Pistenausbauten versus Fluglärm: Der Flughafen im Kreuzfeuer

Braucht der Flughafen Zürich weitere Ausbauten, um sich besser positionieren zu können? Welche Vor- und Nachteile bestehen für den Kanton und die umliegenden Gemeinden jetzt und künftig? Die Meinungen und das Empfinden bezüglich der Fluglärmbelastung in Höngg sind unterschiedlich.

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Ein Jumbolino der Swiss beim Start über Höngg.

Am 27. November wird im Kanton Zürich unter anderem über eine Gesetzesänderung des Artikels 3 zur Fluglärmbekämpfung abgestimmt. Von Höngg aus ist man in rund einer Viertelstunde am Hauptbahnhof – oder am Flughafen Zürich. Auch vom Stadtzentrum benötigt man nur 15 Minuten – ein Pluspunkt, der den Flughafen Zürich von allen internationalen Flughäfen abhebt. Aber nicht nur das Prestige zählt, auch aus volkswirtschaftlicher Sicht spielt der Flughafen eine grosse Rolle für den gesamten Kanton Zürich. Rund 23 Millionen Menschen nutzten im Jahr 2010 den Flughafen Zürich, um ein- , um- oder auszusteigen. Der Frachttransport bewegte rund 410 000 Tonnen Güter. Zudem ist der Flughafen Zürich ein potenter Arbeitgeber: Mit rund 20 000 Arbeitsplätzen deckt er 3,7 Prozent der Gesamtbeschäftigung im Kanton ab. Ein Unternehmen mit Zukunft – und in die will der Flughafen Zürich investieren. Eine Variante, die angestrebt wird, ist die Verlängerung der Pisten 28 und 32, was gemäss Aussage des Flughafens ein lärmgünstigeres Betriebsregime ermöglichen würde. Zurück zu der Viertelstunde Anfahrtszeit: des einen Freud, des anderen Leid. Die Lärmimmissionen in den umliegenden Gemeinden sind beträchtlich, die Diskussionen darum heftig. In der Folge reichten 42 Stadt- und Gemeinderäte eine Behördeninitiative zur Änderung von Artikel 3 (Fluglärmbekämpfung) des Flughafengesetzes ein. Der Gegenvorschlag von Stimmberechtigten geht sogar noch einen Schritt weiter: Damit sollen unter anderem Flugrouten über dicht besiedeltem Gebiet verboten werden. Initiative und Gegenvorschlag gelangen am 27. November vor das Volk.

Balanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und Rücksicht

Gemäss einer nicht repräsentativen Fluglärm-Umfrage des «Hönggers» im Oktober sind die Meinungen der Bewohner geteilt: Die einen nehmen die Flugzeuge am Himmel zwar wahr, stören sich aber nicht am Lärm. Andere hingegen fühlen sich massiv eingeschränkt in ihrem Alltag. So die beiden «Höngger»-Leserinnen A. R. und N. T. (Name der Redaktion bekannt). Die beiden Frauen haben sich deshalb mit einem Brief an die Redaktion des «Hönggers» gewandt. Sie wohnen seit langem in Höngg und stellen eine markante Steigerung des Fluglärms in den letzten Jahren fest. «Im Sommer verstehen wir unser eigenes Wort nicht mehr, wenn wir im Garten sitzen», erzählt Frau R. «Entspannen in der Hängematte ist nur noch mit Ohrenstöpseln möglich.» Wie zur Bestätigung übertönt in diesem Moment ein dumpfes Brummen ihre letzten Worte und das Interview wird im Wohnzimmer fortgesetzt. Die Verkehrsentwicklung des Flughafen Zürichs zeigt: In den letzten zehn Jahren sind die Flugbewegungen von jährlich rund 220 000 auf 269 000 angestiegen. Im Raum Höngg/Regensdorf blieben sie gemäss Sonja Zöchling Stucki von der Medienstelle Flughafen Zürich stabil. Das heisst: Jährlich bewegen sich zwischen 37 000 und 44 000 Flugzeuge über diesem Gebiet. Massgeblich für die Anzahl Überflüge in Höngg/Regensdorf sind 230 Starts auf Piste 28 sowie 115 Starts auf Piste 16 Richtung Westen. In Randzeiten kommen noch Starts ab den Pisten 32 und 34 sowie Landungen auf der Piste 18 hinzu. Auch wenn die Überflüge gemäss Statistik konstant geblieben sind: Die ständigen Lärmimmissionen werden für die beiden Hönggerinnen im Rütihof mehr und mehr zur Qual. Auch die Informationspolitik des Flughafens stösst ihnen sauer auf: «Wir fühlen uns ausgeliefert und machtlos. Auf die Bewohner der umliegenden Gebiete wird keine Rücksicht genommen, sie werden weder informiert noch angehört.» Eine Ansicht, die auch Max Walter, Gemeindepräsident von Regensdorf und Mitinitiant der Behördeninitiative, teilt. Obwohl er betont, dass die Gemeinde grossen Wert legt auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Flughafen und den hohen wirtschaftlichen Stellenwert für die Region durchaus anerkennt. Es gäbe aber Grenzen, so Walter. «Mit dem aktuellen Pistensystem könnte der Flughafen Zürich bis zu 350 000 Flugbewegungen jährlich realisieren», erläutert er. «Mit einem Ausbau ginge es nur darum, die Stundenkapazität und somit die Lärmbelastung für die Bevölkerung zu erhöhen. Ein Flughafen ohne die Unterstützung der Menschen im Umfeld funktioniert nicht. Deshalb müssen die Anliegen der Bewohner der umliegenden Gemeinden ernst genommen und berücksichtigt werden.» Zurück ins Rütihofquartier, wo der nachmittägliche Flugverkehr auch in der guten Stube zu hören ist. Die beiden Bewohnerinnen haben konkrete Wünsche für die Zukunft: Neben weniger Flugbewegungen wünschen sie sich auch regelmässige Lärmmessungen am Standort Höngg. Für beide ist zudem nicht nur die Flugsicherheit, sondern auch die Sicherheit der Bewohner der überflogenen Gebiete ein wichtiger Aspekt. Sie wünschen sich zudem eine seriöse Informationspolitik seitens des Flughafens an die Bevölkerung. Regelmässige Angaben zu den Flugbewegungen, zu den Lärmemissionen sowie über Änderungen der Flugrouten wären für sie wichtige Informationen, um sich besser auf die Lärmbelastung einstellen zu können. Und vielleicht ab und zu die Flucht zu ergreifen, wenn sie wissen, dass sich wieder viele Flugzeuge am Himmel über Höngg tummeln werden.

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