Bau

Buchstäblich aus Sicht von Höngg interessiert natürlich, was im Limmattal – zwischen Hauptbahnhof und der Stadtgrenze in Altstetten – nicht nur wie vorher beschrieben möglich wäre, sondern speziell, was bereits geplant oder im Bau ist.
Entlang der Bahnlinie und darüber hinaus befinden sich zusammenhängende Gebiete der Stufe I und II, in denen eine Gesamthöhe bis zu 80 Meter ohne Gestaltungsplan möglich ist. Dort wurde das 80 Meter hohe Hochhaus des Areals «Westlink», gleich beim Vulkanplatz beim Bahnhof Altstetten, vor kurzem fertiggestellt. Fast fertig sind unweit des Bahnhofs Altstetten zudem die drei Wohntürme des Projekts «Vulcano» der Credit Suisse an der Vulkanstrasse mit ebenfalls je 80 Metern.
An der Hohlstrasse wird momentan von den SBB der 70 Meter hohe «Letzi-Turm» realisiert. Auf der Website der SBB heisst es dazu aufschlussreich: «Dem Gebiet der SBB Werkstätten – von der Flurstrasse bis zur Duttweilerbrücke – steht in den nächsten Jahrzehnten ein intensiver, zukunftsweisender Transformationsprozess bevor. Dabei nimmt der «Letzi-Turm» in diesem übergeordneten Stadttransformationsprozess eine Pionierstellung ein». Wobei der singular benannte «Letzi-Turm» eigentlich zwei Wohnhochhäuser sind, die sich wiederum an der Gebäudehöhe des Projekts «Letzibach D» orientieren, welches die Stadt selbst an der Hohlstrasse plant: Rund 250 gemeinnützige Wohnungen sollen dort entstehen, teilweise in einem Hochhaus von 60 Metern Höhe. Zwischen Hohlstrasse und Albulastrasse überbaut zudem die Mobimo Management AG das Labitzke-Areal neu mit zwei Hochhäusern von 47 und 64 Metern. In Planung ist weiter ein Hochhaus mit 160 Wohnungen der Swiss Life an der Baslerstrasse, gegenüber dem Einkaufszentrum Letzipark. 25 Geschosse werden dort 76 Meter emporragen. Und natürlich das alles überragende Projekt «Ensemble» auf dem Hardturm-Areal mit seinen beiden 137 Meter hohen Türmen und dem Fussballstadion. Der Gestaltungsplan zum Projekt wird derzeit erarbeitet. Das Land gehört der Stadt und wird im Baurecht abgegeben. Weil zwei der drei Baufelder vom Finanz- in das Verwaltungsvermögen umgeteilt werden müssen, wird – die Zustimmung des Gemeinderates zum Baurecht und Übertrag sowie später zum Gestaltungsplan vorausgesetzt – voraussichtlich noch Ende dieses Jahres das Volk an der Urne mitreden dürfen. Ganz abgesehen davon, dass höchstwahrscheinlich das Referendum ergriffen werden wird. Mehr ist derzeit nicht bekannt. Ausser dass es zwar eine BZO, definierte Hochhausgebiete und Richtlinien gibt, die gerade überarbeitet werden – und eben das Mittel des Gestaltungsplans, mit dem theoretisch alles möglich ist.

0 Kommentare


Themen entdecken