Kleines Radio-Häuschen mit weltweiter Reichweite

Die neue «Mitteilung» der Ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins Höngg liegt vor. Nummer 51 hat den Titel «Radio Höngg» und wurde kürzlich an einer unterhaltsamen Vernissage vorgestellt.

Das Senderhäuschen kurz vor dem Abbruch.
Beat Frey probierte gleich die Kopfhörer des Detektorempfängers aus, welchen das Ortsmuseum von Johannes Gutekunst erhalten hat (v. l.).
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Auf dem Hönggerberg stand die erste Schweizer Radiostation – dies war 1924, zwei hohe Sendemasten zeigten einem schon von weitem, dass hier etwas Spezielles vor sich ging. Der 500-Watt-Sender hiess «Radio Zürich». Zuerst musste aber, zum Leidwesen der Hörerschaft, noch viel experimentiert werden, und darum meldeten sich die Moderatoren anfänglich mit der jeweils angewendeten Wellenlänge, welche oft die «Welle 515» war. «Radio Zürich» konnte sogar in weit entfernten Ländern wie Norwegen, Irland, Ägypten, Südafrika, Amerika und Russland empfangen werden. Gespielt worden seien neben «Bödelern» und «Chuedräcklern» von der «Stockersepps Ländlerkapelle» allerlei Salonstücke, aber auch klassische Musik. Der grösste Teil der Hörerschaft habe sich Operettenmusik gewünscht. Wöchentlich erschien zudem ein Programmheft.

Lautes Radio, kein Gespräch mehr möglich

Röhrengeräte zum Radiohören war damals noch etwas für die «Mehrbesseren», einen Detektorempfänger konnte sich mit geringem Kostenaufwand aber jeder selbst bauen. So war es kein Wunder, dass Restaurants als Attraktion das Radio laufen liessen, um mehr Gäste bewirten zu können. In der Wirtschaft zum Central in Höngg war es «Papa Nötzli», der seine Gäste mit einem rund einen Meter grossen Grammophontrichter als Verstärker beschallte – jede Unterhaltung zwischen den Gästen sei durch die Beschallung übertönt worden, denn das dem Sender nahe Restaurant hatte einen kräftigen Empfang. Solche unterhaltsamen Anekdoten liest man in der Mitteilung Nr. 51, die sich das Radio Höngg zum Thema gemacht hat. Autor Johannes Gutekunst, ein «Früh-Radio-Angefressener», schrieb aber nicht nur über den Höngger Sender, sondern über das Aufkommen der Radiostationen und der Radios schweizweit. Am vorletzten Mittwoch stellte er zusammen mit Beat Frey von der Ortsgeschichtlichen Kommission des Verschönerungsvereins, welche das Ortsmuseum Höngg betreibt, das unterhaltsame Büchlein mit 160 Seiten vor.

Häuschen weg, Denkmal hin?

Die Alumni Lounge auf dem ETH-Gelände Hönggerberg, in welcher die Buchvernissage stattfand, wurde für einmal nicht nur von jüngeren Leuten besucht, sondern vor allem auch von älteren Hönggerinnen und Hönggern, welche sich noch an die Zeiten des bloss acht auf neun Meter kleinen Senderhäuschens erinnern konnten. Bis vor kurzem stand es noch, baufällig und verwahrlost zwar, doch nun musste es den geplanten ETH-Neubauten weichen. Schade, fanden einige der Anwesenden. Hoffentlich komme wenigstens ein Denkmal oder eine Informationstafel an seine Stelle – denn den ersten Schweizer Radiosender zu haben, sei doch «scho no öppis», war man sich an der Vernissage einig. Autor Johannes Gutekunst erzählte von sich und seiner Liebe zu Radio apparaten – so sei er ein «technisch interessiertes Kind gewesen, das wegen handfestem Wissensdrang bald einmal den üblen Ruf hatte, immer alles kaputt machen zu müssen». Sogar ein grünes Spielzeugauto aus Gummi habe seinen Forschungsdrang nicht lange überlebt. Bald einmal kam der erste Detektorempfänger, ein Gerätchen, mit welchem man Radioempfang hatte, und weitere Radios folgten: «Immer mehr und mehr Apparate kamen in meinen Besitz, welche schliesslich die Garage okkupierten und ich somit den Wagen bitten musste, künftig gefälligst im Freien übernachten zu wollen.» Blumig wie er sein Leben beschrieb, liest sich teilweise auch die neue «Mitteilung». Bei alten Texten wurden in einer Anmerkung neue Erkenntnisse beigefügt und mit persönlichen Ansichten ergänzt. Ein Augenschmaus sind die alten Fotos, die einem zeigen, welchen Stellenwert das Radiohören in den 30er- bis 50erJahren hatte: Anstatt wie heute vor dem Fernseher sass die ganze Familie vor dem Radiogerät und lauschte gebannt dem Gesprochenen und Gespielten.

Detektor für Ortsmuseum

Als Andenken an die Buchvernissage übergab Johannes Gutekunst Beat Frey für das Ortsmuseum einen waschechten Detektorempfänger aus den Vierzigerjahren, der nach dem bewährten Selbstbau-Rezept von 1924 hergestellt wurde.  Dies ist ein kleines Gerät, welches kein Netz und keine Batterien benötigte, sondern alleine durch die Energie des Radiosenders elektromagnetische Wellen auf seiner Metalldrahtspule empfing. Einziger Nachteil: Man hörte nur mit einem Kopfhörer, was gerade gesendet wurde, und eine Antenne sowie eine Erdleitung waren für das Funktionieren unentbehrlich. Doch: war dies nicht sozusagen ein Walkman, wie man ihn Jahrzehnte später erfand, oder gar ein Vorläufer der heutigen MP3-Player? Wenn man es sich genau überlegt, ein innovatives Gerät noch dazu, denn was funktioniert heute schon ohne Batterien, Akkus oder Strom?

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