Schulanfang für alle

Schulanfang: Die Kinder werden langsam nervös. Am nächsten Montag geht es los: Zum ersten Mal mit dem «Chindsgitäschli» in den Kindergarten trappeln, stolz und aufgeregt ins Schulhaus einziehen oder auch ganz einfach die lieben Gspänli wieder treffen, eine Klasse höher nun.

Esther Straub, SP, Kantonsrätin

Ein aufregender Tag ist es für alle Kinder – zum Glück für alle. Denn vor noch nicht so langer Zeit blieben in der Schweiz am ersten Schultag und auch an allen folgenden um die 10‘000 Kinder Zuhause in ihren Wohnungen. Sie wurden von ihren Eltern versteckt, die als Saisonniers in der Schweiz arbeiteten und für ihre Kinder keine Aufenthaltsbewilligung erhielten, denn diese gab es frühestens nach vier Jahren und unter sehr restriktiven Bedingungen. Heute erzählen die versteckten Kinder von damals, wie ihnen ihre Kindheit gestohlen wurde. Wegen der Gefahr, entdeckt zu werden, mussten sie den ganzen Tag über in der Wohnung bleiben, durften nicht mit andern Kindern draussen spielen und verpassten die Schulbildung.

Recht auf Einschulung nach und nach verwirklicht

Erst 1991 fasste die schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren den wichtigen Grundsatz, alle in der Schweiz lebenden Kinder in die öffentlichen Schulen zu integrieren, auch Kinder ohne Aufenthaltsbewilligung. Aufgrund dieser Empfehlung wurde das Recht auf eine Einschulung von Kindern ohne geregelten Aufenthalt nach und nach verwirklicht.
Und heute? In der Schweiz leben mindestens 100‘000 Sans-Papiers, etwa ein Fünftel davon im Kanton Zürich. Sie haben keinen geregelten Aufenthaltsstatus. Ihren Lebensunterhalt finanzieren sie mit unpopulären Jobs, reinigen Wohnungen, pflegen ältere Menschen, arbeiten in der Landwirtschaft oder auf dem Bau. Und sie haben Kinder. Es sind Kinder, die nicht unbeschwert in den Tag hinein leben können, denn da ist stets die Angst, entdeckt und ausgeschafft zu werden. Doch Sans-Papiers-Kinder haben heute das Recht, den Kindergarten und die neun obligatorischen Schuljahre zu besuchen.

Schulbehörde darf Daten nicht an Einwohnerkontrolle weitergeben

Die Schulbehörden dürfen ihre Daten nur für schulische Zwecke benutzen und sie nicht an die Einwohnerkontrolle weiterleiten. Dennoch sind die Kinder und ihre Eltern auf das Verständnis der Lehrpersonen und der Behörde angewiesen, die auf ihre schwierige Situation Rücksicht nehmen.
Im Kanton Zürich können Jugendliche ohne geregelten Aufenthaltsstatus auch das Gymnasium besuchen, und seit zwei Jahren ist auch eine Berufslehre möglich, allerdings nur unter sehr strengen Kriterien. Wer zwischen Schulabschluss und Antritt einer zugesagten Lehrstelle eine Lücke von mehr als einem Jahr aufweist, fällt durch das Raster. So sind denn auch im ersten Jahr seit der Gesetzesänderung nur gerade zwei Gesuche beim Bundesamt für Migration eingegangen, obwohl pro Jahr zwischen geschätzten 200 und 400 jugendlichen Sans-Papiers eine Berufslehre antreten könnten. Es ist wichtig, die Hürde zu senken und damit Jugendlichen gute Zukunftsperspektiven zu eröffnen.
Gut, dass am 17. August kein Kind Zuhause bleiben muss. Ich wünsche allen Kindern einen glücklichen Start ins neue Schuljahr!

Esther Straub, SP, Kantonsrätin

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