«Privatus» – eine Holzinstallation mit Überraschung

Die begehbare Installation «Privatus» der Frères Chapuisat in der Grossmünster-Krypta ist das jüngste Kapitel in der über 1200-jährigen Geschichte zwischen dem Grossmünster und Höngg.

Der Stangenwald trägt das kleine Amphitheater von «Privatus», in dem eine humoristische Überraschung wartet.

Um das Jahr 820 besass das Chorherrenstift Zürich ersten Grundbesitz in Höngg – das war rund 300 Jahre, bevor die Krypta des Grossmünsters geweiht wurde. Seit mindestens 1188 gehörte ein Viertel des Zehntenbezugsrechtes dem Grossmünster. Wie «der Meier 1388 mit dem heimischen Förster» umgesprungen war, wird in einer Anekdote in der kürzlich erschienenen Mitteilung «Die Hofwies beim Dorf Höngg» der Ortsgeschichtlichen Kommission erzählt. Für ihre Installation «Privatus» verarbeiteten die Frères Chapuisat rund acht Kubikmeter Fichtenholz aus dem Hönggerberg-Wald, die sie von einer Regensdorfer Sägerei bezogen haben.

Gehämmert, gebohrt und geschraubt

Während vier Wochen wurde in der Grossmünster-Krypta gehämmert, gebohrt und geschraubt, bis «Privatus» vollendet war. «Während der ganzen Planungs- und Bauphase haben uns die Frères Chapuisat keine Pläne zeigen können», erzählt Thomas Gamma, Kurator von Kunst in der Krypta. «Die Künstler lassen sich ganz auf den Raum ein und treten mit ihrem Werk in einen Dialog.» Da sich Cyril Chapuisat inzwischen aus dem Kunstbetrieb zurückgezogen und sich mit seiner Familie auf einem Bauernhof in der Nähe von Yverdon niedergelassen hat, hält Grégory mit Hilfe von lokalen Assistenten die Fahne der Frères Chapuisat hoch.

Kunst trifft Spiritualität

Die Brüder aus der Romandie sind in Zürich keine Unbekannten: Im Jahr 2008 haben sie an der Ausstellung «Shifting Identities» im Kunsthaus Zürich mitgewirkt. Seit 2001 konnten sie unter anderem in Berlin, Brüssel, Paris und Seoul ihre temporären Installationen dem interessierten Kunstpublikum präsentieren. Das Grossmünster führt Kunst in der Krypta zum vierten Mal durch, hier treffen Kunst und Spiritualität aufeinander. «Es ist immer wieder von neuem spannend, wie Gegenwartskunst auf den geschichtsreichen Raum der Krypta reagiert und wie Künstler im Prozess der Arbeit anfangen, die eigenen Glaubensvorstellungen und Gottesbilder zu reflektieren», so Thomas Gamma.

Eine Überraschung im Innern von «Privatus»

Die Skulpturen der Frères Chapuisat wirken auf den ersten Blick oft sperrig, sind aber mit allen Sinnen wahrnehmbar. So auch «Privatus». Zunächst sieht man den Zugang zur Krypta durch Latten versperrt, doch wer sich hindurchschlängelt, steht vor einem Tatzelwurm mit einem engen Zugang, der zur Begehung einlädt. Die Installation ist nicht begehbar im eigentlichen Sinne, man robbt über einen verwinkelten Weg vom Dunkel dem Licht entgegen. «Auf diesem Weg wird jeder mit seinen Gefühlen, Ängsten und Gedanken konfrontiert, ehe er in das erlösende Licht kommt», so Thomas Gamma. Dort findet man sich in einem hölzernen Amphitheater wieder, wo einen, ganz in der Tradition der Frères Chapuisat, eine Überraschung erwartet.

Am Freitag, 8. Juli, findet um 18 Uhr ein Predigt-Slam als Begleitveranstaltung statt. Pascale Rondez, Christian Bergmaier, Hanspeter Zürcher und Grossmünsterpfarrer Martin Rüsch werfen in improvisierten Kurzpredigten einen theologischen Blick auf die Installation. Die Ausstellung in der Krypta ist bis zum 18. August zu sehen. Zudem ist auf dem Altstetterplatz die Sandsteinskulptur «Intersection» der Frères Chapuisat, die sie im Rahmen von Gasträume, einem Projekt der Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum (KiöR), erstellt haben, zu sehen.

Eingesandt von Yves Baer

 

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