Schräg und trotzdem im Lot

«Sonntag, 10 bis 12 Uhr, Ausstellung offen, ‹Höngger Zmorge› steht bereit. Ortsmuseum, Vogtsrain 2», so steht es an vier Daten im Jahr jeweils im Veranstaltungskalender des «Hönggers». Höchste Zeit, den «Zmorge» mal zu testen.

An jedem eidgenössischen Abstimmungssonntag wird das Ortsmuseum zum Frühstücks-Restaurant.

Schief in alle Richtungen ist sie, die Grossmannstube im Ortsmuseum Höngg. Obwohl einem die Füsse verraten, dass hier kein Boden eben ist, sind sich die Augen nicht ganz sicher, was nun weniger im Lot ist: die alten Balken der Wände oder die Bilderrahmen, die einen Vorgeschmack auf eine kommende Fotoausstellung geben? Doch am Tisch sitzend, fällt einem die schiefe Ebene kaum mehr auf – Hauptsache, der Kaffee schwappt nicht über. Es ist «Höngger Zmorge», und das seit bereits 34 Jahren vier Mal jährlich an den nationalen Abstimmungssonntagen. An diesem Sonntag ist die Stube mit 20 Personen gut gefüllt. «Im Durchschnitt kommen so an die 15 Personen», berichtet Sabine Anderegg, die zusammen mit Heidi Mori und Olga Krejci den «Zmorge» seit 2007 betreut. Bei einem Preis von zwölf Franken komme man gerade mal eben raus, erzählt Anderegg freimütig. Doch der Profi t, auch wenn er in der Museumskasse sicher willkommen wäre, steht nicht im Vordergrund.

Was zählt, ist das Beisammensein

Was zählt, und das ist an den Tischen schnell ausgemacht, ist das gemütliche Beisammensitzen am Abstimmungssonntag. «Wenn hier Zmorge ist», so berichtet eine Besucherin, «dann stimme ich jeweils bewusst nicht per Brief ab, sondern trage mein Couvert wie früher zum Wahllokal im Bläsischulhaus und komme dann hierher.» Hier, wo auf den schön gedeckten Tischen alles bereit steht, was das Frühstücksherz an einem Sonntag begehrt, vom Zopf über Konfitüre bis hin zu Käse, Aufschnitt und Pastetchen – und das à discrétion bis hin zu Kaffee und Säften. Klar sind die Abstimmungen, zu denen man sich gerade per Couvert geäussert hat, auch an den Tischen ein Thema. Doch ausgehend von der Zürcher Hochhauspolitik landet man thematisch schnell bei der Parkgestaltung in Oerlikon und irgendwo draussen auf einer der grünen Wiesen, die allenthalben überbaut werden – und ja, in Höngg war das ja auch mal so, das mit den Wiesen. So wird über Aktuelles diskutiert und über vergangene Zeiten resümiert, es wird gelacht und Neuankommende werden von allen Anwesenden begrüsst und klar, man rückt zusammen und es findet sich bestimmt noch ein Platz. Kein Zweifel: Gäbe es den «Höngger Zmorge» nicht seit 34 Jahren, man müsste ihn erfinden – und wenn man kurz vor zwölf Uhr, notabene als einer der Ersten, den heimeligen Raum verlässt und bald wieder festen Boden unter den Füssen hat, fragt man sich insgeheim vielleicht, wo die Welt nun tatsächlich nicht ganz im Lot ist.

0 Kommentare


Themen entdecken