Mindestlohn sorgt für mehr Lohngerechtigkeit

Führt die Zustimmung zur Mindestlohn-Initia­tive direkt zum Untergang der Schweiz oder trägt sie zu mehr Gerechtigkeit in unserem Land bei? Über diese Frage wird zurzeit mit allen Mitteln gestritten. Erst kürzlich ist mir eine Medienmitteilung des Zentralvorstandes der Evangelischen Frauen Schweiz, kurz EFS, in die Hände gefallen. In diesem führt der Verband die Gründe an, warum er die Initiative für einen gesetzlichen Mindestlohn von 4000 Franken unterstützt.

Judith Stofer, Kantonsrätin AL

Es seien vor allem Frauen, die von Tieflöhnen betroffen sind: Sieben von zehn Vollzeit arbeitenden Personen mit einem Monatslohn unter 4000 Franken – mal zwölf – sind Frauen. Tiefe Löhne hätten im Alter schlimme Folgen für Frauen, weil diese Armutsrenten zur Folge haben, bringt es der EFS auf den Punkt. Nur wer im Erwerbsleben einen anständigen Lohn erhalte, so der EFS weiter, habe im Alter auch eine existenzsichernde Altersvorsorge. Sein Fazit: «Ein Ja zur Mindestlohn-Initiative sorgt für mehr Lohngerechtigkeit der Geschlechter.»

Gutverdienende Jammerer und professionelle Angstmacher

Die Stellungnahme der Evangelischen Frauen Schweiz fällt auf. Im Gebrumm vor allem des Männerchors der gutverdienenden Jammerer und professionellen Angstmacher weisen die EFS-Frauen wohltuend unaufgeregt und sachlich auf eine Tatsache hin, die in der Gesellschaft gerne übersehen wird: Leidtragende von Tieflöhnen sind vor allem ältere Frauen. 

Ich gönne den Männern ihre guten Löhne. Es scheint, dass Männer ihren Wert gerne über einen hohen Lohn messen. Das ist ihnen unbenommen. Doch wütend macht, wenn diese gut verdienenden Männer mit ihrer Schwarzmalerei – das «erfolgreiche Wirtschaftsmodell der Schweiz» ist gefährdet – und ihren paternalistischen Sprüchen von den «Zweitverdienerinnen», die zum Wohle der Wirtschaft für einen tiefen Lohn arbeiten müssten, eine Angststimmung erzeugen. In der Gewerbezeitung, die kürzlich in alle Haushalte verteilt wurde, drohte ein Arbeitgeber offen, dass er seiner Verkäuferin kündigen müsse, sollte die Mindestlohn-Initiative angenommen werden.

Sind ältere Frauen und Verkäuferinnen weniger wert?

Sind ältere Frauen, sind Verkäuferinnen, Hotelangestellte, Coiffeusen, Hauswirtschafts- und Landwirtschaftsangestellte sowie Reinigungskräfte weniger wert? In der Antwort auf eine Anfrage der beiden SP-Kantonsrätinnen Mattea Meyer und Rosmarie Joss schreibt der Regierungsrat, dass im Kanton Zürich 80  000 Personen mit ihrer Erwerbsarbeit weniger als 4000 Franken brutto, mal zwölf, verdienen. Mehr als ein Viertel, genau 26,8 Prozent, dieser 80  000 Personen sind trotz Erwerbstätigkeit auf staatliche Sozialhilfe angewiesen, von diesen wiederum arbeiten acht Prozent Vollzeit. 

Es kann doch nicht sein, dass erwerbstätige Personen auf staatliche Unterstützung angewiesen sind! Ich bitte Sie darum: Drücken Sie Ihre Wertschätzung für ältere Frauen, Coiffeusen, Verkäuferinnen, Reinigungskräfte, Hotel- und Landwirtschaftsangestellte mit einem kräftigen Ja zur Mindestlohn-Initiative aus. Die Schweiz wird dabei garantiert nicht untergehen. Vielmehr wird sie ein Stück weit wieder gerechter.

Judith Stofer, Kantonsrätin Alternative Liste, Kreis 10

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